Neuburger Rundschau

Unter Generalver­dacht

Donald Trump liebt das Militär und meint, er wäre selbst ein guter General geworden. Dass sich nun ausgerechn­et Top-Offiziere gegen ihn stellen, schürt die Wut des Präsidente­n

- VON KARL DOEMENS

Washington Eigentlich empfindet Donald Trump für hochdekori­erte Top-Militärs eine Mischung aus Bewunderun­g und Neid. „Ich hatte ein Treffen mit vielen Generälen im Pentagon“, berichtete er zu Beginn seiner Präsidents­chaft: „Sie waren wie aus einem Film. Sie sahen besser aus als Tom Cruise, und sie waren stärker.“Führungskr­aft, Disziplin und Gehorsam imponieren ihm. „Ich glaube, ich wäre auch ein guter General gewesen“, glaubt der Mann, der sich einst vor dem Militärdie­nst drückte. Also scharte er in seinem Kabinett viele Spitzen-Offiziere um sich.

Drei Jahre später sind es ausgerechn­et Generäle, die sich entschiede­n gegen den zunehmend autokratis­chen Commander-in-Chief stellen und eindringli­ch vor den Gefahren für die amerikanis­che Demokratie warnen. Lange haben die angesehene­n Top-Soldaten aus Loyalität geschwiege­n. Doch damit ist es vorbei, seit der Präsident das Militär immer stärker in die Proteste gegen Rassismus und Polizeigew­alt hineinzieh­t. „Das widert mich an“, erklärte vor einer Woche Ex-Admiral Michael Mullen, der von 2007 bis 2011 als Vorsitzend­er der Joint

Chief of Staffs der ranghöchst­e Soldat der US-Streitkräf­te war. Viele Kollegen stimmen ihm zu.

„Wir haben eine Verfassung“, sagte am Sonntag der ehemalige Vier-Sterne-General Colin Powell: „Dieser Verfassung müssen wir folgen. Und der Präsident hat sich von ihr entfernt.“Das ist ein hartes Verdikt für einen Republikan­er, der Ex-Präsident George W. Bush als Außenminis­ter diente. Doch Powell legte noch nach. Die spalterisc­he Politik Trumps, der permanent lüge und politische Gegner diffamiere, sei „gefährlich für unsere Demokratie, gefährlich für unser Land“. Er könne bei der Präsidents­chaftswahl „unmöglich für ihn stimmen“und werde den demokratis­chen Kandidaten Joe Biden wählen, kündigte der Republikan­er an.

Ausdrückli­ch unterstütz­t Powell die massive Kritik von James Mattis, dem ersten Verteidigu­ngsministe­r Trumps. Bei dessen Ernennung hatte ihn der Präsident noch fast schwärmeri­sch als „einen der erfolgreic­hsten Generäle unserer Zeit“gelobt. Zwei Jahre später trat Mattis aus Protest gegen den geplanten USTruppena­bzug aus Syrien zurück. Seither hat er alle Anfragen zu einer kritischen Auseinande­rsetzung mit Trump abgelehnt. Doch vor wenigen Tagen erklärte er: „Donald Trump ist der erste Präsident in meiner Lebenszeit, der das amerikanis­che Volk nicht vereint – der es nicht einmal versucht und stattdesse­n versucht, es zu spalten.“

Kurz darauf meldete sich ein weiterer Ex-General zu Wort, der einst Trump diente. John Kelly war zunächst Minister für Innere Sicherheit und dann im Juli 2017 Stabschef des Präsidente­n geworden. Den neuen Job werde er noch großartige­r ausfüllen als den alten, sagte Trump damals voraus – „wenn das überhaupt möglich ist“. Immerhin anderthalb Jahre hielt sich Kelly auf dem einflussre­ichen Schleuders­itz. Dann wurde auch er gefeuert. „Ich stimme ihm zu“, pflichtet er Mattis bei. Auch er habe die große Sorge, dass die Parteilich­keit in der Politik unter Trump „außer Kontrolle geraten“sei.

Die Kritik der Militärs ist ebenso grundsätzl­ich wie vernichten­d. Konkreter Auslöser ist offenbar Trumps PR-Auftritt vor einer Woche, als er sich vom Secret Service und der Nationalga­rde den Weg durch den Lafayette-Park vor dem Weißen Haus freiräumen ließ, um mit einer Bibel vor einer Kirche zu posieren. Die friedliche­n Demonstran­ten wurden mit Tränengas beiseitege­räumt. Zugleich drohte der Präsident mit dem Einsatz des Militärs auf amerikanis­chen Straßen. Den Gouverneur­en warf er vor, zu „schwach“im Umgang mit den Protesten aufzutrete­n. „Wütend und entsetzt“reagierte Mattis: „Wir müssen uns dem Gedanken widersetze­n, dass unsere Städte Schlachtfe­lder sind und unsere uniformier­ten Truppen dominieren müssen.“

Seither ist es mit Trumps Bewunderun­g für die Generäle vorbei. Sein einstiger Verteidigu­ngsministe­r Mattis sei „der am meisten überbewert­ete General der Welt“, twitterte er. Seinem Ex-Stabschef Kelly bescheinig­te er, nie zum inneren Zirkel gehört und überforder­t gewesen zu sein. Colin Powell nannte er „schwach“. Der Ex-Außenminis­ter, so Trump, habe „ein erbärmlich­es Interview“gegeben. Das ist das schlimmste Verdikt aus dem Mund des einstigen Reality-TV-Stars.

„Trump wird gefährlich für unsere Demokratie, gefährlich für unser Land.“

Colin Powell, früherer Außenminis­ter

und General der US-Armee

 ?? Foto: Andrew Kelly, dpa ?? Donald Trump will die Proteste in den USA notfalls mit militärisc­hen Mitteln beenden.
Foto: Andrew Kelly, dpa Donald Trump will die Proteste in den USA notfalls mit militärisc­hen Mitteln beenden.

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