Neuburger Rundschau

US-Polizisten dürfen Verdächtig­e nicht mehr würgen

Der Tod von George Floyd hat Folgen für die Cops. Grundlegen­de Reformen sind trotzdem unwahrsche­inlich

- VON KARL DOEMENS

Washington Die Demonstran­ten forderten eine klare Antwort. „Bist du für die Auflösung der Polizeibeh­örde?“, fragte ihre Sprecherin den Bürgermeis­ter von Minneapoli­s, Jacob Frey. Inmitten einer Gruppe aufgebrach­ter Protestler nestelte der 38-Jährige an seiner Gesichtsma­ske. „Ja oder Nein?“, setzte die Rednerin nach. Er sei gegen die komplette Auflösung, antwortete der demokratis­che Politiker. Ein Proteststu­rm brach los. „Geh nach Hause, Jacob!“, skandierte die Menge. Einige riefen: „Schande!“Die Straßensze­ne aus der Stadt, in der vor zwei Wochen der Afroamerik­aner George Floyd bei einem brutalen Polizeiein­satz ums Leben kam, ist bezeichnen­d für die komplexe Lage der USA nach den tagelangen Großprotes­ten gegen Rassismus und Polizeigew­alt.

Eine zentrale Forderung des harten Kerns der Aktivisten lautet: „Defund the Police!“(„Entzieht der Polizei das Geld“). Doch es gibt unterschie­dliche Vorstellun­gen, wie wörtlich das zu nehmen ist. Offen ist auch, welche Veränderun­gen angesichts der politische­n Mehrheitsv­erhältniss­e durchsetzb­ar sind – und ob es Präsident Donald Trump umgekehrt gelingt, Ängste vor einem Zustand der Rechtlosig­keit zu verbreiten. Erste Folgen gibt es schon: Mehrere amerikanis­che Städte haben ihren Beamten den Würgegriff verboten. Der Bürgermeis­ter von New York, Bill de Blasio, versprach, den sechs Milliarden Dollar umfassende­n Polizei-Etat der Stadt um eine Milliarde zu kürzen. In Oregon übergab die bisherige weiße Polizeiche­fin das Amt ihrem afroamerik­anischen Stellvertr­eter. Der Stadtrat von Minneapoli­s will die örtliche Polizei sogar auflösen. Und die Demokraten im US-Kongress haben den Entwurf für eine umfassende Polizeiref­orm vorgelegt. Doch jenseits der Überschrif­ten wird es komplizier­ter.

So ist die Polizei in den USA regional organisier­t und untersteht den jeweiligen Kommunen oder Staaten. Insgesamt gibt es 18000 Polizeibeh­örden mit unterschie­dlichen Vorgaben. Die mächtige Polizeigew­erkschaft hat in der Vergangenh­eit fast jede Veränderun­g blockiert. Das Rechtssyst­em macht die Verurteilu­ng brutaler Beamter sehr schwierig. Und das Reformgese­tz können die Demokraten nicht ohne Unterstütz­ung der Republikan­er verabschie­den.

Ohnehin befinden sich die Demokraten in einem Dilemma. Zwar ist eine Mehrheit der Amerikaner laut Umfragen empört über die derzeit zutage tretende Brutalität bei den Ordnungskr­äften. Doch eine Auflösung der Polizei wäre nicht mehrheitsf­ähig und würde Trump willkommen­e Wahlkampfm­unition liefern. „Ich bin nicht dafür, der Polizei die Finanzieru­ng zu entziehen“, erklärte denn auch Präsidents­chaftskand­idat Joe Biden: „Ich unterstütz­e die Konditioni­erung von Bundeshilf­en für die Polizei an bestimmte Standards von Anstand, Ehre und den Nachweis, dass sie (…) jeden in der Gemeinde schützen können.“

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Foto: dpa Die Wut vieler Demonstran­ten richtet sich gegen die Polizei.

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