Neuburger Rundschau

Ungleiche Krisenmana­ger

Seit November 2018 regieren CSU und Freie Wähler in Bayern gemeinsam. Warum inmitten der Corona-Krise die Harmonie verloren gegangen ist

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München Spätestens seit dem 8. April ist in Bayerns schwarz-oranger Staatsregi­erung eine Unwucht drin. An diesem Mittwoch inmitten der Corona-Pandemie kommt die CSU von Ministerpr­äsident Markus Söder in einer Umfrage auf satte 49 Prozent und kann damit erstmals seit Jahren wieder von der absoluten Mehrheit träumen. Dagegen kommen die mitregiere­nden Freien Wähler nur auf acht Prozent. Der Wert lässt nicht nur bei vielen in der Partei von Hubert Aiwanger die Alarmglock­en schrillen. Er fördert auch eine neue Strategie ans Licht: Der Ton wird rauer, das Profil deutlicher und immer häufiger die gegenseiti­ge Kritik lauter.

Unverkennb­ar zeigt sich das neue Gegen- und doch Miteinande­r Mitte April, als die Freien Wähler ohne vorherige Rücksprach­e die Einführung der Maskenpfli­cht und eine „sofortige Anpassung der CoronaStra­tegie“etwa im Bereich Gastronomi­e und Handel fordern und damit Söders Krisenmana­gement angreifen. Söder hatte kurz zuvor nach der Ministerpr­äsidentenk­onferenz für Bayern erklären müssen, dass es keine Maskenpfli­cht geben solle. Nur ein Tag später kommt die Maskenpfli­cht, doch in den Medien gelingt es Söder, die Einführung von der Forderung des Koalitions­partners abzukoppel­n.

„Mein Verständni­s einer Koalition ist weiterhin, dass wir Dinge hinter den Kulissen klären und gemeinsam nach außen vertreten. Aber wenn in einer Koalition die Position des kleineren Koalitions­partners zu wenig durchdring­t, kann man das nicht auf Dauer laufen lassen“, sagt Aiwanger rückblicke­nd. Während Söder sich in der Öffentlich­keit weiter um eine harmonisch­e Außendarst­ellung seiner Koalition bemüht, gärt es in der CSU immer mehr.

Alle Kritiker des Bündnisses fühlen sich bestärkt und warten darauf, dass Aiwanger und Co bald in die Schranken gewiesen werden. Das übernimmt Söders Vertrauter und Finanzmini­ster Albert Füracker. In einem Interview fährt er Aiwanger an, spricht aus, was in der CSU bisher nur unter der Hand zu hören war: Der Wirtschaft­sminister solle sich endlich mehr um die CoronaSofo­rthilfe für Bayerns Unternehme­n kümmern.

Der Schuss zeigt Wirkung, seither muss sich Aiwanger permanent mit Fragen zu den Finanzhilf­en beschäftig­en. Inzwischen muss er sich zudem mit der „Wischmopp-Affäre“herumschla­gen. In der CSU wird Aiwangers millionens­chwerer Einkauf von unter anderem 90000 Wischmopps, 134000 Putztücher­n und 120000 Handtücher­n intern gerne als Beleg für seine Überforder­ung in der Krise gesehen.

In den Reihen der Freien Wähler ist dies wiederum dem Vernehmen nach ein weiterer Beleg für die anfangs gepriesene, aber nicht mehr vorhandene Regierungs­zusammenar­beit auf Augenhöhe. Das Verhältnis in der Koalition nennt Aiwanger trotz aller Spannungen der vergangene­n Wochen gut: „Nach wie vor gilt, wir ergänzen uns gut, aber es stimmt, dass wir uns jetzt etwas robuster gegenüber auftreten.“

Explizit nicht als Kritik an der CSU wollen die Freien Wähler dann auch ihr neues Positionsp­apier verstanden wissen, das an diesem Dienstag im Landtag beraten wird. Nach den Erfahrunge­n in der Corona-Krise will die Partei mehr Kompetenz für den Landtag. Zueltzt waren alle wichtigen Entscheidu­ngen rund um den Krisenplan vom Kabinett getroffen worden, einzig bei finanziell­en Fragen zu Kreditermä­chtigungen brauchte die Regierung die Zustimmung des Landtags. In ihrem Papier fordern die Freien Wähler zudem mehr Hilfen für Kommunen. Sie sollten über eine Neuberechn­ung der Gewerbeste­uer dauerhaft entlastet werden. Zur Gegenfinan­zierung schlägt das Konzept unter anderem für Tabak und Lotterien Steuererhö­hungen vor.

Aiwanger und seine Parteifreu­nde – allen voran den sich in Pressemitt­eilungen gerne selbst lobenden Parlamenta­rischen Geschäftsf­ührer Fabian Mehring – wurmt vor allem eines: die Tatsache, dass die Arbeit der Freien Wähler im Corona-Krisenmana­gement nicht wahrgenomm­en wird: „Wir mussten schauen, wo wir bleiben, und uns deutlicher zu Wort melden, nicht nur strategisc­h, sondern auch, weil ich in der Corona-Krise manches anders angehe und sehe wie Söder. Ich hätte viele Öffnungen gerne früher gehabt, hab’ sie aber nicht bekommen“, sagt Aiwanger.

Für den Streit in der Koalition hat Aiwanger aber noch eine andere Erklärung: „Die CSU ist durch ihre Rolle in Berlin anderen Zwängen ausgesetzt als wir.“Er spielt damit auf den Spagat an, den Söder als Ministerpr­äsident, CSU-Chef und aktueller Vorsitzend­er der Konferenz der Ministerpr­äsidenten vollbringe­n muss. So wird Bayerns Corona-Politik bundesweit genau beobachtet und gerne mit liberalere­n Ansätzen wie in Nordrhein-Westfalen oder auch Thüringen verglichen. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Söder genau aus diesem Grund seit Wochen medial besonders gefragt ist. Auch das hat der CSU beste Umfragewer­te beschert, zum Leidwesen der Freien Wähler, die – so ist aus der Partei zu hören – auch immer häufiger über Entscheidu­ngen Söders aus den Medien erfahren.

Zudem fühlen sich viele Freie Wähler in ihrem Kurs der schnellere­n Öffnungen bestärkt, wenn Gerichte – wie etwa im Handel oder bei den Biergärten geschehen – den Regierungs­kurs kippen. „Mich beunruhige­n die Umfragen nicht, die Freien Wähler sind bei Wahlen immer stärker als in Umfragen“, sagt Aiwanger. Marco Hadem, dpa

Aiwanger räumt „robusteres“Auftreten ein

 ?? Foto: Peter Kneffel, dpa ?? Eine Wunschehe war es nie zwischen CSU und Freien Wählern, Markus Söder und Hubert Aiwanger. Seit einigen Wochen wird das immer deutlicher.
Foto: Peter Kneffel, dpa Eine Wunschehe war es nie zwischen CSU und Freien Wählern, Markus Söder und Hubert Aiwanger. Seit einigen Wochen wird das immer deutlicher.

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