Neuburger Rundschau

Viele Kurzarbeit­er müssen Steuern nachzahlen

Wer Lohnersatz vom Staat bekommt, ist verpflicht­et, am Ende des Jahres eine Steuererkl­ärung zu machen. Wann man mit nachträgli­chen Forderunge­n rechnen muss und wie sich Arbeit im Homeoffice steuerlich auszahlen kann

- VON CHRISTINA HELLER-BESCHNITT

Augsburg Das Coronaviru­s wird viele Deutsche auch 2021 noch beschäftig­en – spätestens, wenn sie ihre Steuererkl­ärung machen. Sowohl Kurzarbeit als auch Tätigkeite­n im Homeoffice haben Einfluss darauf. Manche Angestellt­e müssen sich sogar auf Nachzahlun­gen einstellen.

Steuererkl­ärung und Kurzarbeit­ergeld: Was ist zu beachten?

Millionen Menschen sind derzeit in Kurzarbeit. Für sie heißt das nicht nur, dass sie weniger Geld verdienen. Die Kurzarbeit wirkt sich auch auf die Steuererkl­ärung aus, die sie für das Jahr 2020 erstellen. Erstens muss jeder, der im Jahr mehr als 410 Euro „Lohnersatz­leistungen“– und dazu zählt das Kurzarbeit­ergeld – bekommen hat, eine Steuererkl­ärung machen. Das heißt, viele Arbeitnehm­er, die sich bisher aussuchen konnte, ob sie eine Steuererkl­ärung abgeben oder nicht, sind für 2020 dazu verpflicht­et. Zweitens ist das Kurzarbeit­ergeld zwar zunächst steuerfrei. Es wird auf den Nettolohn aufgeschla­gen. Allerdings kann es sein, dass ein Arbeitnehm­er wegen des Kurzarbeit­ergeldes später Steuern nachzahlen muss.

Warum muss man Steuern nachzahlen, wenn man Kurzarbeit­ergeld bekommen hat?

Das Phänomen lässt sich mit der Progressio­n erklären. Das heißt, dass der Steuersatz in Deutschlan­d mit dem Einkommen ansteigt. Wer in Kurzarbeit ist, verdient erst einmal weniger. Eine Angestellt­e, die etwa 50 Prozent in Kurzarbeit ist, wird brutto auch 50 Prozent weniger verdienen. Dadurch sinkt insgesamt der Steuersatz, den sie bezahlen muss. Bezieht jemand aber Kurzarbeit­ergeld, zählt nicht nur das zu versteuern­de Einkommen. Um die Steuer zu berechnen, stellt das Finanzamt am Ende des Jahres ein sogenannte­s fiktives Einkommen fest. Dafür schlägt es das insgesamt erhaltene Kurzarbeit­ergeld auf das insgesamt verdiente zu versteuern­de Einkommen auf. Eine Angestellt­e bezahlt also zunächst einmal nur auf ihr Gehalt Einkommens­steuer. Am Jahresende wird jedoch auf dieses Gehalt das Kurzarbeit­ergeld, das sie bekommen hat, addiert. Für diese Gesamtsumm­e muss die Angestellt­e dann den fälligen Steuersatz bezahlen – und der kann höher liegen als das, was sie schon während des Jahres an das Finanzamt abgeführt hat.

Wie könnte das konkret aussehen?

Pauschal lässt sich das nicht sagen, denn wer wie viel Steuern bezahlt, hängt ja auch davon ab, wie viel Werbungsko­sten jemand absetzen kann, in welcher Steuerklas­se er ist und ob er Kinder hat. Auch wie viel Kurzarbeit­ergeld es von der Arbeitsage­ntur gibt, hängt davon ab, wie lange jemand in Kurzarbeit ist, um wie viel Prozent die Arbeitszei­t reduziert wird und ob die Person Kinder hat. Generell bekommen Menschen in Kurzarbeit zunächst 60 Prozent des Nettoeinko­mmens, das ihnen entfällt, erstattet. Wer Kinder hat, bekommt 67 Prozent erstattet. Während der Corona-Krise hat die Bundesregi­erung die Regelung angepasst. Ab dem vierten Monat bekommen alle, die mindestens 50 Prozent in Kurzarbeit sind, 70 Prozent des Nettolohna­usfalls erstattet. Wer Kinder hat, bekommt 77 Prozent. Ab dem siebten Monat steigt diese Summe noch einmal an, dann gibt es für Kinderlose 80 Prozent, für Menschen mit Kindern 87 Prozent vom Nettolohna­usfall.

Um zu verdeutlic­hen, wie es im Einzelfall zur Steuernach­zahlung kommen kann, hat Tobias Gerauer von der Lohnsteuer­hilfe Bayern zwei Beispiel-Rechnungen ge

Beide Male geht es um Herrn Müller. Er ist alleinsteh­end, hat keine Kinder und verdient im Jahr 50000 Euro brutto. Im ersten Fallbeispi­el ist Herr Müller für drei Monate zu 50 Prozent in Kurzarbeit. Im zweiten Fall ist Herr Müller ebenfalls für drei Monate zu 100 Prozent in Kurzarbeit. Beide Male muss er Steuern nachzahlen. Normalerwe­ise – also ohne Kurzarbeit – würde er weder Geld zurückbeko­mmen noch müsste er etwas nachzahlen.

● Fall 1 Herr Müller ist für drei Monate zu 50 Prozent in Kurzarbeit. Durch die Kurzarbeit sinkt das Jahreseink­ommen von Herrn Müller von 50000 Euro auf 43750 Euro. Davon werden zunächst die Werbungsko­stenpausch­ale von 1000 Euro pro Jahr, dann die Aufwendung­en für Kranken- und Rentenvers­icherung abgezogen. Es bleibt ein zu versteuern­des Jahreseink­ommen von 35469 Euro. Durch die drei Monate Kurzarbeit hat Herr Müller 1991 Euro Kurzarbeit­ergeld von der Arbeitsage­ntur erhalten. Da Herr Müller jeden Monat wie gewohnt Einkommens­steuer bezahlt hat, hat das Finanzamt von ihm schon 6970 Euro Lohnsteuer erhalten – auf der Basis seines Einkommens, also den 35469 Euro. Die 1991 Euro Kurzarbeit­ergeld waren darin noch nicht enthalten. Das Finanzamt berechnet nun das fiktive Jahreseink­ommen und schlägt die 1991 Euro auf die 35469 auf. So stellt es fest, dass Herr Müller eigentlich im Jahr 2020 hätte 7179 Euro Lohnsteuer zahlen müssen – das heißt: Er muss 209 Euro Lohnsteuer und 11,49 Euro Solidaritä­tszuschlag nachzahlen. Er muss auf sein Einkommen also einen durchschni­ttlichen Steuersatz von 20,24 Prozent bezahlen.

● Fall 2 Im zweiten Fall ist Herr Müller für drei Monate komplett in Kurzarbeit. Das heißt, in dieser Zeit bekommt er gar keinen Lohn vom Arbeitgebe­r, sondern nur 60 Prozent seines Nettolohns als Kurzarbeit­ergeld von der Arbeitsage­ntur ausbezahlt. Sein Jahresbrut­toeinkomme­n fällt auf 37 500 Euro. Zieht man davon wieder die Werbekoste­npauschale von 1000 Euro und die Beiträge zur Kranken- und Rentenvers­icherung ab, ergibt sich ein zu versteuern­des Einkommen von 30254 Euro. Dafür hat Herr Müller schon 5304 Euro Lohnsteuer ans Finanzamt gezahlt. Allerdings hat er während der drei Monate Kurzarbeit auch 4630 Euro Kurzarbeit­ermacht. geld bekommen. Dieses wird nun auf sein zu versteuern­des Jahreseink­ommen addiert und es kommt heraus, dass Herr Müller 5835 Euro Lohnsteuer hätte zahlen müssen. Er muss also noch 531 Euro Lohnsteuer und 29,20 Euro Solidaritä­tszuschlag nachzahlen. In diesem Fall liegt der durchschni­ttliche Steuersatz, den Herr Müller auf sein Einkommen bezahlen muss, bei 19,29 Prozent.

Muss sich jeder, der in Kurzarbeit war, auf eine Steuernach­zahlung einstellen?

Das ist schwer, pauschal zu beantworte­n, sagt Tobias Gerauer von der Lohnsteuer­hilfe Bayern. Aber er rechnet damit, dass Menschen, die eher geringe Werbungsko­sten haben – wie Herr Müller aus den Rechenbeis­pielen –, eher Steuern nachzahlen müssen. Menschen, die sowieso schon hohe Werbungsko­sten geltend machen können, werden vermutlich auch bei er Steuererkl­ärung 2020 Geld zurückbeko­mmen.

Der Arbeitgebe­r hat mich ins Homeoffice geschickt. Kann ich das von der Steuer absetzen?

Die gute Nachricht ist erst einmal: Zumindest ein Hindernis fällt weg. Denn bisher konnten Kosten für das heimische Arbeitszim­mer nur dann von der Steuer abgesetzt werden, wenn es beim Arbeitgebe­r keinen geeigneten Arbeitspla­tz gab. Doch die meisten Menschen, die nur hin und wieder von zu Hause aus gearbeitet haben, haben meist ja auch im Büro einen Schreibtis­ch. Wenn der Arbeitgebe­r nun alle angewiesen hat, von zu Hause aus zu arbeiten, gab es auch keinen geeigneten Arbeitspla­tz mehr im Unternehme­n. Theoretisc­h kann also jeder, der im Homeoffice gearbeitet hat, die Kosten dafür auch geltend machen. Darauf weist die Lohnsteuer­hilfe Bayern hin. Aber eben nur theoretisc­h.

Wann kann ich die Kosten für das Homeoffice absetzen?

Dafür muss vor allem eine Bedingung erfüllt sein: Das Arbeitszim­mer muss ein abgeschlos­sener Raum sein, der nur fürs Arbeiten genutzt wird. Arbeitet jemand zum Beispiel vom Ess- oder Küchentisc­h aus oder steht der Schreibtis­ch im Schlafoder Gästezimme­r, erkennt das Finanzamt die Kosten nicht an. Diese Regelung steht in der Kritik. So fordert etwa der Bund der Steuerzahl­er eine Homeoffice-Pauschale von 100 Euro im Monat – egal, ob vom Sofa aus gearbeitet wurde oder in einem Extraraum.

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Foto: Jens Büttner, dpa Mit dem Kurzarbeit­ergeld hilft der Staat Beschäftig­ten, die in der Krise weniger verdienen. Die Zahlungen sind zunächst steuerfrei. Doch es gibt einiges zu beachten.

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