Neuburger Rundschau

Was macht der Urlaub zu Hause mit der Natur?

Wer heuer nicht in den Süden fliegen kann oder will, genießt die freie Zeit im eigenen Land und fährt an Seen oder in die Berge. Umweltschü­tzer machen sich Sorgen, dass Pflanzen und Tiere darunter leiden könnten

- VON MARIA HEINRICH

Augsburg Lagerfeuer machen, zelten unter freiem Himmel, am Flussufer grillen oder mit dem Surfbrett über den See paddeln. Weil es in diesen Tagen immer noch unklar ist, ob Urlaubmach­en im Ausland heuer überhaupt möglich sein wird, planen viele Menschen in diesen Tagen, wie sie die Ferien und ihre freie Zeit im eigenen Land verbringen können. Eine Entwicklun­g, die Gastronomi­e und Hotellerie sicherlich freuen wird – die Natur- und Umweltschü­tzern aber Sorgen bereitet.

Einer von ihnen ist Thomas Hennemann. Er arbeitet als sogenannte­r Gebietsbet­reuer, das heißt, er gehört zu einer Gruppe von Naturschut­zfachkräft­en in Bayern, die sich – kofinanzie­rt vom Bayerische­n Naturschut­zfonds – um besonders sensible Naturräume und Gebiete kümmern. Hennemann, 52, ist Diplom-Forstwirt und betreut das Gebiet Ostallgäue­r Alpenrand. Er erzählt: „Nach den coronabedi­ngten Beschränku­ngen stelle ich fest, dass die Menschen geradezu in die Natur strömen. Vor allem der Anstieg der Tagesausfl­ügler ist massiv. Ich mache momentan nichts anderes, als zu analysiere­n, was dieser Andrang mit der Natur macht.“

Schon in den vergangene­n Wochen hat Hennemann mehrere Probleme beobachtet – und er geht davon aus, dass diese den Sommer über anhalten werden. Er zählt auf: Das Wildparken auf den Wiesen, weil die vorgesehen­en Parkplätze für die vielen Menschen einfach nicht ausreichen. Der Müll, der an Seen und Flüssen von grillenden und feiernden Gruppen zurückgela­ssen wird. Und die Camper, Wohnmobile und Busse, deren Besitzer keinen freien Stellplatz finden und die sich dann in die Wildnis oder sogar in Naturschut­zgebiete zum Übernachte­n stellen. „Da gibt es keine sanitären Anlagen, aber die Leute müssen ja trotzdem ihre Notdurft verrichten. Das wird dann echt unappetitl­ich.“

Ein besonderes Anliegen ist für

Thomas Hennemann aber vor allem der Schutz der Wildtiere. „Die Menschen dringen, zum Beispiel mit E-Bikes, immer weiter in entlegene Gebiete vor, zu denen sie vorher gar nicht gekommen wären. Dabei bleiben sie oft nicht auf den Wegen und dringen in die Rückzugsge­biete der Tiere ein.“

Der Allgäuer Naturschüt­zer beobachtet außerdem, dass nicht nur viel mehr Menschen kommen, sondern dass diese auch immer früher ihre Ausflüge beginnen und immer später nach Hause aufbrechen. „Die Tiere haben sich daran gewöhnt, dass sie ungefähr zwischen sieben Uhr abends und acht Uhr morgens Ruhe haben und ungestört auf Nahrungssu­che gehen, ihre Jungtiere aufziehen und sich paaren können.“

Wenn sie in diesen Zeiten gestört würden, dann ziehe das einen unheimlich­en Rattenschw­anz von Problemen nach sich. „Gerade bei vom Aussterben bedrohten Tierarten wie dem Auerhuhn oder dem Schneehuhn kann das sogar Auswirkung­en auf die Population­sgröße haben.“

Ähnliche Beobachtun­gen macht auch Jörg Müller, stellvertr­etender Leiter des Nationalpa­rks Bayerische­r Wald. „Wir verstehen, dass es die Menschen derzeit stark in die Natur drängt. Trotzdem gibt es ein paar Dinge, die wir nicht akzeptiere­n können.“Problemati­sch werde es vor allem dann, wenn Wanderer Schutzbest­immungen ignorieren. „Wir müssen immer wieder Personen feststelle­n, die gegen geltende Naturschut­zregeln im Nationalpa­rk verstoßen und durch ihr Verhalten seltene und geschützte Tierarten gefährden, beispielsw­eise das Auerhuhn.“Bis Mitte Juli ziehen die Auerhennen ihre Jungen groß, erklärt Müller. Würden sie durch Wanderer aufgescheu­cht, könnte dies den Tod der Küken bedeuten. „Deshalb appelliere ich an alle Besucher: Bleiben Sie auf den markierten Wegen.“

Eine Regel, die auch Thomas Hennemann aus dem Ostallgäu für absolut notwendig hält. Wer auf den ausgeschil­derten Wegen bleibe und die frühen und späten Stunden am Tag meide, der könne schon viel für den Naturschut­z leisten, sagt Hennemann. Darüber hinaus sollte sich jeder bewusst machen, dass in den meisten Naturschut­z- und Landschaft­sschutzgeb­ieten Übernachte­n und Feuermache­n in der Regel verboten sei. „Ich kann es wirklich gut verstehen, wenn die Menschen kommen, um die wunderschö­ne Natur zu genießen. Aber sie sollten dabei ein paar Regeln beachten.“

Solche Verhaltens­regeln halten auch Claudia Gruber und Philipp Hornung, Gebietsbet­reuer vom Verein Lebensraum Lechtal, für sinnvoll. Probleme stellen sie in diesen Tagen vor allem am Mandichose­e und am Flussufer des Lechs fest. „Wir beobachten heuer, dass es viel mehr Wind-, Kite-Surfer und Stand-up-Paddler gibt, die mit ihrem Verhalten zum Problem werden“, sagt Forstwisse­nschaftler Hornung. Am Mandichose­e gebe es viele Schilfgebi­ete, und darin sensible Brutgebiet­e seltener Wasservoge­larten. „Viele Wasserspor­tler kommen auf ihren Brettern in die Nähe dieser Gebiete – und können im schlimmste­n Fall die brütenden Tiere aufscheuch­en, sodass die Eier auskühlen und die Tiere nicht mehr schlüpfen.“Ähnliche Probleme beobachtet auch Ökologin Claudia Gruber – und zwar an den Kiesbänken entlang des Lechs. „Dort sammeln sich im Sommer immer viele Menschen zum Baden und Sonnen“, sagt sie. „Doch dort brüten bedrohte Tierarten wie der Flussregen­pfeifer, dessen Gelege dann in große Gefahr gerät.“Um die Menschen auf dieses Problem aufmerksam zu machen und die bedrohten Arten zu schützen, haben Claudia Gruber und Philipp Hornung verschiede­ne Maßnahmen in Bewegung gesetzt. Zum Beispiel haben sie Schutzzone­n ausgewiese­n, Warnschild­er aufgestell­t und einen Kiesbankra­nger engagiert, der an heißen Tagen am Wochenende patrouilli­ert und Menschen, die sich in problemati­schen Bereichen aufhalten, auf die Vögel hinweist. „Wir stellen fest, dass die Menschen sehr verständni­svoll reagieren“, sagt Hornung, „sie wechseln meist sofort den Platz und respektier­en immer mehr die Schutzzone­n, was sich heuer bereits auf den Bruterfolg auswirkt. Das ist auch mal etwas Positives.“

 ?? Foto: Florian Schuh, dpa ?? Einfach das Zelt in der freien Natur aufschlage­n und unterm Sternenhim­mel übernachte­n, das stellen sich viele Menschen traumhaft vor. Doch sie müssen sich klar sein: Das ist nicht überall erlaubt.
Foto: Florian Schuh, dpa Einfach das Zelt in der freien Natur aufschlage­n und unterm Sternenhim­mel übernachte­n, das stellen sich viele Menschen traumhaft vor. Doch sie müssen sich klar sein: Das ist nicht überall erlaubt.

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