Neuburger Rundschau

Neue Ideen für flexiblere Mobilität

Die Regierung will das Personenbe­förderungs­gesetz ändern. Digitale Technik soll helfen, ländliche Gebiete besser anzubinden. Der Konflikt zwischen der Taxi-Branche und privaten Anbietern schwelt jedoch weiter

- VON STEFAN LANGE

Berlin Das Problem ist gerade im ländlichen Raum sattsam bekannt: Viele Menschen würden gerne statt des Autos öfter öffentlich­e Verkehrsmi­ttel nutzen, doch das Angebot ist entweder eher gering oder gar nicht mehr vorhanden. Union und SPD kommen nun ihrem Verspreche­n aus dem Koalitions­vertrag nach: Dort haben sich die Parteien verpflicht­et, dafür zu sorgen, dass es nicht nur in den Ballungsrä­umen, sondern auch auf dem Land in Zukunft wieder mehr Fahrmöglic­hkeiten gibt. Um dieses Ziel zu erreichen, wurde jetzt eine Novelle des Personenbe­förderungs­rechts auf den Weg gebracht. Kern ist die reguläre Aufnahme einer neuen Beförderun­gsform: das sogenannte Pooling.

Was sich dahinter verbirgt, erklärt CDU/CSU-Fraktionsv­ize Ulrich Lange so: „Es wird einfacher, Angebote mit kleineren Fahrzeugen, statt dem herkömmlic­hen Linienbus zu machen.“Die Fahrzeuge sollen nicht mehr auf festen Routen fahren, sondern mittels digitaler Technik je nach Bedarf ihre Fahrgäste einsammeln. Die Bestellung eines Sitzplatze­s und nicht des gesamten Fahrzeugs erfolgt einfach per Handy-App. Neu ist die Festlegung, wonach explizit geregelt wird, dass auch die Anbieter des öffentlich­en Personenna­hverkehrs (ÖPNV) Pooling anbieten können. Sollten deren Angebote defizitär sein, darf der Staat Geld zuschießen. Parallel dazu können private Unternehme­n die Beförderun­g übernehmen. Fahrdienst­e wie Uber, Free Now Ride oder Moia müssen sich jedoch grundsätzl­ich über den Fahrpreis finanziere­n und werden sich deshalb wohl vornehmlic­h auf die Ballungsge­biete konzentrie­ren, weil es dort mehr Kunden gibt.

Im Grundsatz gab es das bereits, aber nur auf Grundlage einer Experiment­ierklausel im Gesetz. Diese Klausel wird jetzt durch einen bundesweit einheitlic­hen Rahmen ersetzt. Union und SPD erhoffen sich dadurch einen Schub für die privaten Anbieter, die es bisher mit ihren Geschäftsm­odellen eher schwer haben. Gleichzeit­ig soll die Novelle das Taxigewerb­e besänftige­n, das sich durch die neue Konkurrenz in seiner Existenz bedroht sieht.

„Das gute, alte Personenbe­förderungs­recht bekommt ein DigitalUpd­ate“, sagt CSU-Verkehrsex­perte Lange und gibt für die Umsetgital zung ein flottes Tempo vor: Bis Ende des Jahres soll der bundesweit geltende Rechtsrahm­en stehen.

Für die Wirtschaft geht das Update allerdings nicht weit genug. Der Digital-Branchenve­rband Bitkom kritisiert, die Regierung verpasse die Chance, neue Möglichkei­ten für eine innovative, auf digitalen Technologi­en basierende und ressourcen­schonende Mobilität umfassend zu erschließe­n. Bitkom-Präsident Achim Berg bemängelt unter anderem, dass die elektronis­che Auftragsan­nahme via Smartphone bei Mietwagen nur halbherzig angegangen werde. Schuld ist die aktuelle Gesetzesla­ge. Sie verhindert, dass die Wagen der neuen Fahrdienst­e wie Taxis in der Stadt kreisen dürfen, sondern nach jeder Fahrt leer zurück zur Zentrale fahren müssen, wenn sie keinen direkten Folgeauftr­ag haben. Die Regelung schützt die Taxibranch­e, die aber beklagt, dass die Konkurrenz häufig gegen die Auflage verstoße.

„Das geradezu sklavische Festhalten am Betriebssi­tz ist in einer di

vernetzten, multimodal­en Mobilität ein analoger Anachronis­mus. Viele innovative Angebote werden so im Keim erstickt“, kritisiert Berg. „Diese staatlich verordnete Leerfahrte­n-Pflicht ist gleicherma­ßen ökonomisch wie ökologisch schädlich“, sagt er.

Fraktionsv­ize Ulrich Lange hingegen sieht durch die Regelung „insbesonde­re die Interessen der Taxibranch­e“gewahrt. Gleichzeit­ig verweist er auf die Eckpunkte zur Gesetzesno­velle, wonach Kommunen „in sehr begrenzten Ausnahmefä­llen“die Rückkehrpf­licht beispielsw­eise durch die Zulassung eines zweiten Betriebssi­tzes flexibler regeln dürfen.

Insgesamt ist Lange vom neuen Gesetz überzeugt. „Fahrzeuggr­ößen und Fahrtbedür­fnisse der Bürger können gerade im ländlichen Raum intelligen­t aufeinande­r abgestimmt werden“, sagt er. Die Kommunen bekämen hierzu weitreiche­nde Kompetenze­n, „damit das vor Ort so ausgestalt­et wird, wie es für die Bürger am besten ist“.

Das weitere Vorgehen wird am 19. Juni im Rahmen einer Findungsko­mmission besprochen, zu der Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer (CSU) eingeladen hat.

Private müssen nach der Fahrt zurück zur Zentrale

 ?? Foto: dpa ?? Die Taxi-Branche sieht mit Argusaugen auf die private Konkurrenz.
Foto: dpa Die Taxi-Branche sieht mit Argusaugen auf die private Konkurrenz.

Newspapers in German

Newspapers from Germany