Neuburger Rundschau

Ein kleiner, weißer Mann

Per Günther ist zwar körperlich als Basketball­er klein. Aber als Spieler und Mensch ist der Ulmer Kapitän ein Großer – und seine Worte haben Gewicht

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Normalerwe­ise ist so ein Spieler der Schrecken einer PRMaschine­rie und der Liebling der Journalist­en. Berüchtigt­e Floskeln der Marke „Wir denken von Spiel zu Spiel“hat Per Günther nicht im Repertoire. Der Kapitän des Basketball-Bundesligi­sten Ratiopharm Ulm sagt immer, was er denkt. Gelegentli­ch undiplomat­isch, aber auch direkt nach Spielen mit einem Puls von 180 erstaunlic­h pointiert. Und Per Günther denkt über viele Dinge in- und außerhalb seines Sports nach.

Unvergesse­n ist etwa die Antwort, die er vor einigen Jahren auf die Frage fand, warum er in seiner Karriere immer in Ulm geblieben und nie beispielsw­eise zum Branchenfü­hrer Bayern München gegangen ist: „Ich habe keine Lust darauf, ein Jahr lang depressiv durch München zu laufen, nur um vielleicht deutscher Meister zu werden.“Den Satz hat man damals auch in München gelesen, ein Wechsel kam wenig überrasche­nd auch in der Folge nie zustande, und Per Günther spielt immer noch für Ratiopharm Ulm.

Seit nunmehr zwölf Jahren, womit er eine extreme Ausnahme ist in diesem Sport, dem ja nicht zu Unrecht ein gewisses Söldner-Image anheftet. Langjährig­e Wegbegleit­er aus dem Journalism­us hat Günther in dieser Zeit immer wieder mit seinen Bonmots beglückt. Vor ein paar Monaten etwa hat er mal wieder irgendeine­n Rekord in diesem statistikv­erliebten Sport gebrochen und kommentier­te: „Es macht mich schon ein bisschen stolz, dass ich das als kleiner, weißer Mann in diesem Sport geschafft habe.“

Mit einer Körpergröß­e von offiziell 1,84 Metern ist Per Günther für Basketball-Verhältnis­se klein.

In den sozialen Netzwerken ist Günther weniger aktiv als viele seiner Profikolle­gen. Aber wenn der zweifache Vater sich dort meldet, dann haben seine Worte Gewicht. Vor ein paar Tagen war es wieder einmal so weit. Es ging um die mögliche Sanktionie­rung von Statements zum Tod von George Floyd beim Corona-Turnier in München. Günther positionie­rte sich postwenden­d und forderte bei Twitter seine Profikolle­gen ausdrückli­ch auf, Stellung zu beziehen gegen Rassismus. Schließlic­h sind in dieser Sportart grob geschätzt die Hälfte aller Spieler aufgrund ihrer

Hautfarbe von dem Thema betroffen. Das Verspreche­n des Ulmer Kapitäns: Die ersten 10000 Euro der Strafen übernimmt er. Dafür wurde Günther von vielen Fans und anderen Spielern gefeiert, bezahlen muss er nichts. Die Liga versprach zunächst, dass kein Spieler wegen einer Aktion oder eines Statements gegen Rassismus sanktionie­rt wird, dann machte sie den Kampf dagegen sogar zu ihrer eigenen Sache. Wäre Basketball in Deutschlan­d so populär wie Fußball – man könnte sich den 32-Jährigen nach seiner Karriere gut in einer Rolle wie es Mehmet Scholl als Fernsehkom­mentator war, vorstellen. Aber der Mann, der die Stimme und das Gesicht der Basketball-Bundesliga ist, macht ja noch mindestens ein Jahr weiter. Nach einer monatelang wegen Corona unterbroch­enen Saison hört ein Per Günther nicht auf. Pit Meier

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Foto: Horst Hörger

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