Die Grenzen eines Ministers
Horst Seehofer kritisiert die AfD. Das darf er. Doch die Aussagen hätten nicht auf der Internetseite seines Hauses erscheinen dürfen
Karlsruhe Für den CSU-Politiker Horst Seehofer ist die AfD ein politischer Gegner, den er mit allen rhetorischen Mitteln bekämpft. Doch für den Bundesinnenminister Horst Seehofer gibt es in der Auseinandersetzung mit den Rechtspopulisten Grenzen. So lässt sich das Urteil zusammenfassen, mit dem das Bundesverfassungsgericht am Dienstag einer Klage der AfD stattgegeben hat. Seehofer hatte das Verhalten der Partei unter anderem als „staatszersetzend“bezeichnet und gesagt: „Die stellen sich gegen diesen Staat. Da können sie tausend Mal sagen, sie sind Demokraten.“Die Richter beanstandeten zwar nicht die Aussagen als solche, entschieden aber, dass Seehofer das Interview nicht auf der Internetseite seines Ministeriums hätte veröffentlichen dürfen.
Die Karlsruher Richter urteilten am Dienstag, dass der frühere CSUChef durch diese Verbreitung die AfD in ihrem Recht auf politische Chancengleichheit verletzt habe. Er habe im Meinungskampf staatliche Ressourcen genutzt, über die er nur wegen seines Amtes verfüge. Das verstoße gegen das Neutralitätsgebot. Direkte Konsequenzen für Seehofer hat dieses Urteil nicht. Der Text steht ohnehin schon lange nicht mehr auf der Internetseite.
Das Interview hatte Seehofer im September 2018 gegeben. Unmittelbar davor hatte die AfD-Fraktion versucht, im Bundestag den Haushalt des Bundespräsidenten diskutieren zu lassen. Ihr Vorwurf: Frank-Walter Steinmeier habe „für eine linksradikale Großveranstaltung“geworben, indem er ein Konzert gegen Rassismus der zeitweilig vom Verfassungsschutz beobachteten Linkspunkband Feine Sahne Fischfilet unterstützt hatte. Seehofer kommentierte das in dem Interview mit den Worten: „Das ist für unseren Staat hochgefährlich.“Man könne nicht „wie auf dem Jahrmarkt den Bundespräsidenten abkanzeln“. „Das ist staatszersetzend.“Der „Frontalangriff“auf den Bundespräsidenten sei „einfach schäbig“gewesen. Später bejahte er noch, dass die AfD radikaler geworden sei: „Die sind auf der Welle, auf der sie schwimmen, einfach übermütig geworden und haben auch dadurch die Maske fallen lassen.“
Nach der Veröffentlichung hatte das Ministerium den Text zu den anderen Medienberichten auf seine Homepage gestellt. Das allein wurde Seehofer nun zum Verhängnis – nicht der Inhalt des Interviews. Aus dem Gesamtzusammenhang werde klar, dass Seehofer als Parteipolitiker gesprochen habe, entschieden die Richter. Er sei auch zu Themen befragt worden, die nicht sein Ressort betreffen. Für den Innenminister Seehofer gelten allerdings strengere Grenzen.
„Die Zulässigkeit der Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung endet dort, wo Werbung für oder Einflussnahme gegen einzelne im politischen Wettbewerb stehende Parteien oder Personen beginnt“, sagte Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle. Auch Regierungsmitglieder sind zwar berechtigt, Angriffe gegen ihre Politik öffentlich zurückzuweisen. Dabei müssen sie aber sachlich bleiben.
Das Innenministerium will künftige Veröffentlichungen nun kritisch prüfen. Einerseits sei das schade, sagte der Parlamentarische Staatssekretär
Günter Krings (CDU). Das Gericht habe aber auch „in wirklich dankenswerter Klarheit festgestellt“, dass eine Teilnahme am politischen Meinungskampf für Politiker mit Regierungsamt weiterhin möglich sei – „auch mit pointierten, ja auch harten Äußerungen“.
AfD-Chef Jörg Meuthen nannte das Urteil einen „Beweis für einen funktionierenden Rechtsstaat“. Er moniere nicht, dass Seehofer sich in der Sache kritisch äußere. „Das, was Herr Seehofer da gemacht hat, war derbe Kritik. Aber wer viel austeilt, muss auch mal einstecken können.“Fraktionschefin Alice Weidel hingegen ging in die Offensive und forderte Seehofer zum Rücktritt auf: „Ein Innenminister als Verfassungsbrecher ist peinlich für das Kabinett und für das ganze Land“, sagte Weidel. (dpa/AZ)