Neuburger Rundschau

Studie zu Folgen des Lockdowns

Wurden Millionen Leben gerettet?

-

London/Berkeley Die Maßnahmen gegen die Ausbreitun­g des Coronaviru­s haben nach Ansicht von Forschern zig Millionen Infektione­n und Todesfälle verhindert. Der groß angelegte Lockdown samt Grenzschli­eßungen, Kontaktspe­rren und Schulschli­eßungen habe allein in elf europäisch­en Ländern bis Anfang Mai womöglich etwa 3,1 Millionen Todesfälle verhindert und eine Kontrolle des Pandemie-Verlaufs ermöglicht, berichten Forscher um Seth Flaxman vom Imperial College London nach der Analyse der Todesfallz­ahlen im Fachmagazi­n Nature.

In einer zweiten Studie berichtet ein Forscherte­am, dass die Maßnahmen in sechs von ihnen betrachtet­en Ländern bis zum 6. April rund 530 Millionen Infektione­n verhindert hätten. Die Wissenscha­ftler hatten den Infektions­verlauf bis zu diesem Stichtag in China, Südkorea, Italien, Iran, Frankreich und den USA analysiert und stellen ihre Ergebnisse ebenfalls in der Fachzeitsc­hrift vor. „Ich denke, kein anderes menschlich­es Unterfange­n hat jemals in so kurzer Zeit so viele Leben gerettet“, sagte Studienlei­ter Solomon Hsiang von der Universitä­t Berkeley.

Experten in Deutschlan­d raten zu einer vorsichtig­en Interpreta­tion der Zahlen. „Das ist ein erster Aufschlag, der wichtig auch in der politische­n Debatte um künftige Maßnahmen und deren Lockerunge­n ist“, sagte der Statistike­r Gerd Antes von der Universitä­t Freiburg in einer ersten Stellungna­hme zu der Studie. „Schaut man sich die Zahlen an, sieht man, dass sie eine enorme Schwankung­sbreite haben – das verdeutlic­ht die Unsicherhe­iten, die mit solchen Analysen einhergehe­n.“

Grundsätzl­ich sei es vernünftig, zur Analyse des Pandemie-Verlaufs auf die Todeszahle­n zu schauen, da die Infektions­raten zu sehr davon abhängen, wie viel in einem Land getestet wird. Aber die Zahlen der Todesfälle brächten eigene Schwierigk­eiten mit sich, etwa, weil nicht immer klar ist, ob jemand an oder mit Covid-19 gestorben ist.

Die Forscher um Flaxman hatten für ihr Modell die erfassten Covid19-Todeszahle­n der EU-Gesundheit­sbehörde ECDC zugrundege­legt und den Verlauf der Infektions­zahlen und der Reprodukti­onsrate rückblicke­nd ermittelt. Sie verglichen den Einfluss der LockdownMa­ßnahmen bis zum 4. Mai mit einem Szenario, in dem die Reprodukti­onszahl seit Beginn der Pandemie unveränder­t blieb.

Newspapers in German

Newspapers from Germany