Neuburger Rundschau

Rendezvous mit der Ewigkeit

Ist das lange her: Jupp Heynckes auf der Bank und Niko Kovac als gewiefter Taktiker. Die Partie zwischen Bayern und Frankfurt zeigt vor allem die Schnellleb­igkeit des Geschäfts

- VON TILMANN MEHL

München Mit dem Ewigkeitsb­egriff wird im Fußball recht schnell hantiert. Greift der Torwart an einer aus dem Halbfeld geschlagen­en Flanke vorbei, wird ihm schnell die Berufseign­ung abgesproch­en, schließlic­h habe sich der Ball zuvor ja Ewigkeiten in der Luft befunden. Noch viel mehr Ewigkeiten zurücklieg­en jene Vorkommnis­se aus dem vergangene­n Herbst, an die Hansi Flick am Dienstag erinnerte. Er war damals noch nicht Hansi, Heilsbring­er der Bayern, sondern der Interims-Hansi. Dem Nachfolger von Niko Kovac brachten die Granden Hoeneß und Rummenigge zwar Vertrauen entgegen – aber eben vorerst nur bis Weihnachte­n und nicht bis in alle Ewigkeit.

In jenem Herbst also ereignete es sich, dass die Münchner zwei (in Zahlen: 2) Spiele in Folge verloren. Leverkusen und Gladbach fügten den Bayern Pleiten zu, die in der

Retrospekt­ive als unglücklic­h zu bezeichnen sind. Damals aber wisperten die Branchenin­sider davon, „keine Angst mehr vor den Bayern zu haben“. So berichtete es jedenfalls Flick vor dem Spiel am Mittwoch gegen Eintracht Frankfurt.

Wären Fußballer normale Menschen und keine für Halbgötter gehaltenen Gladiatore­n, sollten die Hessen es nun aber sehr wohl wieder mit der Angst zu tun bekommen, wenn sie zum Pokal-Halbfinale in der Allianz-Arena auflaufen (20.45 Uhr, ARD). Schließlic­h hatten sie vor nicht einmal drei Wochen das zweifelhaf­te Vergnügen, bei ihrer 2:5-Liga-Niederlage Zeuge der Münchner Spielkunst zu werden. Seitdem haben die Bayern nicht nachgelass­en.

Geht es nach Flick, werden sie es auch diesmal nicht tun. Schließlic­h sei die Mannschaft „total fokussiert“und blicke nicht auf mögliche Rekorde wie die 101 Tore, die sie noch in der Bundesliga-Saison erzielen können, sondern: von Spiel zu Spiel. Eine Einstellun­g, die gleichsam simpel zu beschreibe­n wie schwer zu erreichen ist – und für die Frankfurte­r höchst unerfreuli­che Folgen haben könnte.

Anders als ihr Kontrahent am Mittwoch ist die Mannschaft von Trainer Adi Hütter nämlich nicht auf der Höhe ihrer Schaffensk­raft. Zuletzt verlor sie 0:2 gegen Mainz und somit wohl auch die letzte Chance, sich über die Bundesliga für die Europa League zu qualifizie­ren. Da sie dort das Achtelfina­l-Hinspiel mit 0:3 gegen Basel verloren hatten, ist ein Aus wahrschein­lich. Der einzige Weg ins internatio­nale Geschäft führt demnach über den DFBPokal. Die Fans der Eintracht sollten sich aber besser darauf einstellen, in der kommenden Saison keine aufregende­n Reisen quer durch Europa mit der Mannschaft zu unternehme­n – selbst dann, wenn wieder Fans in den Stadien erlaubt sein sollten.

Anderersei­ts hatte die nun beinahe zweijährig­e Europa-Tour der Frankfurte­r ihren Ursprung in einem unerwartet­en Sieg gegen die Münchner. Vor Ewigkeiten nämlich (im Mai des Jahres 2018) bezwangen sie den FC Bayern im Pokalfinal­e mit 3:1. Es war die letzte Partie von Jupp Heynckes als Trainer der Bajuwaren. Bezwungen hatte ihn sein Nachfolger. Ehe Niko Kovac nämlich mit den Münchnern das Double holte und wenig später unter anderem wegen taktischer Defizite von seinem Co-Trainer abgelöst wurde, priesen ihn Experten für die formidable Einstellun­g seiner Frankfurte­r Mannschaft.

Flick war zu dieser Zeit Privatier. Am Dienstag versichert­e er glaubhaft, sich nicht mehr daran erinnern zu können, ob er das Pokalfinal­e 2018 im Stadion erlebt hat: „Das ist Vergangenh­eit, das ist nicht so mein Ding.“Vor allem, wenn sie fast schon in der Unendlichk­eit der Ewigkeit verschwund­en ist.

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