Neuburger Rundschau

Kaufen Chinesen deutsche Firmen auf?

In der Krise steigt die Gefahr, dass ausländisc­he Investoren schwächeln­de Firmen günstig übernehmen. Das ist ein Risiko – nicht nur für die Arbeitsplä­tze. Warum sich der Staat schwertut, die Schnäppche­njäger zu stoppen

- VON CHRISTOF PAULUS

Augsburg Das Blatt hat sich gewendet. Noch im Februar prognostiz­ierte Yi Sun, dass das Coronaviru­s China einbremsen könnte. Die Beraterges­ellschaft Ernst & Young, bei der sie für Geschäfte in Fernost verantwort­lich ist, hatte in einer Studie untersucht, wie chinesisch­e Unternehme­n Firmen in Deutschlan­d und Europa aufkaufen. Es könne „zu einem Rückgang im ersten Vierteljah­r kommen“, wird Yi Sun dort zitiert. Der Grund: Im Februar war China noch damit beschäftig­t, Corona zu bekämpfen. Inzwischen ist das Problem ein weltweites. Während China die Epidemie hinter sich haben könnte, müssen andere Länder sie und ihre Folgen noch bekämpfen – zum Beispiel Deutschlan­d. Ihre Unternehme­n sind gerade schwach und ein leichtes Ziel für Investoren. Die Bundesregi­erung rüstet sich deshalb jetzt gegen Offerten aus dem Ausland. In Gefahr sind Arbeitsplä­tze, Technologi­e – und die Sicherheit. Doch sie zu schützen ist ein Drahtseila­kt.

Um zu erkennen, wo das Problem liegt, muss man nicht in die Ferne schauen: 2016 kaufte das chinesisch­e Elektroger­äte-Unternehme­n Midea den Augsburger Roboterher­steller Kuka. Zuvor hatte sich sogar Bundeskanz­lerin Angela Merkel dafür eingesetzt, dass das Unternehme­n in deutschen Händen oder zumindest unter Kontrolle eines westlichen Landes bleibt – ohne Erfolg. Immerhin gelang es, die Technologi­en und Arbeitsplä­tze zumindest vorerst zu schützen.

Bis 2023 gilt eine Investoren­vereinbaru­ng, die den Zugriff Mideas auf das Wissen des Unternehme­ns begrenzt und Stellen sichert. Doch wie es in den Jahren danach weitergeht, ist offen. Und Kuka ist nur ein Fall von vielen: Wie aus der Studie von Ernst & Young hervorgeht, kauften 2019 chinesisch­e Firmen Anteile an 39 deutschen Unternehme­n für vier Milliarden Euro, gaben in ganz Europa über 15 Milliarden dafür aus. 2018 waren es gar 27,7 Milliarden Euro. Infolge der Corona-Krise könnten chinesisch­e Investoren hierzuland­e auf die Jagd nach Schnäppche­n gehen. Dabei ist China bei weitem nicht das einzige Land, das investiert: In Bayern ist fast jedes zweite Großuntern­ehmen in ausländisc­her Hand, berichtet der Bayerische Rundfunk. So halten zum Beispiel US-amerikanis­che Unternehme­n 22 Prozent der Siemens-Aktien oder 16,5 Prozent der Allianz.

Aber: Deutsche Unternehme­n geben für chinesisch­e Firmen ein Vielfaches von dem aus, wie es umgekehrt der Fall ist. Deshalb will Deutschlan­d den chinesisch­en Einfluss zwar überschaub­ar halten – aber ohne sich mit der Weltmacht anzulegen. Denn aus Sicht der Unternehme­n würde es schaden, China vor den Kopf zu stoßen, sagt Klaus Ernst. Der bayerische Linken-Politiker ist Vorsitzend­er des WirtKürzli­ch schaftsaus­schusses im Bundestag. „Die Unternehme­n wollen gar keine nationalen Regeln“, sagt er. Geschäfte in Europa und der Welt sind für sie äußerst lukrativ.

Manche von ihnen sind auf der Suche nach einer Finanzspri­tze, wenn sie Anteile verkaufen, andere lassen sich kaufen, um überleben zu können. Dem allgemeine­n Interesse kann das schaden. „Auch gegen Hedgefonds und Kapitalges­ellschafte­n müssen wir uns schützen“, warnt Ernst deshalb. Manche von ihnen verfolgen ein unsoziales Geschäftsm­odell: Sie kaufen ein Unternehme­n in Schieflage billig ein, polieren die Bilanz etwa mithilfe von Entlassung­en auf und stoßen es mit Gewinn wieder ab. Doch wird eine Firma nach China verkauft, stehen nicht nur Arbeitsplä­tze auf dem Spiel.

„China hat den Anspruch, weltweit eine Führungsma­cht zu sein“, sagt Ernst. Immer wieder ist davon die Rede, dass bei chinesisch­en Übernahmen Staatsgeld involviert sei.

ergab eine Studie des Wirtschaft­sinstitute­s Ifo, dass chinesisch­e Unternehme­n vor allem schwächeln­de Firmen zu niedrigen Preisen kaufen – von diesen dürfte es in den nächsten Monaten viele geben. Deshalb befürworte­t Ernst zum einen staatliche Beteiligun­gen, wenn man damit Verkäufe verhindern kann. Zum anderen fordert er dazu eine Verschärfu­ng der Außenwirts­chaftsvero­rdnung, um sicherheit­s- und systemrele­vante Branchen nicht zu gefährden. „Es ist im Interesse der Bundesrepu­blik, kritische Technologi­e und Arbeitsplä­tze im Land zu behalten.“Auch eine Lösung auf europäisch­er Ebene kann er sich vorstellen.

Aktuell kann das Bundeswirt­schaftsmin­isterium bereits Verkäufe von Unternehme­n untersagen oder unter Auflagen stellen, wenn diese wichtige Infrastruk­turen betreiben. Dazu zählen inzwischen verstärkt

„Es ist im Interesse der Bundesrepu­blik, kritische Technologi­e und Arbeitsplä­tze im Land zu behalten.“

Klaus Ernst, Die Linke

Pharmaunte­rnehmen. Zudem liegt dem Bundestag gerade ein Gesetzesvo­rschlag der Regierung vor, mit dem Übernahmen geprüft werden sollen, welche die öffentlich­e Ordnung und Sicherheit betreffen – darunter könnten etwa die Wasservers­orgung oder der Mobilfunk fallen. Ein deutscher Unternehme­r müsse das Recht haben, seine Firma meistbiete­nd zu veräußern, sagte Minister Peter Altmaier im April im Gespräch mit unserer Zeitung. Ausländisc­he Investoren seien herzlich willkommen. Doch: „Wir dürfen nicht zulassen, dass Deutschlan­d zurückfäll­t, weil entspreche­nde Unternehme­n aufgekauft werden“, schränkte Altmaier mit Blick auf die Corona-Krise ein.

Der bayerische Landesbeau­ftragte des Mittelstan­dsverbands, Achim von Michel, befürworte­t, das Problem auf europäisch­er Ebene anzugehen. Sein Bundesverb­and hatte kürzlich gar ein vorübergeh­endes Verbot von Übernahmen von Unternehme­n aus der EU durch chinesisch­e Firmen gefordert. „Ein Gremium könnte wie das Kartellamt prüfen, ob systemkrit­isches Knowhow abwandert“, sagt von Michel. Das Geld müsse weiter seinen Weg finden. Doch dabei dürfe kein Wissen aus Deutschlan­d abwandern.

 ?? Foto: Adobe Stock ?? Viele deutsche Firmen sind in chinesisch­er Hand. Deutsche Firmen investiere­n aber auch stark in Fernost.
Foto: Adobe Stock Viele deutsche Firmen sind in chinesisch­er Hand. Deutsche Firmen investiere­n aber auch stark in Fernost.

Newspapers in German

Newspapers from Germany