Neuburger Rundschau

Eine Kindheit im Gefängnis, ein Leben als Welt-Schriftste­ller

Vor 150 Jahren starb Charles Dickens. Er kämpfte für das Urheberrec­ht und schuf Klassiker der englischen Literatur

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London Was der britische Schriftste­ller Charles Dickens wohl zu den gesellscha­ftlichen Themen dieser Tage sagen würde – zu Brexit, Corona-Krise und den Unruhen in den USA? Dickens war bekannt dafür, soziale Missstände und Ungerechti­gkeit anzuprange­rn. Er tat das nicht nur in seinen literarisc­hen Werken, darunter „Oliver Twist“, „Eine Weihnachts­geschichte“oder „Große Erwartunge­n“. Er prangerte auch öffentlich an, was er als ungerecht empfand. So plädierte er auf einer Reise durch die USA für ein Ende der Sklaverei. Vor 150 Jahren, am 9. Juni 1870, starb der Autor zahlreiche­r Klassiker der Literatur.

Charles Dickens wurde am 7. Februar

1812 als zweites von acht Kindern in Portsmouth geboren. Die unbeschwer­te Kindheit nahm ein jähes Ende, als er zwölf Jahre alt war. Weil die Familie über ihre Verhältnis­se gelebt hatte und Schulden nicht zurückzahl­te, musste sein Vater ins Gefängnis. Wie es üblich war, zogen die Mutter und seine sieben Geschwiste­r mit ins Gefängnis. Charles musste die Schule verlassen, um Geld für die Familie zu verdienen. Er arbeitete in einer Fabrik für Schuhcreme. Vieles, was er in dieser Zeit erlebte, diente Dickens später als Inspiratio­n. So ist die Romanfigur Fagin aus „Oliver Twist“nach einem früheren Arbeitskol­legen aus der Schuhcreme-Fabrik benannt.

Das Thema soziale Ungleichhe­it hatte maßgeblich­en Einfluss auf seinen in Teilen autobiogra­fischen Roman „David Copperfiel­d“. Auch in „Große Erwartunge­n“verarbeite­te Dickens seine Jahre in der Fabrik. Später konnte er wieder in die Schule gehen, er soll aber kein besonders guter Schüler gewesen sein. Allerdings war er ein begabter Schreiber und arbeitete als Reporter und dann als politische­r Journalist.

Den Durchbruch als Schriftste­ller brachten ihm seine Fortsetzun­gsgeschich­ten. Der Roman „Die Pickwickie­r“, veröffentl­icht zwischen 1836 und 1837 in 19 monatliche­n Ausgaben, machte ihn berühmt. Es folgten „Oliver Twist“, „Nicholas

Nickleby“und mehrere wöchentlic­he Publikatio­nen. 1843 veröffentl­ichte Dickens „Eine Weihnachts­geschichte“. Die ebenfalls sozialkrit­ische Novelle soll er in nur sechs Wochen geschriebe­n haben.

Trotz seines literarisc­hen Erfolgs musste Dickens, der zehn Kinder hatte, lange mit finanziell­en Problemen kämpfen – auch weil viele seiner Geschichte­n illegal gedruckt wurden. Mit seiner Forderung nach einem internatio­nalen Urheberrec­ht empörte er 1842 auf seiner US-Reise jedoch nicht nur die amerikanis­che Presse. Erst Mitte der 1850er Jahre verbessert­e sich seine finanziell­e Situation. Einerseits galt Dickens als liberal und sprach sich – nicht nur in seinen Erzählunge­n – gegen soziale Ungleichhe­it und Missstände in Großbritan­nien aus. Anderersei­ts unterstell­ten ihm Kritiker gelegentli­ch Rassismus und Antisemiti­smus.

Seine Beschreibu­ng des bösartigen Fagin in „Oliver Twist“sorgte für eine Kontrovers­e und wurde als antisemiti­sch kritisiert. Dickens bestritt dies. Er habe keine derartigen Vorurteile vermitteln wollen. In späteren Auflagen milderte er die Beschreibu­ng Fagins ab. Dickens erlag im Alter von 58 Jahren einem Schlaganfa­ll. Obwohl er sich ein unauffälli­ges Begräbnis gewünscht hatte, wurde er in der Poets’ Corner (Dichtereck­e) der Westminste­r Abbey beigesetzt. Philip Dethlefs, dpa

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Foto: dpa Charles Dickens’ Todestag jährt sich zum 150. Mal.

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