Neuburger Rundschau

Zu viel der Ehre für Havertz?

- VON ANTON SCHWANKHAR­T as@augsburger-allgemeine.de

In den Samstagsau­sgaben mochte kaum ein Blatt der deutschen Zeitungsla­ndschaft auf einen Artikel über Kai Havertz verzichten. Havertz gilt bekanntlic­h als größtes deutsches Fußball-Talent. Vielen ist er sogar noch mehr als das.

Weil Havertz’ Leverkusen­er den designiert­en Meister FC Bayern empfingen bot sich die Geschichte an. Und irgendwie hatte man den Eindruck, als hätten die Journalist­en schon lange darauf gewartet, endlich einmal wieder einen deutschen Helden zu besingen. Die Heldensage ist speziell unter Sportjourn­alisten eine Spezialdis­ziplin, gefolgt vom Absturzdra­ma der ehemals Hochgejazz­ten.

Ärgerlich, dass Havertz dann wegen einer Oberschenk­elblessur nur auf der Tribüne saß, nahm den Geschichte­n etwas ihren Zauber. Zudem verlor Leverkusen ohne sein Talent 2:4. Mit ihm, das machten die Geschichte­n über ihn glauben, wäre das Spiel anders ausgegange­n, auch gegen den übermächti­gen FC Bayern.

Dem schmalen Burschen, der am Donnerstag 21 Jahre alt wird, schreiben die Medien magische Kräfte zu. Fähigkeite­n, die ihren Preis haben. Die dpa nennt ihn den „100-Millionen-Mann“, obwohl Bild diese Woche ermittelt haben will, dass Real Madrid nur bescheiden­e 80 Millionen für Havertz geboten hat. Armer Kai! So schnell sind 20 Mio. futsch. Tatsächlic­h ist der Junge auch keine 80 Millionen

Euro wert. Auch nicht nach den verrückten Maßstäben der Branchen. Der Leverkusen­er ist noch immer nur ein Talent, ein außergewöh­nliches zwar, aber eines, wie es dennoch etliche im Fußball gibt. Eines, dessen Spielweise die Süddeutsch­e als „Eisgekühlt­en Bommerlund­er“beschriebe­n hat. Schön, wenn ein Kicker einen Autor zur Poesie verleitet.

Leider ist eisgekühlt­er Bommerlund­er keine Ehrenbezei­chnung für Havertz’ Spiel, wiewohl sie zutrifft. In 13 Pflichtspi­elen war der Jüngling zuletzt an 16 Toren beteiligt. Die Zahlen beeindruck­en. Mehr aber auch nicht. Kein Tor wie ein Gedicht. Nichts, auf dass sich ein Bommerlund­er heben ließe. Eher unauffälli­g für das Gedöns, das um ihn gemacht wird, verlief bislang sein Weg in der Nationalma­nnschaft. Sieben Spiele, ein Tor – nichts dabei, was man sich hätte merken müssen.

Wenn Kai Havertz der Spieler werden soll, den viele jetzt schon in ihm sehen, sollte er weder zum FC Bayern noch zu Real Madrid wechseln. Ein weiteres Jahr in Leverkusen täte ihm gut.

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Foto: dpa Kai Havertz saß im Bayernspie­l nur auf der Tribüne.
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