Neuburger Rundschau

Sind es Sabine Pfaller und ihr Freund?

Bei der Untersuchu­ng der im Wald bei Kipfenberg gefundenen Leichentei­le stellte sich heraus, dass es sich um die Überreste eines seit 2002 vermissten Pärchens handelt. Jetzt wird der Fall neu aufgerollt

- VON MANFRED RINKE UND CLAUDIA STEGMANN

Kipfenberg Amtlich bestätigen kann Hans-Peter Kammerer (noch) nichts. Aber der Leiter des Präsidialb­üros des Polizeiprä­sidiums Oberbayern Nord antwortet auf die Frage, ob es sich bei den vergangene Woche in einem Wald bei Kipfenberg gefundenen Leichentei­len um das seit 18 Jahren vermisste Pärchen Sabine Pfaller und Eugen Sambrschiz­ki aus Ingolstadt handelt, auch nicht mit einem klaren „Nein“. Es liegt nahe, dass ein schon als hoffnungsl­os eingestuft­er Vermissten­fall aufgeklärt ist.

Wie die Kripo Ingolstadt am Montag meldete, hat ein Fußgänger in einem Waldstück im Birktal im Gemeindebe­reich Kipfenberg (Landkreis Eichstätt) am Dienstag vergangene­r Woche einen skelettier­ten menschlich­en Schädel und weitere Knochen entdeckt. Nachdem im Laufe der Bergung ein zweiter Schädel gefunden wurde, kam bei den Untersuchu­ngen schließlic­h heraus, dass es sich um die Überreste eines seit 2002 vermissten Paares aus Ingolstadt handelt. „Es ist schon ungewöhnli­ch, dass der Fund der Leichen nicht an die Öffentlich­keit gedrungen ist“, sagt Polizeiobe­rrat Kammerer. Anderersei­ts sei dies von Vorteil gewesen, weil der Prozess der Identifizi­erung einfach seine Zeit gebraucht habe und ohne Druck von außen in Ruhe durchgefüh­rt werden konnte.

Denn nach dem Fund am 2. Mai und nach ersten polizeilic­hen Sicherungs­maßnahmen war ein mehrere Wochen andauernde­r Prozess zur Ausgrabung, Bergung und rechtsmedi­zinischen Untersuchu­ng der menschlich­en Überreste gefolgt. Im Rahmen der durch Beamte der Kriminalpo­lizeiinspe­ktion Ingolstadt in Handarbeit durchgefüh­rten Grabungen waren ein zweiter Schädel und weitere Knochen gesichert worden. Das Erdreich wurde in einer Halle zerkleiner­t und gesiebt. Hierbei konnten Zähne und weitere Knochentei­le gesichert werden. Dem Institut für Rechtsmedi­zin gelang es im Anschluss, zunächst festzustel­len, dass es sich um ein weibliches und ein männliches Skelett handelt.

Im Rahmen weiterer aufwendige­r Untersuchu­ngen konnte DNA-Material aus den Knochen gesichert werden. Das Ergebnis der Untersuchu­ngen der Rechtsmedi­zin war, dass es sich bei den aufgefunde­nen Leichen tatsächlic­h um ein seit 18 Jahren vermisstes Pärchen handelt. Damals hatte ein Verwandter Vermissten­anzeige bei der Polizei in Ingolstadt erstattet, da das Pärchen nicht erreichbar war.

In Abstimmung mit der Staatsanwa­ltschaft Ingolstadt richtete die

eine Ermittlung­sgruppe (EG Birktal) ein. Ziel der nun erneut angelaufen­en Ermittlung­en ist es, in enger Kooperatio­n mit der Rechtsmedi­zin und aufbauend auf damaligen Erkenntnis­sen, die tatsächlic­hen Umstände des Todes der nun aufgefunde­nen Vermissten aufzudecke­n.

Dann wird vielleicht auch Sabine Pfallers Mutter Johanna Z. endgültige Gewissheit haben. Sie hat die Hoffnung nie aufgegeben, dass ihre Tochter noch am Leben ist. In einem Beitrag in der Neuburger Rundschau erzählte sie einmal von einem Traum. In dem Traum wird ihre Tochter Sabine festgehalt­en und ausgebeute­t – in einem schmierige­n Rotlichtvi­ertel irgendwo in Russland. Dort wird sie gezwungen, auf den Strich zu gehen. Ein Freier setzt sie unter Drogen, damit sie ihm hörig ist. Vielleicht schlägt er sie auch, wenn sie das Bisschen an Widerstand, das sie noch in sich hat, gegen ihn aufbringen kann. Doch das passiert nur selten. Sabine ist gefangen – von den Rauschmitt­eln, von ihrem Freier, von den Drohungen, die man gegen sie ausspricht. Deshalb kann sie sich auch nicht wehren, kann nicht weglaufen oder die Polizei um Hilfe rufen. Und vor allem kann sie nicht zu Hause anrufen, um ihrer Mutter zu sagen: Mama, mach dir keine Sorgen. Ich lebe noch. Die

Vorstellun­g, dass ihre Tochter irgendwo auf dieser Welt zur Prostituti­on gezwungen wird, war für Johanna Z. so viel einfacher zu ertragen als der Gedanke, dass sie tot sein könnte.

Mutter Johanna hatte noch am 23. Geburtstag von Sabine mit ihrer Tochter telefonier­t. In der folgenden Nacht war Sabine zuletzt gesehen worden. Seitdem war sie wie vom Erdboden verschluck­t. Es war der 20. September 2002, als Johanna Z. das letzte Mal mit ihrer Tochter gesprochen hat. Ein Donnerstag. Sabine war gerade erst ausgezogen und wollte am Abend mit ihrem neuen Freund, dem 21-jährigen Eugen Sambrschiz­ki, ihren Geburtstag feiern. Den jungen Mann kannte Johanna Z. nicht. Zwei Tage später wollte Sabine mit ihrem Bruder ihren Geburtstag nachfeiern. Doch sie kam nicht. Einige Tage später, als Sabine immer noch nicht erreichbar war, meldet ihr Bruder sie bei der Polizei als vermisst.

Die Nachforsch­ungen der Polizei ergaben, dass das Paar am 20. September 2002 zwischen 22 und 24 Uhr in einem Café an der Nürnberger Straße in Ingolstadt war. Die letzten Zeugen sahen sie gegen zwei Uhr früh, als sie im Nordostvie­rtel in Ingolstadt die Wohnung von Eugen Sambrschiz­ki mit einem RuckKripo sack verließen. Danach verliert sich die Spur. Es gibt keine Telefonver­bindungen mit den Handys der beiden und keine Kontobeweg­ungen, aber auch keine Leichen.

Die Kripo war schon damals davon ausgegange­n, dass beide tot sind. Ermittelt wurde wegen Mordes. Irgendwann gab es aber für die Polizei keinen Ansatz mehr. Die Beamten waren allen Hinweisen nachgegang­en. Zum Beispiel denen, wonach der Russlandde­utsche und die Ingolstädt­erin an der holländisc­hen Grenze ermordet worden seien. Sabine Pfaller und ihr Freund waren in der Drogenszen­e unterwegs und polizeilic­h bekannt. Mehrere Beschuldig­te, die wegen Drogenkons­ums vernommen worden waren, hatten einige Jahre nach deren Verschwind­en unabhängig voneinande­r behauptet, dass das Paar in der Nähe von Aachen umgebracht worden sei, weil Eugen bei seinem Dealer Schulden gehabt hätte. Zumindest würde das in der einschlägi­gen Drogenszen­e erzählt werden, ließen die Vernommene­n die Beamten wissen.

Doch wie viele vorangegan­genen Spuren, verliefen auch diese im Sande. Weil die Kripo keine näheren Ortsangabe­n hatte, konnten sie nicht gezielt nach Leichen suchen. So blieb nichts anderes übrig, als die Kollegen vor Ort zu verständig­en.

Berechtigt­e Hoffnungen, die beiden noch lebend zu finden, hatte dagegen die Polizei schon längst nicht mehr. Doch wo sind ihre Leichen? Wer hat sie umgebracht? Antworten auf diese Fragen erhoffte sich die Kripo 2008. Drogendeal­er aus Ingolstadt, die die Polizei dingfest machen konnte, behauptete­n, dass Sabine und Eugen auf dem Ingolstädt­er Westfriedh­of „entsorgt“worden waren. Nachdem die Polizei herausgefu­nden hatte, welche Gräber zur Zeit des Verschwind­ens der beiden für eine Beerdigung ausgehoben worden waren, wurden diese mithilfe eines Sonargerät­s untersucht. An einem Grab schlug das Gerät an: Ein undefinier­barer Fremdkörpe­r wurde entdeckt. In den frühen Morgenstun­den des 1. April 2009 wurde das Grab schließlic­h ausgehoben. Doch der Fremdkörpe­r entpuppte sich als Wurzel. Von Sabine und Eugen keine Spur.

Bis vielleicht zum 2. Mai 2020. Noch verhindern datenschut­zrechtlich­e Gründe die offizielle Bestätigun­g. Doch es spricht vieles dafür, auch das fehlende klare „Nein“von Kriminalob­errat Hans-Peter Kammerer, dass Sabine Pfaller und Eugen Sambrschiz­ki nun gefunden sind. Wie sie zu Tode kamen, wird nun noch geklärt. Ob ihr(e) Mörder wohl je gefasst wird/werden?

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Foto: Polizei In dem abgesteckt­en Waldstück fand eine aufwendige Untersuchu­ng statt. Die Grabungen wurden per Handarbeit durchgefüh­rt, das abgetragen­e Erdreich wurde dann in einer Halle zerkleiner­t und gesiebt.
 ?? Foto: Polizei ?? Mit Sabine Pfaller verschwand Eugen Sambrschiz­ki (21 Jahre).
Foto: Polizei Mit Sabine Pfaller verschwand Eugen Sambrschiz­ki (21 Jahre).
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Foto: Polizei Vermisst seit 21. September 2002: Sabine Pfaller (23 Jahre).

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