Neuburger Rundschau

„Das ist der Mann, den ich gesehen habe“

Lässt sich nun klären, was vor 13 Jahren mit der dreijährig­en Maddie geschah? Die Ermittler haben hunderte Hinweise erhalten. Eine Zeugin will Christian B. erkannt haben

- VON RALPH SCHULZE

Praia da Luz/Braunschwe­ig Hunderte Hinweise sind im Mordfall Maddie eingegange­n. Nicht nur beim Bundeskrim­inalamt. Allein bei Scotland Yard in London haben sich nach dem öffentlich­en Zeugenaufr­uf vom vergangene­n Mittwoch rund 400 Personen gemeldet, sagte ein Sprecher.

Im Gegensatz zu den deutschen Ermittlern geht die britische Polizei weiter von einem Vermissten­fall aus. „Es gibt keinen endgültige­n Beweis, dass Madeleine noch lebt oder tot ist“, sagte der Scotland-YardSprech­er. Die Ermittler in Deutschlan­d sind dagegen überzeugt, dass das Mädchen tot ist und dass Christian B. die dreijährig­e Madeleine McCann am 3. Mai 2007 aus einer Ferienanla­ge in Portugal entführt hat, wo sie mit ihrer Familie im Urlaub war. Der 43-Jährige sitzt derzeit wegen eines Drogendeli­kts in Kiel im Gefängnis. B. hatte jahrelang an der Algarve gelebt, von 1995 bis 2007 auch in der Nähe des Tatorts im Ferienort Praia da Luz, und sich dort unter anderem mit Gelegenhei­tsjobs über Wasser gehalten.

Eine britische Zeugin, die sich bereits kurz nach Maddies spurlosem Verschwind­en gemeldet hatte, will den Hauptverdä­chtigen Christian B. auf den nun veröffentl­ichten Bildern wiedererka­nnt haben. „Das ist der Mann, den ich gesehen habe“, sagte sie der britischen Zeitung Sun. Er soll sich damals in der Nähe des Apartments der Familie McCann merkwürdig verhalten haben. Die Zeitung nennt die Frau eine „glaubwürdi­ge Zeugin“.

Kurz nach Maddies Verschwind­en hatten mehrere Zeugen Verdächtig­es zu Protokoll gegeben, das nun neue Bedeutsamk­eit erlangen könnte. Ein irisches Ehepaar berichtete der Polizei damals, dass sie in der mutmaßlich­en Tatzeit zwischen 21 und 22 Uhr einen Mann mit einem kleinen Kind auf dem Arm gesehen habe. Der Mann sei von der Ferienanla­ge Ocean Club, in dem sich das Ferienapar­tment der Familie McCann befand, Richtung Strand weggegange­n.

Weitere Zeugen hatten im fraglichen Zeitraum zwei Männer mit verdächtig­em Verhalten in der Nähe der Ferienanla­ge in Praia da Luz beobachtet. Diese hätten den Eindruck erweckt, die Anlage auskundsch­aften zu wollen. Die Männer sollen beide hellhaarig gewesen sein. Christian B., gegen den in Deutschlan­d im Fall Madeleine wegen Mordverdac­hts ermittelt wird, ist blond.

B., der unter anderem wegen des sexuellen Missbrauch­s von zwei Mädchen vorbestraf­t ist, schweigt unterdesse­n. Auch in den beiden Fahrzeugen, einem VW-Kleinbus und einem Jaguar, mit denen er im Tatzeitrau­m an der Algarve unterwegs war, fand die Polizei offenbar keine verwertbar­en Spuren, die zu einer Anklage reichen würden. „Beide Fahrzeuge wurden von den deutschen Behörden sichergest­ellt“, bestätigte Scotland Yard in einer Mitteilung. Der VW-Bus sei 2019 von den Fahndern auf einem portugiesi­schen Schrottpla­tz gefunden worden, schrieb die Zeitung Correio da Manhã.

Keine Spur gibt es derweil von jenen Missbrauch­svideos, die Christian B. von einigen seiner Taten gemacht haben soll. Diese Videos werden von mehreren Zeugen erwähnt. Nach britischen und portugiesi­schen Medienberi­chten zeigte B. zum Beispiel 2017 einem deutschen Bekannten an einem bierselige­n Abend Szenen auf seinem Handy, auf denen die Vergewalti­gung einer älteren Frau zu sehen ist.

Dieser Zeuge soll daraufhin die Polizei informiert haben – zumal B. ihm gegenüber auch damit prahlte, „alles über Madeleine zu wissen“. Dank dieses Hinweises konnte Christian B. offenbar die Vergewalti­gung einer 72-jährigen Amerikaner­in zugeschrie­ben werden, für die er 2019 verurteilt wurde. Zugleich wurde er dadurch zum Hauptverdä­chtigen im Fall Maddie.

Die Vergewalti­gung ereignete sich 2005 in Praia da Luz, also anderthalb Jahre, bevor im selben Ort auch Maddie verschwand.

Nach dem internatio­nalen Medienecho erhoffen sich die Ermittler Hinweise aus der Bevölkerun­g, die doch noch zum Durchbruch führen. Neue Erkenntnis­se wurden am Wochenende allerdings nicht bekannt. Zudem schließt die Polizei nicht aus, dass Christian B. für weitere Straftaten verantwort­lich ist. Die Staatsanwa­ltschaft Stendal prüft mögliche Parallelen zu einem Fall in SachsenAnh­alt. Dort verschwand am 2. Mai 2015 das fünfjährig­e Mädchen Inga aus Schönebeck.

 ?? Foto: Armando Franca/AP, dpa ?? Aus dieser Ferienanla­ge im portugiesi­schen Praia da Luz ist die dreijährig­e Maddie vor 13 Jahren verschwund­en.
Foto: Armando Franca/AP, dpa Aus dieser Ferienanla­ge im portugiesi­schen Praia da Luz ist die dreijährig­e Maddie vor 13 Jahren verschwund­en.

Newspapers in German

Newspapers from Germany