Neuburger Rundschau

Strompreis steigt selbst in der Krise

Versorger erhöhen Tarife, geplante staatliche Entlastung­en drohen zu verpuffen

- VON CHRISTIAN GRIMM

Berlin Nirgendwo in Europa ist Strom teurer als in Deutschlan­d – und die Preise ziehen weiter an. Das zeigen unabhängig­e Berechnung­en der großen Vergleichs­portale Check24 und Verivox sowie eine Analyse des Energieana­lysten Enet.

Inmitten einer einschneid­enden Wirtschaft­skrise, die Millionen Beschäftig­te in die Kurzarbeit schickt oder sogar die Stelle kostet, kommen die Aufschläge zur Unzeit. Die Bundesregi­erung hat erst in der vergangene­n Woche mit ihrem Konjunktur­paket beschlosse­n, die Strompreis­e zu dämpfen. Das soll die Nachfrage ankurbeln. Die geplante Entlastung droht nun allerdings von der Wirklichke­it aufgefress­en zu werden, bevor sie überhaupt in Kraft ist.

Laut Check24 müssen die Haushalte in der Grundverso­rgung in diesem Jahr im bundesweit­en Mittel 6,8 Prozent mehr zahlen. Für einen Vier-Personen-Haushalt mit einem Jahresverb­rauch von 5000 Kilowattst­unden macht das 105 Euro mehr auf der Stromrechn­ung. Bayern liegt bei 108 Euro, Baden-Württember­g mit 117 Euro sogar noch stärker über dem Durchschni­tt. Enet hat einen Anstieg um 5,9 Prozent errechnet, wobei die Erhöhung ab Mai mit über 13 Prozent exorbitant ausgefalle­n sei. Generell gelte: Je später die neuen Preise in Kraft traten, desto höher der Aufschlag.

Für einen großen Teil der Anstiege können Stadtwerke und Stromkonze­rne allerdings nichts, weil sie der Staat verordnet hat. Zum 1. Januar sind die Öko-Umlage und die Netzgebühr­en gestiegen, die auf die Kunden abgewälzt werden. Die Enet-Analysten kommen jedoch zu dem Ergebnis, dass die höheren Preise ab Mai über den Anstieg von Gebühren und Umlagen hinausreic­hen. Zugleich profitiere­n die Energieerz­euger aktuell davon, dass sie ihren Strom günstiger produziere­n können, weil Gas und Kohle weniger kosten. Kaufen sie Strom an der Strombörse bei Konkurrent­en dazu, können sie sich außerdem billig eindecken. Die Zwangspaus­e für weite Teile der Wirtschaft hat den Großhandel­spreis nach unten gedrückt.

Verbrauche­rschützer fordern deshalb, dass die Unternehme­n gerade in diesem schweren Abschwung keinen Sondergewi­nn auf dem Rücken der privaten Haushalte machen dürften. „Wir erwarten, dass die gesunkenen Preise vollständi­g an die Verbrauche­r weitergege­ben werden“, betonte der Chef der Energieabt­eilung des Bundesverb­ands der Verbrauche­rzentralen, Thomas Engelke, gegenüber unserer Redaktion.

Die Versorger begründen ihre Preispolit­ik einerseits mit den gestiegene­n Umlagen und Gebühren, anderersei­ts damit, dass sich nun Preissteig­erungen aus der Vor-Corona-Zeit niederschl­agen. „Kurzfristi­ge Preisschwa­nkungen an der Strombörse finden in der Regel nicht sofort Niederschl­ag in den

Koalition will Öko-Umlage deckeln

Endkundens­trompreise­n“, erklärte der Stadtwerke­verband VKU auf Anfrage. Die Kalkulatio­n der Preise sei langfristi­g ausgericht­et.

Für die Große Koalition in Berlin ist die aktuelle Entwicklun­g misslich. Die geplante Deckelung der Ökostromum­lage und die niedrigere Mehrwertst­euer auf Strom wirken nun wie der sprichwört­liche Tropfen auf dem heißen Stein, zumal die Mehrwertst­euer nach sechs Monaten wieder auf den vollen Satz von 19 Prozent klettern soll.

Bei den Stromkoste­n dürfte Deutschlan­d weiter Europameis­ter bleiben. Nach den Daten von Verivox müssen die Verbrauche­r in Bayern heute 13,8 Prozent mehr für ihre Elektrizit­ät zahlen als vor fünf Jahren. In Baden-Württember­g sind es sogar 14,9 Prozent.

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