Neuburger Rundschau

Hat Neuburg ein Rassismus-Problem?

Weltweit protestier­en Menschen gegen Fremdenhas­s und Gewalt. Zwei junge Männer aus Neuburg und Ingolstadt berichten von rassistisc­hen Anfeindung­en aus ihrem Alltag. Wie die Polizei die Situation einschätzt

- VON LAURA FREILINGER

Neuburg In den beiden Großstädte­n Ingolstadt und Augsburg demonstrie­rten am Wochenende hunderte Menschen gegen Rassismus und Polizeigew­alt. Der Mord an dem schwarzen US-Amerikaner George Floyd war der Auslöser für die weltweiten Proteste, die sich unter dem Slogan „Black Live Matters“formieren. Fremdenhas­s ist aber kein amerikanis­ches Problem. Zwei Jugendlich­e aus Neuburg und Ingolstadt berichten von rassistisc­hen Anfeindung­en im Alltag.

Es war auf dem Karlshulde­r Volksfest vor zwei Jahren. Der ausgelasse­ne Abend endete für Dennis anders als erhofft. Der junge Mann mit angolanisc­hen Wurzeln wurde angefeinde­t und als „Neger“beschimpft. Sein deutscher Freund sprach die pöbelnden Jugendlich­en an, wollte seinen Freund mit Worten verteidige­n und es endete in einer handfesten Schlägerei. Mit Tränen, Zorn und Traurigkei­t ging Dennis, der eigentlich anders heißt, nach Hause.

Dumme Kommentare und rassistisc­he Beleidigun­gen erfuhr Dennis an jenem Abend aber nicht zum ersten Mal. Fast täglich fallen ihm verachtend­e Blicke auf. Seine eigenen Eltern erinnern ihn regelmäßig daran, vorsichtig zu sein. „Gerade auf dem Land scheinen Ältere Vorurteile zu haben. Doch Rassismus ist in allen Altersgrup­pen ein Thema“, sagt der junge Mann. Ein Mal kamen zwei kleine Mädchen auf ihn zu und riefen ihm „Ausländer raus“zu. Dennis stellte sie zur Rede, bis sie sich entschuldi­gten. „Da frage ich mich, was in der Erziehung falsch gelaufen ist.“

Dieses Problem kennt auch James, dessen Name ebenfalls abgeändert ist. „In der Grundschul­e wurde ich aufgrund meiner Hautfarbe gehänselt und habe oft geweint“, erinnert sich der Ingolstädt­er. Bis vor Kurzem lebte er noch in einem kleinen Dorf bei Neuburg. James hat kenianisch­e Wurzeln. „Die Kinder haben mich zwar nicht beleidigt, aber immer darauf hingewiese­n, dass ich dunklere Haut habe.“Erst als er sich einen festen

Freundeskr­eis aufgebaut hatte, endeten die Schikanen. Von den Älteren nicht zurückgegr­üßt zu werden, gehörte in dem kleinen Ort dennoch zu seinem Alltag. „Im Hinterkopf hatte ich ständig den Gedanken, anders zu sein.“

Inzwischen blendet James solche Gedanken aus. In Ingolstadt habe er einen großen Unterschie­d bemerkt. „Im Gegensatz zum Dorf spüre ich

keine Blicke. Ich fühle mich nicht mehr fehl am Platz“, erklärt der Auszubilde­nde, der bereits sein ganzes Leben in Deutschlan­d lebt.

Die Neuburger Polizei nimmt Rassismus sehr ernst. Der stellvertr­etende Dienststel­lenleiter der Polizeiins­pektion Neuburg, Hubert Scharpf, sagt auf Nachfrage: „Wir haben aber keine besonderen Auffälligk­eiten in Neuburg.“Häufig werden solche Anfeindung­en nicht zur Anzeige gebracht, weiß Scharpf. Dabei können Beleidigun­gen, Bedrohunge­n oder Körperverl­etzung jederzeit angezeigt werden, egal ob mit oder ohne rassistisc­he Motive, betont der Polizist. Ein Problem sei zudem, dass Rassismus nicht in den Anzeigen stehe, sondern dort Beleidigun­g oder Körperverl­etzung vermerkt werden. Dahier her sei auch die exakte Zahl an rassistisc­hen Straftaten nicht auf den ersten Blick in den Statistike­n zu erkennen, erklärt der stellvertr­etende Leiter der Polizeiins­pektion. Hinsichtli­ch der aktuellen Situation in den USA sagt Scharpf: „Wir verfolgen, was in Amerika passiert.“

Dennis machte bisher noch nie von seinem Recht Gebrauch, rassistisc­he Beleidigun­gen anzuzeigen. Er ignorierte Vorwürfe wie „Was willst du hier?“oder „Du gehörst nicht hierher!“. Besonders auf Volksfeste­n wie dem Barthelmar­kt in Oberstimm oder dem Volksfest in Karlshuld sind die Anfeindung­en gehäuft. Mit steigendem Alkoholpeg­el fällt die Hemmschwel­le. Verletzt ist Dennis von den Beleidigun­gen trotzdem jedes Mal aufs Neue. Rassismus stößt bei ihm auf Unverständ­nis und Frust. „Ich möchte wie alle anderen einfach nur feiern.“Selbst in der Neuburger Innenstadt erlebte er schon Rassismus: Auf dem Weg zum Supermarkt wurde ihm aus einem Fenster „Bimbo“hinterherg­erufen. „Mittlerwei­le kennen mich viele Neuburger und haben ihre Barrieren abgebaut“, sagt der junge Mann.

James kann das nur bestätigen. „Rassismus entsteht durch fehlende Kommunikat­ion“, sagt er überzeugt. Den Satz „Ich hätte dich vom Aussehen her ganz anders eingeschät­zt“, hörte der junge Mann schon oft. Sobald er ins Gespräch komme, könne er wahrlich zusehen, wie sich die Vorurteile in Luft auflösen, sagt James.

Aber nicht nur negative Erfahrunge­n haben die beiden Männer aufgrund ihrer Hautfarbe gesammelt. „Manchmal werde ich besser behandelt“, erzählt Dennis und lacht. Das habe ihm schon manche Schulnote gerettet. „Vor allem seit der Flüchtling­skrise und den Parolen der AfD spüre ich eine Gegenbeweg­ung. Das ist wirklich toll und gibt Hoffnung.“James stimmt ihm zu. Auf dem Volksfest hatte er schon viele Kompliment­e bekommen, weil er Tracht trägt. Die aktuellen Demos sieht James positiv. Vor Kurzem war er selbst auf der Straße und gedachte George Floyd.

 ?? Symbolfoto: Boris Roessler, dpa ?? Nach dem Tod des US-Amerikaner­s George Floyd demonstrie­ren weltweit Menschen gegen Rassismus und Diskrimini­erung. Diese junge Frau beteiligte sich in Frankfurt am Main an einer Demo für mehr Diversität.
Symbolfoto: Boris Roessler, dpa Nach dem Tod des US-Amerikaner­s George Floyd demonstrie­ren weltweit Menschen gegen Rassismus und Diskrimini­erung. Diese junge Frau beteiligte sich in Frankfurt am Main an einer Demo für mehr Diversität.

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