Herrlich sorgt für nächsten Aufreger
Nach dem Zahnpasta-Fauxpas unterstellt der Trainer des FC Augsburg dem Videoschiedsrichter Parteilichkeit. Darauf reagiert der Deutsche Fußball-Bund
Augsburg Heiko Herrlich gab sich in den vergangenen Tagen in der Öffentlichkeit zurückhaltend. Er reagierte so auf seine unbedachte Plauderei in einer seiner ersten Videopressekonferenzen als Trainer des FC Augsburg. Gedankenverloren hatte Herrlich von einem Verstoß gegen die Corona-Hygienemaßnahmen der Deutschen Fußball Liga (DFL) parliert. Damit sich Derartiges nicht wiederholt, beschränkte er sich nach Journalistenfragen fortan auf das Nötigste, kontrolliert und vorsichtig wirkten Herrlichs Aussagen.
Nach dem Spiel gegen den 1. FC Köln (1:1) konnte Herrlich jedoch nicht mehr an sich halten, in ihm brodelte es. Der 48-Jährige fühlte sich ungerecht behandelt. In der 49. Minute war der umtriebige Noah Sarenren Bazee in den Kölner Strafraum eingedrungen, bedrängt von Rafael Czichos und Ismail Jakobs ging der Augsburger zu Boden. „Der eine trifft ihn am Fuß, der andere zieht ihn mit der Hand runter. Einen klareren Elfmeter gibt es nicht“, schilderte Herrlich. Umso unverständlicher war für Herrlich daher, dass Schiedsrichter Benjamin Cortus selbst nach Rücksprache mit Videoschiedsrichter Guido Winkmann bei seiner Sicht der Dinge blieb. Herrlich, der ehemalige Stürmer, ging endgültig in den Angriffsmodus über und polterte los: „Ich weiß wirklich nicht, was noch passieren muss. Da können wir wirklich aufhören mit Videokeller. Das ist ein Skandal. Das kann nicht sein, es geht hier darum, die Klasse zu halten.“
Herrlich hätte es dabei belassen können, legte jedoch nach. Und tätigte Aussagen, die den DFB reagieren ließen. Denn hinter der aus seiner Sicht fehlenden Korrektur der Entscheidung vermutete er Parteilichkeit. Herrlich schimpfte: „Da sitzt einer, der 30 Kilometer weg von Köln lebt.“Tatsächlich liegt das nordrhein-westfälische Kerken, der Wohnort Winkmanns, knapp 80 Kilometer von Köln entfernt, die geografische Nähe ist dennoch gegeben. Allerdings ist diese in Corona-Zeiten sogar gewollt, Bundesligaschiedsrichter sollen an Spieltagen möglichst kurze Anfahrten haben. So darf etwa der Münchner Felix Brych Spiele in Augsburg leiten. Frankfurts Sportvorstand Fredi Bobic kommentierte in einer Sky-Sendung Herrlichs Aussage so: „Das ist eine Fehlentscheidung, aber kein Skandal. Ich hoffe, er hat den Anstand, sich zu entschuldigen.“
Der FCA erklärte auf Nachfrage, der Deutsche Fußball-Bund (DFB) hätte keine Stellungnahme angefordert. Am Abend teilte der Verband gegenüber unserer Redaktion mit, dass der DFB-Kontrollausschuss kein Ermittlungsverfahren einleiten werde. Allerdings wurde Herrlich angewiesen, künftig bei Interviews „möglicherweise missverständliche Andeutungen im Bezug auf die Unparteilichkeit des Schiedsrichters bzw. des Video-Assistenten zu unterlassen“. Im Wiederholungsfall hätte er mit einer Anklage vor dem DFB-Sportgericht zu rechnen, heißt es weiter.
Herrlichs Ärger war ein Stück weit verständlich, ein Strafstoß wäre vertretbar gewesen. Sein Wutausbruch fußte aber auch auf dem Unvermögen seiner eigenen Spieler.
Weil Philipp Max (88.) spät die Kölner Führung durch Anthony Modeste (86.) ausglich, musste der FCA über den einen Punkt froh sein. Aufgrund der ersten Hälfte, in der die Augsburger Torchancen aneinanderreihten, hätte sich der Bundesligist jedoch einen Sieg verdient gehabt. Bei einer Führung wäre der ausgebliebene Elfmeterpfiff verschmerzbar gewesen. Dies räumte Herrlich ein: „Wir müssen uns an die eigene Nase packen und müssen versuchen, unsere Möglichkeiten zu nutzen.“Vor des Gegners Tor versagten die FCA-Profis, allen voran Florian Niederlechner. Seine Torkrise hielt unter anderem an, weil er sich von einem Kölner Zwischenruf verunsichern ließ und einen Strafstoß verschoss. „Ich war schon oft der Held, heute war ich der Depp“, sagte der FCA-Angreifer frustriert.
Vier Zähler trennen die Augsburger weiterhin vom Relegationsrang. Nach dem Unentschieden gegen Paderborn versäumten sie gegen Köln erneut einen entscheidenden Schritt Richtung Ligaverbleib. Dieser könnte nun in Mainz gelingen (Sonntag, 15.30 Uhr).