Auf dem Bischofsstuhl kommt die Rührung
Endlich darf Bertram Meier als neuer Oberhirte das Bistum Augsburg führen. Trotz Corona-Auflagen wird seine Bischofsweihe im Augsburger Dom als frohes Fest gefeiert. Und Ministerpräsident Söder dankt ihm für geduldiges Warten
Augsburg Am Tag darauf fühlt sich das Bischofsein schon fast normal an. Wie der Fisch im Wasser bewegt sich Bertram Meier, der neue Augsburger Oberhirte, am Sonntag beim Patrozinium in der Wallfahrtskirche Herrgottsruh in Friedberg. Monate vorher, ohne Corona, war der Termin vereinbart worden. Jetzt sei es für ihn eine Dankwallfahrt für seine Bischofsweihe, sagt Meier. Außerdem steigen ihm Erinnerungen auf, wie er in seiner Jugend extra schulfrei bekam, um bei der traditionellen Wallfahrt der Kauferinger nach Herrgottsruh zu ministrieren. „So schließen sich Kreise“, sinniert er.
Die Bischofsweihe am Samstag steht im Zeichen der CoronaSchutzmaßnahmen. Die Einlasskarten sind streng limitiert auf maximal 180 Personen, alle sitzen in weitem Abstand zueinander, die Gläubigen im Kirchenschiff jeweils nur an den Enden der Bänke und ebenso die geistlichen Würdenträger in den Chorräumen. Dennoch lastet nicht der Eindruck von Distanz auf dieser Feier. Im Gegenteil ist eine Herzlichkeit
Statt kühler Distanz ist Herzlichkeit zu spüren
zu spüren, die alle eng verbindet. Als die Vertreter aus verschiedenen Gruppen den neuen Bischof begrüßen („Gott segne unser Miteinander“, wünscht für alle stellvertretend Hildegard Schütz, die Vorsitzende des Diözesanrats der Katholiken), findet jede und jeder seine persönliche Geste. Mit südländischem Temperament zeichnet eine Frau mit ihren Armen ein Herz in die Luft, Abt Theodor winkt, man verbeugt sich, ruft sich Glückwünsche zu, scherzt miteinander. Bischof Bertram freut sich überschwänglich.
Kurz vorher hat ihn beinahe die Rührung überwältigt, seine Wangen glitzern feucht. Zum ersten Mal sitzt der 59-Jährige auf seinem Bischofsstuhl, die Lehne überragt ihn um fast eine Körperlänge. Jetzt ist er der 62. Nachfolger des heiligen Ulrichs. Er führt ein Bistum mit tausend Pfarreien und fast 1,3 Millionen Katholiken. Ihm werde „eine anstrengende und schwere Aufgabe“übertragen, heißt es in der Ernennungsurkunde von Papst Franziskus, die Weihbischof Anton Losinger feierlich dem Domkapitel und den Gläubigen präsentiert. Doch der Heilige Vater ist gewiss, einen Mann des aufrechten Glaubens und von gutem Charakter erwählt zu haben.
An die lange Wartezeit, die BiBertram und seinem Bistum durch die Corona-Beschränkungen aufgebürdet war, erinnert Kardinal Reinhard Marx, der Münchner Erzbischof und Vorsitzende der Freisinger Bischofskonferenz. Papst Franziskus hat ihn schon am 29. Januar ernannt, die Weihe sollte eigentlich am 21. März stattfinden, als großes Fest der Diözese mit tausenden Gästen. Doch es kam „der tiefste Einschnitt, den wir je erlebten“, so Marx. „In dieser stürmischen Umbruchzeit das Bischofsamt zu übernehmen – das wirst du nie vergessen“, sagt der Kardinal in seiner Predigt. Als er auf den Wahlspruch des neuen Bischofs zu sprechen kommt – „Vox Verbi Vas Gratiae“(Stimme des Wortes, Gefäß der Gnade) –, huscht ein Lächeln über Bertram Meiers Gesicht, denn beinahe hätte Marx zu einer Vorlesung darüber ausgeholt.
Doch die Zeit im Dom ist streng getaktet. Dafür sorgt der Regieplan des Bayerischen Fernsehens. Von den Behörden sind ausnahmsweise zweieinhalb Stunden genehmigt worden. Die sprechenden Riten brauchen ihre Zeit, angefangen damit, dass der künftige Bischof bäuchlings auf dem Boden ausstreckt zum Zeichen seiner Ganzhingabe, während das Vokalensemble mit künstlerischer Perfektion die Heiligen-Litanei anstimmt. Da hat Bertram Meier bereits sein Versprechen abgelegt, dem Amt bis zum Tod treu zu dienen, am Aufbau der Kirche mitzuwirken und ihre Einheit zu wahren. In Stille legen Kardinal Marx, der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick und der Berliner Nuntius Nikola Eterovic ihm die Hände zur Weihe auf, dann halten zwei Diakone das aufgeschlagene Evangelienbuch wie ein Dach über ihn, ehe ihm das Haupt mit Chrisamöl gesalbt, der Ring („das Zeichen deiner unverbrüchlichen Treue“) angesteckt, die Mitra („der Glanz der Heiligkeit“) aufgesetzt und der Hirtenstab überreicht wird. Jetzt gehört er zum Bischofskollegium. „Ich begrüße dich sehr herzlich in unserer Mitte“, sagt Georg Bätzing, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz. „Wir brauchen deine großen, guten Gaben.“Als da sind Meiers seelsorgliche Erfahrung, sein offenes Herz für die Menschen, seine ökuschof menische Leidenschaft und sein weltkirchlicher Horizont. Die Afrikanische Gemeinde in Augsburg hat ihm eine Trommel geschenkt, doch wie die anderen symbolischen Gaben kann sie nicht persönlich überreicht werden; sie liegen ausgebreitet auf einem Altar.
An der Feier nehmen der evangelische Regionalbischof Axel Piper, ein orthodoxer Priester und ein methodistischer Pastor teil. Und in der ersten Bank Bayerns Ministerpräsident Markus Söder. Er weiß, wie viel Geduld die Staatsregierung dem neuen Augsburger Bischof abgefordert hat und dankt ausdrücklich den Kirchen, dass sie bei all den verhängten Einschränkungen mitgegangen sind („das war richtig“) und die wichtige Aufgabe erfüllt haben, den Menschen Hoffnung auf wieder bessere Zeiten zu machen. Er selbst habe in diesen Wochen oft gebetet, bekennt Söder. „Ich kann mir persönlich ein Leben ohne Gott nicht vorstellen und als Ministerpräsident kein Bayern ohne Kirchen.“
Die Kirche wird Zukunft haben, versichert Bischof Bertram in seinem Schlusswort. Wenn auch in gesich wandelter Gestalt. „Schreiten wir voran!“, ruft der neue Oberhirte den Menschen seiner Diözese zu. „Ich will und werde nicht alles ändern; zugleich bin ich davon überzeugt, dass wir an manchen Stellschrauben drehen sollten, dass auch Bewährtes neu justiert und aufgestellt werden muss.“Begeistert applaudiert die Festgemeinde, die der neue Bischof zuvor gesegnet hat.
Eine Sensation hat er sich bis zum Schluss vorbehalten: Bertram Meier vertraut künftig einer Amtsleiterin die Stabsstelle im Bischofshaus an. Die Ordensfrau Anna Schenck von der Congregatio Jesu (früher MariaWard-Schwestern) wird zusammen mit dem wieder bestätigten Generalvikar Harald Heinrich, 53 („unser Tandem hat bestens funktioniert“), die Geschäfte der Diözese maßgeblich führen. Die 43-jährige Amtsleiterin soll dem Bischofshaus „auch nach außen mehr Gewicht und Profil geben“, sagt Bischof Bertram. Sie werde sich um Projekte und Veranstaltungen kümmern, „die als Querschnitt in den innerkirchlichen sowie in den gesellschaftlichen Bereich ausstrahlen“.