Rassismus gibt es auch in der deutschen Polizei
Der oberste Kämpfer der Bundesregierung gegen die Benachteiligung wegen Hautfarbe, Religion oder Geschlecht sieht Handlungsbedarf. Was er von den Bundesländern fordert
Berlin Die Gewalt der amerikanischen Polizei gegen Schwarze und die wütenden Proteste dagegen rücken auch die deutschen Ordnungshüter in den Fokus. Gibt es auch bei den Beamten hierzulande tief sitzende Vorurteile gegen Minderheiten und Menschen, die nicht weiß sind? Ja, sagt Bernhard Franke. Er steht an der Spitze der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, ist qua Amt oberster Kämpfer der Bundesregierung gegen das gesellschaftliche Übel. „Wenn Rassismus in allen gesellschaftlichen Bereichen vorkommt, wäre es weltfremd, wenn man die Polizei da ausnimmt“, meinte Franke bei der Vorstellung des Jahresberichts seiner Behörde am Dienstag.
Seit 2006, als die Stelle ihre Arbeit aufnahm, haben sich dort mehr als 200 Menschen darüber beschwert, dass sie von Polizisten allein wegen ihres Aussehens kontrolliert wurden (Racial Profiling). Franke verweist außerdem auf eine Untersuchung der hessischen Polizei aus diesem Jahr. Nach mehreren rechtsextremen Vorfällen wurden die Beamten zu ihren Einstellungen befragt. In der Studie gaben 18 Prozent an, dass sie schon einmal rassistische Äußerungen von Kollegen gehört hätten.
Franke forderte von den 16 Bundesländern, dass sie Ombudsstellen einrichten sollen, an die sich Betroffene wenden können. Verstöße würden häufiger gemeldet, wenn es eine gezielte Anlaufstelle gäbe, ist sich Franke sicher. Die Polizei in Deutschland sei nicht so rassismusresistent, „wie wir es gern hätten“, resümierte der Antidiskriminierungsbeauftragte.
Vorwürfe mussten sich die Sicherheitskräfte auch von SPD-Chefin Saskia Esken machen lassen. Sie beklagte einen latenten Rassismus bei einem kleinen Teil der Polizisten, wenngleich der Großteil nicht so denke. CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak hielt dagegen und kritisierte
Symbolfoto: Marius Becker, dpa vergangenen Jahren kontinuierlich erhöht. Im Jahresbericht 2018 wurde das auch damit begründet, dass Betroffene besser über ihre Rechte informiert sind und von der Beratungsmöglichkeit Gebrauch machten. Alle vier Jahre legt die Stelle dem Bundestag einen Bericht vor. das „undifferenzierte Pauschalurteil“Eskens. „Das ist das falsche politische Signal“, sagte Ziemiak. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hatte sich in der Vergangenheit wiederholt gegen einen Generalverdacht ausgesprochen.
Rassismus und Diskriminierung sind nicht nur auf die Polizei begrenzt. Alle Sphären der Gesellschaft sind damit durchseucht. Aktuell leiden wegen der Corona-Epidemie besonders Asiaten darunter oder Kinder von ursprünglich aus Asien stammenden Einwanderern. Der Antidiskriminierungsbeauftragte erzählt von Fällen, in denen Vermieter keine Zimmer an Asiaten vergeben, „um
3580 Hilferufe wegen Diskriminierung
sich nicht Corona ins Haus zu holen“. Beim Einkaufen oder auf der Straße begegneten Leute ihnen offen feindselig, weil das Virus aus China stamme.
Bernhard Franke und seine 30 Kollegen erreichten vergangenes Jahr 3580 Hilferufe wegen Benachteiligungen bei der Stellensuche, bei der Wohnungssuche, in der Schule oder im Restaurant. Das waren 125 Fälle mehr als 2018. Ein Drittel davon bezog sich auf rassistische Diskriminierung, gefolgt von der Zurücksetzung wegen des Geschlechts (29 Prozent). Auf Rang drei rangierte die Diskriminierung wegen einer Behinderung mit einem Viertel der Fälle. Die Zahl der Beschwerden wegen Rassismus hat sich seit 2015 verdoppelt.
Die Antidiskriminierungsstelle bietet Betroffenen eine rechtliche Erstberatung an, wie sie sich wehren können. Den Rechtsweg müssen Opfer allein beschreiten, weshalb viele diese Mühe scheuen. Franke fordert deshalb von der Koalition, dass seinem Amt und Antidiskriminierungsverbänden ein Klagerecht zuerkannt werden soll, um im Namen Einzelner vorgehen zu können.