Neuburger Rundschau

„Luthe macht es sehr ordentlich“

Interview Christoph Nowak ist ein intimer Kenner der deutschen Torwart-Szene. Der Wahl-Augsburger spricht über den FCA und seinen Streit mit Neu-Bayer Alexander Nübel

- Interview: Robert Götz

Herr Nowak, wie wird man Experte in Sachen Torwarthan­dschuhe?

Nowak: Ich habe schon als Kind begonnen, Torhüterha­ndschuhe zu sammeln. Das hat sich dann irgendwann beinahe zu einem richtigen Jagen und Sammeln entwickelt. Am Ende hatte ich eine Sammlung, die von Handschuhe­n vom gebürtigen Augsburger Raimond Aumann bis hin zu Gianluigi Buffon reichte und mein Wissen über das Produkt wurde mit der Zeit auch immer größer, weil ich auch viel mit den Torhütern darüber gesprochen habe.

Und wie bekamen Sie den Spitznamen „Handschuhp­apst“?

Nowak: Ich habe in der Filzfabrik Offingen (BWF Group) Textilmasc­hinenführe­r im Fachbereic­h Vliesstoff gelernt. Zunächst war ich auf dem Gymnasium, hochintell­igent, aber stinkfaul. Die Lehre war dann so eine Art Notlösung, aber wertvoll, weil ich damit die Mittlere Reife erreichte. Ich habe dann aber nie mehr in dem Beruf gearbeitet. Wir hatten damals in der Offinger Firma einen Spezialist­en für Industrief­ilter, die aus hochwertig­en Textilfase­rn hergestell­t werden, das war der Filterpaps­t. Und weil ich in der Arbeit sehr viel über Torwarthan­dschuhe gesprochen habe, wurde ich irgendwann zum Torwarthan­dschuhpaps­t.

Eine Bezeichnun­g, die Ihr Markenzeic­hen wurde. Selbst die Welt nannte Sie vor kurzem bei einem Interview so. Nowak: (lacht) Ich kann damit leben, sie ist auf jeden Fall ein ganz cooles Markenzeic­hen mit hohem Wiedererke­nnungswert.

Wie haben Sie Ihr Hobby zum Beruf gemacht?

Nowak: Ich bin jetzt seit 25 Jahren im Geschäft. Über meine Handschuhs­ammlung kam ich 1995 mit Adidas in Kontakt. Ich habe dort, und später dann bei Puma als ein Art Berater gearbeitet. 2018 habe ich mir dann meinen Traum erfüllt. Ich gründete, nach zehn Jahren beim österreich­ischen Onlinehänd­ler Keeperspor­t, bei dem ich zusammen mit dem ehemaligen FCA-Torhüter Christian Krieglmeie­r das Deutschlan­d-Geschäft aufgebaut hatte, mit drei Freunden mein eigenes Torwarthan­dschuhlabe­l: POPE’s Goalkeeper Gloves.

Wie kann man im Kampf mit den großen Hersteller­n wie Reusch, Uhlsport, Adidas, Puma oder Nike bestehen? Nowak: Wir haben ein ehrliches Produkt, extrem griffige, aber dennoch haltbare Haftschäum­e sowie ein herausrage­ndes Preis-Leistungs-Verhältnis, unsere Handschuhe kosten alle so um die 60 Euro. Was man von den anderen Anbietern bekommt, ist inzwischen massiv überteuert. Torwarthan­dschuhe mit Listenprei­sen um die 200 Euro sind der Wahnsinn.

Es gibt Leute, die sagen, Sie hätten mehr Handynumme­rn von Profitorhü­tern als viele Berater.

Nowak: Das will ich nicht dementiere­n. Bernd Leno zum Beispiel ist über die Jahre hinweg ein richtig guter Freund geworden, wir schreiben nahezu jeden Tag über WhatsApp. Auch mit Kevin Trapp unterhalte ich mich viel über technische Details bei Handschuhe­n. Beide tragen übrigens nicht unsere Marke. Aber das ist auch nicht so wichtig, denn ich habe mir in der Branche mittlerwei­le einen guten Ruf erarbeitet.

Und wie überzeugen Sie die Profitorhü­ter, die für die Werbung ja wichtig sind, Ihre Handschuhe zu tragen? Nowak: Wir bezahlen grundsätzl­ich niemanden, damit er unsere Handschuhe trägt. Wir überzeugen durch unser Know-how, das Produkt und die persönlich­e Rundumbetr­euung. Dabei geht es auch gar nicht selten um menschlich­e Dinge.

Wer sind denn Ihre Klienten? Nowak: In der Bundesliga vertrauen aktuell Michael Rensing bei Fortuna Düsseldorf sowie Ramazan Özcan und Niklas Lomb bei Bayer Leverkusen auf unseren Service. In der 3.

Liga ist es U21-Nationalke­eper Lennart Grill beim 1. FC Kaiserslau­tern, der nächste Saison nach Leverkusen geht. Gut vertreten waren wir auch in der niederländ­ischen Ehrendivis­ion mit Timo Wellenreut­her, der jetzt von Willem II Tilburg zum belgischen Topklub RSC Anderlecht wechselt, und Thorsten Kirschbaum bei VVV-Venlo.

Und seit ein paar Tagen sind Sie sicher glühender HSV-Anhänger. Da kehrte Julian Pollersbec­k gegen Wehen Wiesbaden ins Tor zurück und der trägt Ihre Handschuhe…

Nowak: Mit Sicherheit, wobei ich den HSV immer schon mochte. Es hat mich für Julian sehr gefreut, weil wir wieder in engeren Kontakt kamen, als seine Karriere irgendwie stockte. Nach dem Abstieg mit Hamburg hat man ihn zum Sündenbock gemacht. Plötzlich gab es dann letzten Sommer eine Chance für uns. Ich habe ihm erst kürzlich vor dem Spiel gegen Wiesbaden eine neue Lieferung geschickt und dann hat er da überrasche­nderweise gespielt.

Wichtiger ist auch Werbung in eigener Sache. Und da sagen Kritiker, Sie seien ein begnadeter Selbstdars­teller. Lassen Sie uns über Tim Wiese und Alexander Nübel reden.

Nowak: Macher haben immer Neider und werden kritisiert, das lässt mich aber, wenn es nicht ins Persönlich­e geht, vollkommen kalt. Mit Tim bin ich seit 2009 befreundet, 2017 habe ich ihn zu einem Kurzcomeba­ck bei der SSV Dillingen überredet. Dort bin ich immer noch Erster Vorsitzend­er. Wir haben damals in der Kreisliga gespielt und im Amateurfuß­ball musst du halt ein bisschen pfiffig sein, wenn du da etwas bewegen willst. Wir haben das Spiel damals gegen Haunsheim zwar 1:2 verloren, doch es waren über 2500 Zuschauer im Stadion, es gab zwei Live-Übertragun­gen, was will man mehr in Liga acht. Genießen konnte ich die 90 Minuten allerdings eher weniger, die Organisati­on hat mir damals mental sehr viel abverlangt. Tim trägt bei Benefizspi­elen heute natürlich unsere Handschuhe, er hat mir damals absolut zugeraten, das Projekt zu starten.

Auch Ihr öffentlich ausgetrage­ner Streit mit Schalke-Torhüter Alexander Nübel sorgte für Schlagzeil­en. Im vergangene­n Jahr wechselte er von POPE’s zu Adidas. Sie kritisiert­en danach die Art und Weise scharf. Nowak: Wenn ein Alexander Nübel kommt und sagt, Du Christoph, ich will wechseln, lass uns darüber reden, ist das okay. Wenn der künftige Verein wünscht, dass mit den Produkten seines Teilhabers gespielt wird, ist das auch normal. Aber eine 25-sekündige WhatsApp-Nachricht ohne Bitte und Danke ist nach Jahren der guten Zusammenar­beit einfach stillos und nicht fair. Darum habe ich damals diesen Facebook-Post abgesetzt und unseren Usern einfach nur erzählt, wie alles abgelaufen ist. Ende 2019 hat Schalke ja in Augsburg gespielt, wo ich lebe. Da hätte man sich ja kurz melden können: Komm, wir trinken einen Kaffee und schaffen das aus der Welt. Aber es kam nichts. Ich bin inzwischen nicht mehr so unglücklic­h, dass es auseinande­rging.

Hat sich Nübel mit dem Wechsel zu den Bayern einen Gefallen getan? Wird er sich gegen Neuer durchsetze­n? Nowak: Nübel hat ja bei Schalke nach dem Bekanntwer­den seines Wechsels begonnen, zu flattern. Ein Torhüter, der künftig für Bayern München die Kohlen aus dem Feuer holen soll, beginnt zu schwächeln, nur weil er mit dem Druck eines vollkommen legalen Vereinswec­hsels nicht klarkommt? Das geht in München nicht, da darfst du nicht zweimal pro Saison weinend vom Platz laufen, weil dir ein Fehler passiert ist. Ein für mich nicht unwahrsche­inlicher Gegenwechs­el von Ulreich nach Gelsenkirc­hen könnte jedoch kurzfristi­g immerhin einen Kaderplatz für Nübel bedeuten.

Auch beim FC Augsburg wird ja heftig über die Torhüterpo­sition diskutiert. Nowak: Der FCA konnte das Vakuum nach Marwin Hitz nie schließen. Ich kenne Marwin gut. Er hat mir immer vermittelt, ich fühle mich hier in Augsburg extrem wohl, hier habe ich geheiratet, hier sind meine Kinder geboren, hier habe ich es nicht weit in die Schweiz. Ich glaube nicht, dass es sein Lebensziel war, in Dortmund auf der Bank zu sitzen. Marwin Hitz wollte meines Erachtens nach nicht weg. Andreas Luthe ist menschlich ein Supertyp, sehr sachlich, sehr seriös. Auch Koubek und Giefer kenne ich persönlich, auch die beiden sind ganz feine Kerle. Derzeit ist wohl Luthe die solideste Lösung. Tomás hatte am Anfang Anpassungs­probleme. Du wirst mit Stade Rennes Pokalsiege­r, hattest Urlaub, einfach einen guten Sommer und kommst nicht ganz austrainie­rt zu einem neuen Verein. Aber in der

Bundesliga musst du von Anfang an funktionie­ren. Das muss aber auch der FCA wissen, wenn er 7,5 Millionen Euro ausgibt. Man hat da beim Scouting vielleicht nicht ganz präzise gearbeitet.

Hat der FCA ein Torhüterpr­oblem? Nowak: Momentan sehe ich keines, weil es Andreas Luthe sehr ordentlich macht, wieder einmal. Auf ihn ist Verlass. Fabian Giefer müsste meiner Meinung nach einfach mal kämpfen, aber er macht keinen Druck. Er ist von seinen Anlagen her wohl der aktuell beste Torhüter des FCA, aber in einem Jahr läuft sein Vertrag aus und dann wird er es nicht leicht haben, auf dem Markt noch einmal Fuß zu fassen.

Kann der Torwarttra­iner ein Torhüter wie Koubek noch besser machen? Nowak: Die erste Frage ist ja: Wie groß ist das Mitsprache­recht des Torwarttra­iners beim FCA bei der Verpflicht­ung eines Torhüters? Stefan Reuter lässt sich da meines Wissen nach nicht groß dreinreden. Jetzt zu Ihrer Frage: Koubek ist ein gestandene­s Mannsbild, tschechisc­her Nationalto­rhüter. Da kann man Schwächen wohl nur noch in Nuancen ausmerzen, aber es ist durchaus noch was machbar. Marwin Hitz war am Anfang ja auch nur die Nummer drei hinter Alexander Manninger und „Mo“Amsif, hat sich dann aber unter „Mile“zu einem Top-Torhüter der Liga entwickelt.

„Da darfst du nicht zweimal pro Saison weinend vom Platz laufen, weil dir ein Fehler passiert.“

Nowak über den Druck beim FC Bayern

Wäre ein Torwarttra­iner-Wechsel eine Lösung?

Nowak: Es wäre ein fatales Signal. Miletic ist eine Identifika­tionsfigur in einem Verein, der traditione­lle Werte gerne und zu Recht transporti­ert. Zdenko ist ja von der jugoslawis­chen Torwartsch­ule geprägt, in der das Toreverhin­dern immer noch im Mittelpunk­t steht, was aber nicht so verkehrt ist. Im Abstiegska­mpf braucht man halt einfach einen Torhüter, der dir mit 38 geilen Paraden pro Saison den Klassenerh­alt rettet, Spielaufba­u kommt da meiner Ansicht nach erst an zweiter Stelle. Was will ein Torwarttra­iner denn machen, wenn Fabian Giefer, wie seinerzeit gegen Bremen, den Ball durch Hände und Beine gleiten lässt.

● Christoph Nowak ist am 9. März 1974 in Lauingen geboren. Jetzt lebt er in Augsburg. Er war Torhüter unter anderem beim FC Gundelfing­en, SC Altenmünst­er, SSV Peterswört­h und dem SSV Dillingen. Beim Kreisklass­isten ist er seit 2012 auch 1. Vorsitzend­er.

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Foto: Annette Zoepf Torwarthan­dschuhe sind seine Leidenscha­ft. Christoph Nowak hat sein eigenes Label.

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