Revolte in der „Times“
Chef der Meinungsseite wirft aus Protest hin
New York Wie angespannt und emotional aufgeladen die politische Lage in den USA inmitten der CoronaKrise und vor allem nach dem tödlichen Polizeieinsatz gegen den Afroamerikaner Georges Floyd auch in der Medienbranche ist, zeigt eine spektakuläre Personalie in der renommierten New York Times: Der einflussreiche Chef der Meinungsseite des Blattes, James Bennet, hat nach einem sehr umstrittenen Gastkommentar mit sofortiger Wirkung gekündigt.
Die Forderung eines republikanischen Senators nach dem Einsatz des Militärs bei den Protesten in den USA hatte innerhalb der Zeitung zu einer Revolte geführt und das Blatt in Erklärungsnot gebracht. Der Verleger der New York Times, A. G. Sulzberger, erklärte am Sonntag, die Zeitung sei Bennet für seine Leistung seit Mai 2016 „dankbar“. Zu den Ursachen der Kündigung äußerte sich Sulzberger allerdings nicht. Nun werde die Journalistin Katie Kingsbury die Meinungsseite kommissarisch führen, so die schmallippige Ankündigung.
Die New York Times hatte am Donnerstag immerhin bereits eingeräumt, der Gastbeitrag von Senator Tom Cotton mit der Überschrift „Schickt die Truppen rein“(„Send In The Troops“) entspreche nicht den Standards der Zeitung. Ein „überstürzter redaktioneller Prozess“habe zur Veröffentlichung des Meinungsbeitrags geführt. Die New York Times ist für ihre oft grundsätzliche und harte Kritik an Donald Trump bekannt. Der Präsident wiederum macht aus seiner Verachtung für das weltweit bekannte Blatt keinen Hehl.
Die Zeitung berichtete zu den Hintergründen des Falles, dass Bennet den Beitrag nicht vor der Veröffentlichung gelesen hatte. Cotton hatte unter anderem geschrieben: „Vor allem eines wird die Ordnung auf unseren Straßen wieder herstellen: eine überwältigende Machtdemonstration, um Gesetzesbrecher zu vertreiben, festzunehmen und schließlich abzuschrecken.“
Seit fast zwei Wochen kommt es in vielen US-Städten zu friedlichen, aber auch gewaltsamen Protesten gegen Polizeigewalt und Rassismus. Auslöser war der Tod des Afroamerikaners George Floyd bei einem brutalen Polizeieinsatz in Minneapolis im Bundesstaat Minnesota am 25. Mai. Die Proteste arteten anfangs zum Teil in Ausschreitungen und Plünderungen aus.