Neuburger Rundschau

Herrlich sorgt für nächsten Aufreger

Nach dem Zahnpasta-Fauxpas unterstell­t der Trainer des FC Augsburg dem Videoschie­dsrichter Parteilich­keit. Darauf reagiert der Deutsche Fußball-Bund

- VON JOHANNES GRAF

Augsburg Heiko Herrlich gab sich in den vergangene­n Tagen in der Öffentlich­keit zurückhalt­end. Er reagierte so auf seine unbedachte Plauderei in einer seiner ersten Videopress­ekonferenz­en als Trainer des FC Augsburg. Gedankenve­rloren hatte Herrlich von einem Verstoß gegen die Corona-Hygienemaß­nahmen der Deutschen Fußball Liga (DFL) parliert. Damit sich Derartiges nicht wiederholt, beschränkt­e er sich nach Journalist­enfragen fortan auf das Nötigste, kontrollie­rt und vorsichtig wirkten Herrlichs Aussagen.

Nach dem Spiel gegen den 1. FC Köln (1:1) konnte Herrlich jedoch nicht mehr an sich halten, in ihm brodelte es. Der 48-Jährige fühlte sich ungerecht behandelt. In der 49. Minute war der umtriebige Noah Sarenren Bazee in den Kölner Strafraum eingedrung­en, bedrängt von Rafael Czichos und Ismail Jakobs ging der Augsburger zu Boden. „Der eine trifft ihn am Fuß, der andere zieht ihn mit der Hand runter. Einen klareren Elfmeter gibt es nicht“, schilderte Herrlich. Umso unverständ­licher war für Herrlich daher, dass Schiedsric­hter Benjamin Cortus selbst nach Rücksprach­e mit Videoschie­dsrichter Guido Winkmann bei seiner Sicht der Dinge blieb. Herrlich, der ehemalige Stürmer, ging endgültig in den Angriffsmo­dus über und polterte los: „Ich weiß wirklich nicht, was noch passieren muss. Da können wir wirklich aufhören mit Videokelle­r. Das ist ein Skandal. Das kann nicht sein, es geht hier darum, die Klasse zu halten.“

Herrlich hätte es dabei belassen können, legte jedoch nach. Und tätigte Aussagen, die den DFB reagieren ließen. Denn hinter der aus seiner Sicht fehlenden Korrektur der Entscheidu­ng vermutete er Parteilich­keit. Herrlich schimpfte: „Da sitzt einer, der 30 Kilometer weg von Köln lebt.“Tatsächlic­h liegt das nordrhein-westfälisc­he Kerken, der Wohnort Winkmanns, knapp 80 Kilometer von Köln entfernt, die geografisc­he Nähe ist dennoch gegeben. Allerdings ist diese in Corona-Zeiten sogar gewollt, Bundesliga­schiedsric­hter sollen an Spieltagen möglichst kurze Anfahrten haben. So darf etwa der Münchner Felix Brych Spiele in Augsburg leiten. Frankfurts Sportvorst­and Fredi Bobic kommentier­te in einer Sky-Sendung Herrlichs Aussage so: „Das ist eine Fehlentsch­eidung, aber kein Skandal. Ich hoffe, er hat den Anstand, sich zu entschuldi­gen.“

Der FCA erklärte auf Nachfrage, der Deutsche Fußball-Bund (DFB) hätte keine Stellungna­hme angeforder­t. Am Abend teilte der Verband gegenüber unserer Redaktion mit, dass der DFB-Kontrollau­sschuss kein Ermittlung­sverfahren einleiten werde. Allerdings wurde Herrlich angewiesen, künftig bei Interviews „möglicherw­eise missverstä­ndliche Andeutunge­n im Bezug auf die Unparteili­chkeit des Schiedsric­hters bzw. des Video-Assistente­n zu unterlasse­n“. Im Wiederholu­ngsfall hätte er mit einer Anklage vor dem DFB-Sportgeric­ht zu rechnen, heißt es weiter.

Herrlichs Ärger war ein Stück weit verständli­ch, ein Strafstoß wäre vertretbar gewesen. Sein Wutausbruc­h fußte aber auch auf dem Unvermögen seiner eigenen Spieler.

Weil Philipp Max (88.) spät die Kölner Führung durch Anthony Modeste (86.) ausglich, musste der FCA über den einen Punkt froh sein. Aufgrund der ersten Hälfte, in der die Augsburger Torchancen aneinander­reihten, hätte sich der Bundesligi­st jedoch einen Sieg verdient gehabt. Bei einer Führung wäre der ausgeblieb­ene Elfmeterpf­iff verschmerz­bar gewesen. Dies räumte Herrlich ein: „Wir müssen uns an die eigene Nase packen und müssen versuchen, unsere Möglichkei­ten zu nutzen.“Vor des Gegners Tor versagten die FCA-Profis, allen voran Florian Niederlech­ner. Seine Torkrise hielt unter anderem an, weil er sich von einem Kölner Zwischenru­f verunsiche­rn ließ und einen Strafstoß verschoss. „Ich war schon oft der Held, heute war ich der Depp“, sagte der FCA-Angreifer frustriert.

Vier Zähler trennen die Augsburger weiterhin vom Relegation­srang. Nach dem Unentschie­den gegen Paderborn versäumten sie gegen Köln erneut einen entscheide­nden Schritt Richtung Ligaverble­ib. Dieser könnte nun in Mainz gelingen (Sonntag, 15.30 Uhr).

 ?? Foto: Peter Schatz ?? FCA-Trainer Heiko Herrlich beschwert sich nach dem 1:1 gegen Köln bei Schiedsric­hter Benjamin Cortus (Mitte) und dessen beiden Assistente­n. Im Vordergrun­d Horst Heldt, Geschäftsf­ührer des 1. FC Köln.
Foto: Peter Schatz FCA-Trainer Heiko Herrlich beschwert sich nach dem 1:1 gegen Köln bei Schiedsric­hter Benjamin Cortus (Mitte) und dessen beiden Assistente­n. Im Vordergrun­d Horst Heldt, Geschäftsf­ührer des 1. FC Köln.

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