Warten auf die Münchner Corona-Studie
Der Massentest soll Erkenntnisse über die Dunkelziffer liefern. Wann mit ersten Ergebnissen zu rechnen ist
München Fast genau zwei Monate ist es nun her, dass Bayerns Ministerpräsident Markus Söder auf einer Pressekonferenz eine Art bayerische Wissenschaftsoffensive angekündigt hat. Ein Bestandteil: Der Freistaat unterstützt eine Corona-Massenstudie, die herausfinden möchte, wie hoch die Dunkelziffer bei Infektionen mit dem Coronavirus ist. Erste Ergebnisse werde es schon in wenigen Tagen geben, sagte Söder damals. Diese Ankündigung war wohl etwas vorschnell. Denn die Studie läuft zwar seit dem 5. April, doch noch sind keine Ergebnisse da. Das ist auch nicht verwunderlich, da das Projekt ziemlich umfassend ist. Die Forscher des Instituts für Infektionsund Tropenmedizin am Uniklinikum der Ludwig-MaximiliansUniversität wollen die Bewohner von 3000 zufällig ausgewählten Münchner Haushalten testen. Und zwar darauf, ob sie gerade mit dem Coronavirus infiziert sind und ob sie Antikörper gegen das Virus in sich tragen. Bis zum 3. Juni hatte das Team 2900 Haushalte besucht und bei etwas über 5000 Personen Blutproben entnommen. Zusätzlich zu den Blutproben, die in Abständen von einigen Wochen immer wieder von denselben Personen genommen werden, füllen die Teilnehmer auch einen Online-Fragebogen aus. Grund für die Untersuchung ist die Feststellung, dass ein Großteil der Infizierten gar keine Symptome aufweist – also nie zum Arzt geht und auch nicht auf das Virus getestet wird. Wie hoch diese Dunkelziffer ist, lässt sich bisher nur schätzen. Die Forscher in München gehen davon aus, dass sie zwischen einem und zehn Prozent liegt. Genauere Zahlen erhoffen sie sich von der Massenuntersuchung.
Wie hoch die Dunkelziffer ist, hat einen großen Einfluss auf das Infektionsgeschehen. Um eine Herdenimmunität gegen das Virus auch ohne Impfstoff zu erreichen, müssten etwa 60 bis 70 Prozent der Bevölkerung Antikörper aufweisen. Je nachdem, wie hoch die Dunkelziffer ist, würde diese Zahl früher oder später erreicht. Beispiel München: Nach Daten der Stadt haben sich dort 6543 Personen mit dem Coronavirus infiziert. Das sind 0,42 Prozent der Münchner Gesamtbevölkerung. Je nachdem, wie hoch die Dunkelziffer ist, könnte die Zahl der Infizierten aber schon höher liegen.
Die Forscher gehen davon aus, dass sie Mitte Juni von etwas mehr als 6000 Personen Blutproben genommen haben werden. Ergebnisse könnten Ende Juni oder Anfang Juli vorliegen, heißt es vom Tropeninstitut. Allerdings ist noch nicht ganz klar, wie aussagekräftig diese Ergebnisse sein werden. Denn gerade wenn es darum geht, Antikörper gegen das Coronavirus im Blut nachzuweisen, gibt es noch keine Tests, die hundertprozentig zuverlässig funktionieren. Deshalb wollen die Forscher die Blutproben aufbewahren und – sobald ein zuverlässiger Test entwickelt worden ist – erneut untersuchen.