Neuburger Rundschau

Rassismus gibt es auch in der deutschen Polizei

Der oberste Kämpfer der Bundesregi­erung gegen die Benachteil­igung wegen Hautfarbe, Religion oder Geschlecht sieht Handlungsb­edarf. Was er von den Bundesländ­ern fordert

- VON CHRISTIAN GRIMM

Berlin Die Gewalt der amerikanis­chen Polizei gegen Schwarze und die wütenden Proteste dagegen rücken auch die deutschen Ordnungshü­ter in den Fokus. Gibt es auch bei den Beamten hierzuland­e tief sitzende Vorurteile gegen Minderheit­en und Menschen, die nicht weiß sind? Ja, sagt Bernhard Franke. Er steht an der Spitze der Antidiskri­minierungs­stelle des Bundes, ist qua Amt oberster Kämpfer der Bundesregi­erung gegen das gesellscha­ftliche Übel. „Wenn Rassismus in allen gesellscha­ftlichen Bereichen vorkommt, wäre es weltfremd, wenn man die Polizei da ausnimmt“, meinte Franke bei der Vorstellun­g des Jahresberi­chts seiner Behörde am Dienstag.

Seit 2006, als die Stelle ihre Arbeit aufnahm, haben sich dort mehr als 200 Menschen darüber beschwert, dass sie von Polizisten allein wegen ihres Aussehens kontrollie­rt wurden (Racial Profiling). Franke verweist außerdem auf eine Untersuchu­ng der hessischen Polizei aus diesem Jahr. Nach mehreren rechtsextr­emen Vorfällen wurden die Beamten zu ihren Einstellun­gen befragt. In der Studie gaben 18 Prozent an, dass sie schon einmal rassistisc­he Äußerungen von Kollegen gehört hätten.

Franke forderte von den 16 Bundesländ­ern, dass sie Ombudsstel­len einrichten sollen, an die sich Betroffene wenden können. Verstöße würden häufiger gemeldet, wenn es eine gezielte Anlaufstel­le gäbe, ist sich Franke sicher. Die Polizei in Deutschlan­d sei nicht so rassismusr­esistent, „wie wir es gern hätten“, resümierte der Antidiskri­minierungs­beauftragt­e.

Vorwürfe mussten sich die Sicherheit­skräfte auch von SPD-Chefin Saskia Esken machen lassen. Sie beklagte einen latenten Rassismus bei einem kleinen Teil der Polizisten, wenngleich der Großteil nicht so denke. CDU-Generalsek­retär Paul Ziemiak hielt dagegen und kritisiert­e

Symbolfoto: Marius Becker, dpa vergangene­n Jahren kontinuier­lich erhöht. Im Jahresberi­cht 2018 wurde das auch damit begründet, dass Betroffene besser über ihre Rechte informiert sind und von der Beratungsm­öglichkeit Gebrauch machten. Alle vier Jahre legt die Stelle dem Bundestag einen Bericht vor. das „undifferen­zierte Pauschalur­teil“Eskens. „Das ist das falsche politische Signal“, sagte Ziemiak. Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) hatte sich in der Vergangenh­eit wiederholt gegen einen Generalver­dacht ausgesproc­hen.

Rassismus und Diskrimini­erung sind nicht nur auf die Polizei begrenzt. Alle Sphären der Gesellscha­ft sind damit durchseuch­t. Aktuell leiden wegen der Corona-Epidemie besonders Asiaten darunter oder Kinder von ursprüngli­ch aus Asien stammenden Einwandere­rn. Der Antidiskri­minierungs­beauftragt­e erzählt von Fällen, in denen Vermieter keine Zimmer an Asiaten vergeben, „um

3580 Hilferufe wegen Diskrimini­erung

sich nicht Corona ins Haus zu holen“. Beim Einkaufen oder auf der Straße begegneten Leute ihnen offen feindselig, weil das Virus aus China stamme.

Bernhard Franke und seine 30 Kollegen erreichten vergangene­s Jahr 3580 Hilferufe wegen Benachteil­igungen bei der Stellensuc­he, bei der Wohnungssu­che, in der Schule oder im Restaurant. Das waren 125 Fälle mehr als 2018. Ein Drittel davon bezog sich auf rassistisc­he Diskrimini­erung, gefolgt von der Zurücksetz­ung wegen des Geschlecht­s (29 Prozent). Auf Rang drei rangierte die Diskrimini­erung wegen einer Behinderun­g mit einem Viertel der Fälle. Die Zahl der Beschwerde­n wegen Rassismus hat sich seit 2015 verdoppelt.

Die Antidiskri­minierungs­stelle bietet Betroffene­n eine rechtliche Erstberatu­ng an, wie sie sich wehren können. Den Rechtsweg müssen Opfer allein beschreite­n, weshalb viele diese Mühe scheuen. Franke fordert deshalb von der Koalition, dass seinem Amt und Antidiskri­minierungs­verbänden ein Klagerecht zuerkannt werden soll, um im Namen Einzelner vorgehen zu können.

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In den USA toben Proteste gegen Polizeigew­alt und Rassismus. Auch deutsche Polizisten seien nicht so rassismusr­esistent, wie wir es gern hätten, warnt der Antidiskri­minierungs­beauftragt­e des Bundes.

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