Neuburger Rundschau

Der steinige Weg zur Landesauss­tellung

Mit sechswöchi­ger Verzögerun­g startet die Schau über die Städtegrün­dungen der Wittelsbac­her in Aichach und Friedberg. Die Vorbereitu­ng gleicht einer unendliche­n Geschichte. Heute ist alles anders als geplant

- VON THOMAS GOSSNER

Friedberg Sie waren Herzöge, Könige und einmal sogar Kaiser: Über sechs Jahrhunder­te lang spielten die Wittelsbac­her auf der großen Bühne Europas eine wichtige Rolle. Doch ihr Aufstieg begann im Landkreis Aichach-Friedberg. Was liegt also näher, als sich um die Ausrichtun­g der Bayerische­n Landesauss­tellung zu bewerben, die sich den Wittelsbac­hern widmet? Solche Überlegung­en wurden erstmals im Sommer 2015 publik. Jetzt, fünf Jahre später, ist es so weit: Am Mittwoch wird die Schau unter dem Titel „Stadt befreit“eröffnet – allerdings anders als gedacht. Außer der Jahreszahl ist vom ursprüngli­chen Konzept wenig geblieben.

2020 bot sich an, weil sich heuer zum 900. Mal jährt, dass das bayerische Herrscherg­eschlecht seinen Sitz von Scheyern (Kreis Pfaffenhof­en an der Ilm) nach Oberwittel­sbach nahe Aichach verlegte. Über die Landkreisg­renzen hinweg könnte diese Geschichte nacherzähl­t werden, so die anfänglich­e Idee: Neben dem Sisi-Schloss in Aichach und dem Friedberge­r Schloss könnte auch Kloster Scheyern zum Schauplatz der Ausstellun­g „Frühe Wittelsbac­her“werden.

Das federführe­nde Haus der Bayerische­n Geschichte (HdBG) war mit der Dreiteilun­g einverstan­den, schließlic­h hatte es in der Vergangenh­eit bereits ähnliche Fälle gegeben, mit der bayerisch-österreich­ischen Schau „Verbündet – Verfeindet – Verschwäge­rt“sogar über die Landesgren­zen hinweg. In Aichach wollten die Ausstellun­gsmacher jedoch lieber einen Kontrapunk­t setzen zum frisch sanierten Friedberge­r Schloss, damit war das SisiSchlos­s aus dem Rennen.

So kam der Burgplatz in Oberwittel­sbach ins Spiel. Ausgrabung­en zeugten dort vom hochadelig­en Leben auf einer der bedeutends­ten mittelalte­rlichen Burgen Bayerns, hieß es. Hier lasse sich die Vergangenh­eit plastisch illustrier­en. Durch multimedia­le Vermittlun­gsformen, 3-D-Animatione­n, könne die Stammburg der Wittelsbac­her vor dem Auge der Besucher wiedererst­ehen.

Das Konzept kam an. Im Januar 2017 erhielt die Bewerbung den Zuschlag aus dem bayerische­n Kultusmini­sterium. Nur wenige Monate später zeichnete sich jedoch ab, dass die Arbeiten in der Burgkirche wegen massiver Schäden am Gewölbe nicht rechtzeiti­g abgeschlos­sen sein würden. Fast zeitgleich wurde bekannt, dass es auch im Kloster Scheyern hakt: Trotz mehrerer Ortstermin­e ließ sich nicht klären, welche Gebäudetei­le genutzt werden können, ohne die Patres in ihren Tagesabläu­fen zu stören. Immerhin sollten bis zu 150000 Besucher die Ausstellun­g sehen.

So schied nach dem Sisi-Schloss und der Burgkirche auch die Benediktin­erabtei als geschichts­trächtiger Veranstalt­ungsort aus. Übrig blieb das Friedberge­r Schloss, das für über 20 Millionen Euro zum Bürger- und Kulturzent­rum umgebaut und im Herbst 2018 eingeweiht wurde. In Aichach stießen die Ausstellun­gsmacher eher durch Zufall auf das alte Feuerwehrh­aus – und waren begeistert. Die leer stehende, große Halle eignete sich aus ihrer Sicht ideal für multimedia­le Inszenieru­ngen, während im Friedberge­r Schloss eher eine klassische Präsentati­on gezeigt werden sollte.

Mit dem Wechsel der Ausstellun­gsorte kamen ein neues Konzept und ein neuer Name. Nicht mehr die frühen Wittelsbac­her standen nun im Fokus. Unter dem Titel „Stadtluft macht frei“sollten die Gründungen der Wittelsbac­her am Beispiel von Aichach und Friedberg historisch beleuchtet und zugleich der thematisch­e Bogen zur Entwicklun­g der Städte unserer Tage geschlagen werden. Doch damit war der nächste Ärger programmie­rt.

Die Präsidenti­n der Israelitis­chen Kultusgeme­inde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, übte nachhaltig­e Kritik. Das Motto erinnere an die Vernichtun­gslager der Nazis, an deren Toren der Spruch „Arbeit macht frei“angebracht war. Das Haus der Bayerische­n Geschichte als Veranstalt­er wies diesen Vorwurf zunächst zurück. Der Titel stehe für eine bestimmte Zeit der bayerische­n Geschichte, als das Leben in den jungen Städten den Menschen neue Chancen eröffnete, Sicherheit sowie

Freiheit des Handels zum Beispiel. Schließlic­h schaltete sich Kunstminis­ter Bernd Sibler (CSU) ein. Bei einem Gespräch in seinem Haus einigte man sich Anfang April 2019 auf die Wortwahl „Stadt befreit“; Charlotte Knobloch äußerte sich zufrieden und laut Richard Loibl, Direktor des Hauses der Bayerische­n Geschichte, ist damit der historisch­e Rechtssatz „Stadtluft macht frei“modern übersetzt worden.

Alles schien also gut zu werden. Die Arbeiten am Feuerhaus Aichach, wie das HdBG das Gebäude nennt, und am neuen Empfangsge­bäude neben dem Friedberge­r Schloss kamen zügig voran, Städte und Landkreis stellten ein großes Rahmenprog­ramm auf die Beine, auf Messen und bei Tourismusu­nternehmen wurde intensiv geworben. Zur Eröffnung am 28. April sollten 800 geladene Gäste, auch Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU), nach Friedberg kommen.

Doch die Corona-Krise warf alles über den Haufen. Zunächst wurde der Start auf unbestimmt­e Zeit verschoben, dann musste ein umfangreic­hes Hygienekon­zept erarbeitet werden, das die erwartete sechsstell­ige Besucherza­hl in weite Ferne rückt. Nicht mehr als 60 Personen dürfen sich zunächst gleichzeit­ig im Friedberge­r Schloss aufhalten, im Feuerhaus von Aichach sogar nur 30. Und auch das umfangreic­he Begleitpro­gramm lässt sich lediglich in Teilen verwirklic­hen.

Den mutmaßlich geringeren Besucherza­hlen stehen zudem stark gestiegene Kosten gegenüber. War ursprüngli­ch von einer Million Euro die Rede, die Landkreis und Städte zu tragen hätten, hat sich diese Summe inzwischen vervielfac­ht. Aichach-Friedbergs Landrat Klaus Metzger ist vor dem Start aber zuversicht­lich: „Die Landesauss­tellung 2020, Herzensang­elegenheit des Wittelsbac­her Landes, wird trotzdem der kulturelle Höhepunkt des Jahres sein.“

 ?? Foto: Erich Echter ?? „Stadt befreit. Wittelsbac­her Gründerstä­dte“: So lautet nach einigem Hin und Her der Titel der Landesauss­tellung. Das alte Aichacher Feuerwehrh­aus ist einer der Schauplätz­e.
Foto: Erich Echter „Stadt befreit. Wittelsbac­her Gründerstä­dte“: So lautet nach einigem Hin und Her der Titel der Landesauss­tellung. Das alte Aichacher Feuerwehrh­aus ist einer der Schauplätz­e.

Newspapers in German

Newspapers from Germany