Italien verschließt sich
Familien von Corona-Toten wollen Gerechtigkeit. Doch die Politik blockt ab
Rom Die Angehörigen von zahlreichen Corona-Toten in Italien erheben schwere Vorwürfe gegen die Behörden. Zu viele Menschen seien wegen Fahrlässigkeit und Inkompetenz gestorben, berichtete die Gruppe Noi Denunceremo (Wir prangern an) in Rom. Sie setzt sich aus Familienmitgliedern von Menschen zusammen, die an der Lungenkrankheit gestorben sind.
Diesen Mittwoch wollten sie in der norditalienischen Stadt Bergamo symbolisch rund 50 Strafanzeigen gegen Unbekannt bei der Staatsanwaltschaft einreichen. „Wir wollen, dass jemand zurücktritt, dass sich jemand entschuldigt. Wir erwarten, dass jemand Verantwortung übernimmt, etwas, was bisher noch niemand getan hat“, sagte Cristina Longhini. Sie verlor in Bergamo ihren 65 Jahre alten Vater. Er sei Anfang März krank geworden, aber der
Hausarzt habe einen Besuch abgelehnt und eine Ambulanz sei tagelang nicht gekommen, um ihn ins Krankenhaus zu bringen. „Zu viele Patienten sind zu spät in Krankenhäuser gekommen, und das hat zu vielen Toten geführt.“
Die Provinz Bergamo war das Epizentrum der Corona-Krise in Italien. Weil die Krematorien nicht mehr alle Leichen verbrennen konnten, mussten die Särge mit Militärwagen abtransportiert werden. Vor allem an der Regionalregierung der Lombardei wurde Kritik laut, dass sie die Hotspots nicht früher abgeriegelt habe. Die Region weist die Vorwürfe zurück und verweist auf die Regierung in Rom, die eine solche Entscheidung treffen hätte müssen. Staatsanwaltschaften ermitteln bereits wegen Missmanagements etwa in Altersheimen, wo es besonders viele Opfer gab.