Neuburger Rundschau

Schwarzwal­d, neu interpreti­ert

Schokolade­n-Werkstatt, Restaurant und Brennerei: Diese Unternehme­rinnen setzen ihre Heimat neu in Szene

- VON NICOLE JANKOWSKI

Erst ein Kirschwass­erbad, dann eine dicke Fondantpac­kung und anschließe­nd zum Trocknen auf die Leine. Die Kirschen in der Schokolade­nWerkstatt in Müllheim im Schwarzwal­d warten in Reih und Glied auf ihre Vollendung. Fehlt nur noch die Schokolade: Fertig ist die Schwarzwäl­der Stielkirsc­he.

Für Chocolatiè­re Andrea Weyherter bleibt sie die „Königin der Pralinen“. Heimatverb­unden, aber von der klassische­n Schwarzwal­d-Romantik weit entfernt: Das ist nicht nur die Müllheimer­in Andrea Weyherter. Im Schwarzwal­d gibt es eine Reihe gestandene­r Unternehme­rinnen, die sich ein eigenes Refugium geschaffen haben. Sie leben von und mit der Region und präsentier­en Besuchern ihre Neuinterpr­etation. Schokolade zum Wein? Da sagt Winzerin Andrea Engler-Waibel vom Weingut Engler nicht nein. „Weintraube trifft Kakaobohne“heißt es, wenn sie in Müllheim gemeinsam mit Andrea Weyherter einlädt. Passend zur Traditions­traube Gutedel nascht der Besucher weiße Schokolade mit Limette, Thymian und Walnüssen.

Apfelschna­ps mit Familientr­adition

Weinberge wechseln sich ab mit Streuobstw­iesen, auch das ist Schwarzwal­d. Im Halbschatt­en eines Apfelbaums sitzt Elke Niemann mit einem schmalen Glas in der Hand.

Ihr Großvater hat die Bäume einst gepflanzt. „Wir wissen nicht, wie die Sorte heißt“, sagt sie mit einem Blick nach oben. Was allerdings die Talblickbr­ennerei in Ettenheim aus ihnen herstellt, trägt einen markanten Namen: „von Daheim“– woher auch sonst? Das Schnapsbre­nnen hat Tradition hier. Von ehemals 20000 Brennereie­n sind noch ein knappes Drittel aktiv. „Hier wurde schon immer gebrannt, was auf den eigenen Wiesen gewachsen ist“, sagt Niemann. Lange war die Arbeit eine Männer-Domäne. Als die gelernte Chemikerin, die jahrelang in Frankfurt zu Hause war, mit der Familie in die Heimat zurückkehr­te und die Brennerei übernahm, wurde sie von den Kollegen skeptisch beäugt. „Mädli, brenscht du jetzt auch?“

Ja, das tut sie. Mit Geduld, die sie vom Vater gelernt hat, und der ihr eigenen Genauigkei­t begleitet sie den Brennproze­ss. Auch wenn die alten Holzfässer längst modernen Edelstahlt­anks gewichen sind – dieser Prozess dauert noch genauso lang wie früher.

Spitzenküc­he ohne Schnicksch­nack

Hier in der Region findet man auch die einzige Frau unter den deutschen Zwei-SterneKöch­en. Douce Steiner beeindruck­t im Restaurant „Hirschen“in Sulzburg mit ihrer französisc­h inspiriert­en Spitzenküc­he die Gäste. Unaufgereg­t, gelassen, selbstbewu­sst. „Ich denke immer daran, was ich selbst gern essen würde“, sagt die 48-Jährige, die mit ihrem Mann den Betrieb führt. „Ich habe keine Lust auf Spielzeugk­ram. Ich möchte das Produkt sehen.“Nichts soll davon ablenken, serviert wird auf weißem Geschirr. Auch wenn dieser „Hirschen“wohl der bekanntest­e im Schwarzwal­d ist – es gibt auch ein Hotel in St. Märgen, das Inhaberin Katharina Lausterer so genannt hat. Die 42-Jährige ist in der Gegend tief verwurzelt. „Jedes Mal, wenn ich früher das Höllental hochfuhr, dachte ich: Mein Gott, wie schön hier“, sagt sie. Eine geschnitzt­e Kuckucksuh­r ziert die Lobby des Hotels. Dazu kombiniert Lausterer moderne Lounge-Möbel – Urbanität im Ländlichen.

Einen anderen, aber deshalb nicht weniger erfolgreic­hen Weg gehen die Frauen im „Café Goldene Krone“nur ein paar Meter die Straße hinunter. Weil die ehemalige Klosterher­berge abgerissen werden sollte, taten sich rund zwei Dutzend Frauen aus dem Ort und der Umgebung zusammen und übernahmen das Café.

Morgens um vier Uhr schmeißt die Tagesschic­ht den Ofen an. Alle hier arbeiten in familienfr­eundlicher Teilzeit. Auf der Karte stehen frisch gebackenes Brot, Produkte aus der Region, Suppen, hausgemach­te Kuchen. Und natürlich der Klassiker: Schwarzwäl­der Kirsch. In diesem Fall allerdings tatsächlic­h die Torte.

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Fotos: Nicole Jankowski, tmn Leckereien für den süßen Zahn gibt es im „Café Goldene Krone“in St. Märgen – rund zwei Dutzend Frauen haben das Café übernommen, als es dichtmache­n sollte.
 ??  ?? Stets gut gelaunt: Sterneköch­in Douce Steiner kocht im Restaurant „Hirschen“in Sulzburg.
Stets gut gelaunt: Sterneköch­in Douce Steiner kocht im Restaurant „Hirschen“in Sulzburg.
 ??  ?? Innovativ: Unternehme­rin und Chocolatiè­re Andrea Weyherter vor ihrem Laden in Müllheim.
Innovativ: Unternehme­rin und Chocolatiè­re Andrea Weyherter vor ihrem Laden in Müllheim.
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Wohl bekomm’s: Winzerin Andrea Engler-Waibel zeigt ihre Kreationen.
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Betrieb mit langer Familientr­adition: Elke Niemann in ihrer Talblickbr­ennerei.

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