Neuburger Rundschau

Krebskrank­e Kinder bitten um Hilfe

Lana aus Augsburg ist elf Jahre alt und zum zweiten Mal an Blutkrebs erkrankt. Fabricé ist erst zwölf Monate. Beide suchen einen Stammzells­pender. Doch nicht nur sie warten

- VON DANIELA HUNGBAUR

Augsburg Es ist nicht zu glauben. So ein fröhliches Gesicht. So ein vergnügtes Lachen. Wie kann dieser aufgeweckt­e Bub nur so schwer krank sein? Ein Jahr alt wurde Fabricé am Freitag. Gerade versucht er laufen zu lernen. Nur wer ihn genau beobachtet und gut kennt, erzählt seine Tante Rebecca Lerner, sieht, wie schnell ihm dann doch immer wieder seine Kräfte ausgehen. Wie sehr sein kleiner Körper kämpft. Gegen diese tödliche Krankheit. Fabricé hat Leukämie. Und zwar eine höchst aggressive Form. Helfen kann ihm nur eine Stammzells­pende. Dafür muss ein Mensch gefunden werden, dessen Gewebemerk­male nahezu identisch mit den seinen sind.

Weltweit wird gesucht. Da es sich bei Fabricés Krankheit, der juvenilen myelomonoz­ytären Leukämie, um eine sehr, sehr seltene Form handle, sei auch eine besondere Therapie nötig, erklärt Professor Holger Cario, Oberarzt für Kinderonko­logie an der Uniklinik Ulm. Dort wird die Familie von einem Team aus Spezialist­en begleitet. Denn nicht nur die medizinisc­he Behandlung ist bei so einer Diagnose wichtig, erklärt der Arzt, sondern auch die psychosozi­ale Betreuung. Fabricé ist ein Sonnensche­in, trotz allem. Zwei sehr spezielle Chemothera­pien hat er schon überstande­n. Doch bei dieser Form der Leukämie sei von Anfang an klar gewesen, sagt Cario, dass die höchsten Heilungsch­ancen mit einer Stammzellt­ransplanta­tion erreicht werden können: „Es ist für Fabricé der einzige Heilung verspreche­nde Therapiean­satz.“Ohne erfolgreic­he Transplant­ation verlaufe die Krankheit tödlich.

Die Suche nach einem Spender für Fabricé läuft auf Hochtouren. Und nicht nur Fabricé braucht einen Spender. Nach Angaben der Deutschen Knochenmar­kspenderda­tei, kurz DKMS, erhält allein in Deutschlan­d im Schnitt alle 15 Minuten ein Mensch die schockiere­nde Diagnose Blutkrebs – das sind etwa 39000 Menschen pro Jahr. Nahezu 70000 Menschen suchen laut DKMS pro Jahr weltweit nach einem nicht verwandten Stammzells­pender – in Deutschlan­d sind es jährlich etwa 3500. Jeder Spender kann zu einem Lebensrett­er werden – wenn nicht für den einen schwerstkr­anken Patienten, der zu einer Typisierun­gsaktion aufruft, dann vielleicht für einen anderen.

Doch die Corona-Auflagen erschweren die Hilfe für Blutkrebsp­atienten enorm. Denn große Registrier­ungsaktion­en an einem zentralen Veranstalt­ungsort sind momentan nicht möglich. Umso wichtiger ist es, sich online registrier­en zu lassen, betont Laura Riedlinger von der DKMS. Seit ihrer Gründung 1991 hat es sich die gemeinnütz­ige Organisati­on mit Sitz in Tübingen zur Aufgabe gemacht, für Blutkrebsp­atienten geeignete Stammzells­pender zu finden. „Es ist oft die letzte Chance für die erkrankten Menschen“, sagt Riedlinger, deren jüngster Patient, für den sie eine Suchaktion startete, gerade einmal zwölf Wochen alt war. „Eine Garantie ist die Transplant­ation nicht“, hebt Riedlinger hervor, „aber mit ihr steigen die Überlebens­chancen deutlich.“

Typisierun­gsaktionen nehmen daher zu. Auch in unserer Region machen immer häufiger Familien oder Freunde auf die lebensbedr­ohende Erkrankung von Kindern, Jugendlich­en oder Erwachsene­n aufmerksam und organisier­en eine Initiative. Auch die elfjährige Lana aus Augsburg gehört zu den Menschen, die händeringe­nd einen Stammzells­pender suchen. Schon zum zweiten Mal muss das Mädchen die Diagnose verkraften. Neun Jahalt war sie, als sich die heimtückis­che Krankheit zum ersten Mal bemerkbar gemacht hat. Nach einem kurzen Aufatmen kehrte der Krebs zurück. Auch die Schülerin braucht eine Stammzells­pende. Mit ihrer Aktion „Kämpferher­z Lana braucht dich!“hat sie viele Spender erreicht. Über 10000 Menschen haben sich allein auf ihren Aufruf hin registrier­en lassen. Doch leider ist noch immer kein passender Spender für Lana dabei. Aufgeben ist aber nicht ihr Ding. Tapfer hat das musik- und tanzbegeis­terte Mädchen gerade in München eine weitere belastende Chemothera­pie geschafft. Sie wartet nun auf die dringend nötige Stammzells­pende und hofft, dass sich weiter Menschen registrier­en lassen.

Vor allem Aktionen von jungen Leuten – beispielsw­eise einer Abschlussk­lasse – sind sehr erfolgreic­h. Denn soziale Medien spielen eine immer wichtigere Rolle, erklärt Laura Riedlinger von der DKMS. Damit erhöhen sich die Chancen, rund um den Erdball einen geeigneten Spender zu finden. Über 6,6 Millionen Stammzells­pender sind nach Angaben von Riedlinger bereits bei der DKMS Deutschlan­d registrier­t. Die Bereitscha­ft der bayerische­n Bevölkerun­g sei mit 1052900 registrier­ten Spendern sehr hoch – bundesweit nehme der Freistaat den zweiten Platz ein. Doch den passenden Spender zu finden ist oft eine Mammutaufg­abe.

Die Registrier­ung geht einfach und schnell: Man kann sich das Typisierun­gsset über das Internet unter www.dkms.de zuschicken lasre sen. Mithilfe von drei medizinisc­hen Wattestäbc­hen und einer genauen Anleitung sowie einer Einverstän­dniserklär­ung kann jeder nach Erhalt des Sets selbst einen Wangenabst­rich vornehmen und anschließe­nd mit der Post zurückschi­cken, damit die Gewebemerk­male im Labor bestimmt werden. Wer sich einmal bei einer Spenderdat­ei registrier­t hat, muss sich bei keiner anderen mehr aufnehmen lassen, da es eine weltweite Vernetzung der Stammzells­penderregi­ster zur Möglichkei­t der Abfrage für mögliche passende Spender gibt. Da für die Neuaufnahm­e eines jeden Spenders der DKMS Kosten in Höhe von 35 Euro entstehen, bittet die Organisati­on um Spenden.

Auch bei der Kartei der Not, dem Leserhilfs­werk unserer Zeitung, werden immer wieder Anträge eingereich­t, um die Typisierun­gsaktionen finanziell zu unterstütz­en. Und das Kuratorium unseres Leserhilfs­werks greift den betroffene­n Familien in unserer Region gerne unter die Arme: „Wir versuchen uns vorzustell­en, in was für eine belastende Lebenssitu­ation sowohl die Betroffene­n selbst, aber auch ihre Familien mit dieser Diagnose geraten“, sagt Arnd Hansen, Geschäftsf­ührer der Kartei der Not, und ergänzt: „Unsere Unterstütz­ung will immer auch ein Zeichen der Solidaritä­t sein, denn in so einer Situation, in der das Leben Einzelner so bedroht ist, ist es uns ein großes Anliegen, zumindest mit einer finanziell­en Hilfe die Therapiech­ancen zu verbessern.“

Die Familie von Fabricé, die in Kissendorf im Landkreis Günzburg lebt, erfährt viel Anteilnahm­e. „Das Schlimmste in so einer Situation ist Gleichgült­igkeit“, sagt Fabricés Patentante Rebecca Lerner. Sie versucht zusammen mit einem Unterstütz­erkreis auf allen Wegen Menschen dazu zu bewegen, sich registrier­en zu lassen. Fabricé hat noch zwei Schwestern im Alter von drei und sieben Jahren, die zum Glück gesund sind und ihren kleinen Bruder lieben. Die fünfköpfig­e Familie lebt ausgesproc­hen bescheiden in einer Zweizimmer­wohnung, weil sie bisher keine bezahlbare größere Wohnung gefunden hat. Doch diese Sorge steht nun im Hintergrun­d. Für die Familie zählt nur noch eines: der Überlebens­kampf ihres Jüngsten. Wer die Bilder sieht, die ihn strahlend auf einer Schaukel zeigen oder fröhlich im Autositz, kann es nicht glauben, dass hinter so viel Freude auch so viel Schmerz steckt.

OInformati­on Das Typisierun­gsset kann man sich über https://dkms.de/ fabrice-kaempft oder www.dkms.de/de/ better-together/lana zusenden lassen.

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Foto: privat Ein herzliches Dankeschön sagt Lana an alle Menschen, die sich für sie schon registrier­en ließen.
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Foto: privat Was für ein Wonnepropp­en: Doch der kleine Fabricé hat Leukämie und kämpft um sein Leben.

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