„Luthe macht es sehr ordentlich“
Interview Christoph Nowak ist ein intimer Kenner der deutschen Torwart-Szene. Der Wahl-Augsburger spricht über den FCA und seinen Streit mit Neu-Bayer Alexander Nübel
Herr Nowak, wie wird man Experte in Sachen Torwarthandschuhe?
Nowak: Ich habe schon als Kind begonnen, Torhüterhandschuhe zu sammeln. Das hat sich dann irgendwann beinahe zu einem richtigen Jagen und Sammeln entwickelt. Am Ende hatte ich eine Sammlung, die von Handschuhen vom gebürtigen Augsburger Raimond Aumann bis hin zu Gianluigi Buffon reichte und mein Wissen über das Produkt wurde mit der Zeit auch immer größer, weil ich auch viel mit den Torhütern darüber gesprochen habe.
Und wie bekamen Sie den Spitznamen „Handschuhpapst“?
Nowak: Ich habe in der Filzfabrik Offingen (BWF Group) Textilmaschinenführer im Fachbereich Vliesstoff gelernt. Zunächst war ich auf dem Gymnasium, hochintelligent, aber stinkfaul. Die Lehre war dann so eine Art Notlösung, aber wertvoll, weil ich damit die Mittlere Reife erreichte. Ich habe dann aber nie mehr in dem Beruf gearbeitet. Wir hatten damals in der Offinger Firma einen Spezialisten für Industriefilter, die aus hochwertigen Textilfasern hergestellt werden, das war der Filterpapst. Und weil ich in der Arbeit sehr viel über Torwarthandschuhe gesprochen habe, wurde ich irgendwann zum Torwarthandschuhpapst.
Eine Bezeichnung, die Ihr Markenzeichen wurde. Selbst die Welt nannte Sie vor kurzem bei einem Interview so. Nowak: (lacht) Ich kann damit leben, sie ist auf jeden Fall ein ganz cooles Markenzeichen mit hohem Wiedererkennungswert.
Wie haben Sie Ihr Hobby zum Beruf gemacht?
Nowak: Ich bin jetzt seit 25 Jahren im Geschäft. Über meine Handschuhsammlung kam ich 1995 mit Adidas in Kontakt. Ich habe dort, und später dann bei Puma als ein Art Berater gearbeitet. 2018 habe ich mir dann meinen Traum erfüllt. Ich gründete, nach zehn Jahren beim österreichischen Onlinehändler Keepersport, bei dem ich zusammen mit dem ehemaligen FCA-Torhüter Christian Krieglmeier das Deutschland-Geschäft aufgebaut hatte, mit drei Freunden mein eigenes Torwarthandschuhlabel: POPE’s Goalkeeper Gloves.
Wie kann man im Kampf mit den großen Herstellern wie Reusch, Uhlsport, Adidas, Puma oder Nike bestehen? Nowak: Wir haben ein ehrliches Produkt, extrem griffige, aber dennoch haltbare Haftschäume sowie ein herausragendes Preis-Leistungs-Verhältnis, unsere Handschuhe kosten alle so um die 60 Euro. Was man von den anderen Anbietern bekommt, ist inzwischen massiv überteuert. Torwarthandschuhe mit Listenpreisen um die 200 Euro sind der Wahnsinn.
Es gibt Leute, die sagen, Sie hätten mehr Handynummern von Profitorhütern als viele Berater.
Nowak: Das will ich nicht dementieren. Bernd Leno zum Beispiel ist über die Jahre hinweg ein richtig guter Freund geworden, wir schreiben nahezu jeden Tag über WhatsApp. Auch mit Kevin Trapp unterhalte ich mich viel über technische Details bei Handschuhen. Beide tragen übrigens nicht unsere Marke. Aber das ist auch nicht so wichtig, denn ich habe mir in der Branche mittlerweile einen guten Ruf erarbeitet.
Und wie überzeugen Sie die Profitorhüter, die für die Werbung ja wichtig sind, Ihre Handschuhe zu tragen? Nowak: Wir bezahlen grundsätzlich niemanden, damit er unsere Handschuhe trägt. Wir überzeugen durch unser Know-how, das Produkt und die persönliche Rundumbetreuung. Dabei geht es auch gar nicht selten um menschliche Dinge.
Wer sind denn Ihre Klienten? Nowak: In der Bundesliga vertrauen aktuell Michael Rensing bei Fortuna Düsseldorf sowie Ramazan Özcan und Niklas Lomb bei Bayer Leverkusen auf unseren Service. In der 3.
Liga ist es U21-Nationalkeeper Lennart Grill beim 1. FC Kaiserslautern, der nächste Saison nach Leverkusen geht. Gut vertreten waren wir auch in der niederländischen Ehrendivision mit Timo Wellenreuther, der jetzt von Willem II Tilburg zum belgischen Topklub RSC Anderlecht wechselt, und Thorsten Kirschbaum bei VVV-Venlo.
Und seit ein paar Tagen sind Sie sicher glühender HSV-Anhänger. Da kehrte Julian Pollersbeck gegen Wehen Wiesbaden ins Tor zurück und der trägt Ihre Handschuhe…
Nowak: Mit Sicherheit, wobei ich den HSV immer schon mochte. Es hat mich für Julian sehr gefreut, weil wir wieder in engeren Kontakt kamen, als seine Karriere irgendwie stockte. Nach dem Abstieg mit Hamburg hat man ihn zum Sündenbock gemacht. Plötzlich gab es dann letzten Sommer eine Chance für uns. Ich habe ihm erst kürzlich vor dem Spiel gegen Wiesbaden eine neue Lieferung geschickt und dann hat er da überraschenderweise gespielt.
Wichtiger ist auch Werbung in eigener Sache. Und da sagen Kritiker, Sie seien ein begnadeter Selbstdarsteller. Lassen Sie uns über Tim Wiese und Alexander Nübel reden.
Nowak: Macher haben immer Neider und werden kritisiert, das lässt mich aber, wenn es nicht ins Persönliche geht, vollkommen kalt. Mit Tim bin ich seit 2009 befreundet, 2017 habe ich ihn zu einem Kurzcomeback bei der SSV Dillingen überredet. Dort bin ich immer noch Erster Vorsitzender. Wir haben damals in der Kreisliga gespielt und im Amateurfußball musst du halt ein bisschen pfiffig sein, wenn du da etwas bewegen willst. Wir haben das Spiel damals gegen Haunsheim zwar 1:2 verloren, doch es waren über 2500 Zuschauer im Stadion, es gab zwei Live-Übertragungen, was will man mehr in Liga acht. Genießen konnte ich die 90 Minuten allerdings eher weniger, die Organisation hat mir damals mental sehr viel abverlangt. Tim trägt bei Benefizspielen heute natürlich unsere Handschuhe, er hat mir damals absolut zugeraten, das Projekt zu starten.
Auch Ihr öffentlich ausgetragener Streit mit Schalke-Torhüter Alexander Nübel sorgte für Schlagzeilen. Im vergangenen Jahr wechselte er von POPE’s zu Adidas. Sie kritisierten danach die Art und Weise scharf. Nowak: Wenn ein Alexander Nübel kommt und sagt, Du Christoph, ich will wechseln, lass uns darüber reden, ist das okay. Wenn der künftige Verein wünscht, dass mit den Produkten seines Teilhabers gespielt wird, ist das auch normal. Aber eine 25-sekündige WhatsApp-Nachricht ohne Bitte und Danke ist nach Jahren der guten Zusammenarbeit einfach stillos und nicht fair. Darum habe ich damals diesen Facebook-Post abgesetzt und unseren Usern einfach nur erzählt, wie alles abgelaufen ist. Ende 2019 hat Schalke ja in Augsburg gespielt, wo ich lebe. Da hätte man sich ja kurz melden können: Komm, wir trinken einen Kaffee und schaffen das aus der Welt. Aber es kam nichts. Ich bin inzwischen nicht mehr so unglücklich, dass es auseinanderging.
Hat sich Nübel mit dem Wechsel zu den Bayern einen Gefallen getan? Wird er sich gegen Neuer durchsetzen? Nowak: Nübel hat ja bei Schalke nach dem Bekanntwerden seines Wechsels begonnen, zu flattern. Ein Torhüter, der künftig für Bayern München die Kohlen aus dem Feuer holen soll, beginnt zu schwächeln, nur weil er mit dem Druck eines vollkommen legalen Vereinswechsels nicht klarkommt? Das geht in München nicht, da darfst du nicht zweimal pro Saison weinend vom Platz laufen, weil dir ein Fehler passiert ist. Ein für mich nicht unwahrscheinlicher Gegenwechsel von Ulreich nach Gelsenkirchen könnte jedoch kurzfristig immerhin einen Kaderplatz für Nübel bedeuten.
Auch beim FC Augsburg wird ja heftig über die Torhüterposition diskutiert. Nowak: Der FCA konnte das Vakuum nach Marwin Hitz nie schließen. Ich kenne Marwin gut. Er hat mir immer vermittelt, ich fühle mich hier in Augsburg extrem wohl, hier habe ich geheiratet, hier sind meine Kinder geboren, hier habe ich es nicht weit in die Schweiz. Ich glaube nicht, dass es sein Lebensziel war, in Dortmund auf der Bank zu sitzen. Marwin Hitz wollte meines Erachtens nach nicht weg. Andreas Luthe ist menschlich ein Supertyp, sehr sachlich, sehr seriös. Auch Koubek und Giefer kenne ich persönlich, auch die beiden sind ganz feine Kerle. Derzeit ist wohl Luthe die solideste Lösung. Tomás hatte am Anfang Anpassungsprobleme. Du wirst mit Stade Rennes Pokalsieger, hattest Urlaub, einfach einen guten Sommer und kommst nicht ganz austrainiert zu einem neuen Verein. Aber in der
Bundesliga musst du von Anfang an funktionieren. Das muss aber auch der FCA wissen, wenn er 7,5 Millionen Euro ausgibt. Man hat da beim Scouting vielleicht nicht ganz präzise gearbeitet.
Hat der FCA ein Torhüterproblem? Nowak: Momentan sehe ich keines, weil es Andreas Luthe sehr ordentlich macht, wieder einmal. Auf ihn ist Verlass. Fabian Giefer müsste meiner Meinung nach einfach mal kämpfen, aber er macht keinen Druck. Er ist von seinen Anlagen her wohl der aktuell beste Torhüter des FCA, aber in einem Jahr läuft sein Vertrag aus und dann wird er es nicht leicht haben, auf dem Markt noch einmal Fuß zu fassen.
Kann der Torwarttrainer ein Torhüter wie Koubek noch besser machen? Nowak: Die erste Frage ist ja: Wie groß ist das Mitspracherecht des Torwarttrainers beim FCA bei der Verpflichtung eines Torhüters? Stefan Reuter lässt sich da meines Wissen nach nicht groß dreinreden. Jetzt zu Ihrer Frage: Koubek ist ein gestandenes Mannsbild, tschechischer Nationaltorhüter. Da kann man Schwächen wohl nur noch in Nuancen ausmerzen, aber es ist durchaus noch was machbar. Marwin Hitz war am Anfang ja auch nur die Nummer drei hinter Alexander Manninger und „Mo“Amsif, hat sich dann aber unter „Mile“zu einem Top-Torhüter der Liga entwickelt.
„Da darfst du nicht zweimal pro Saison weinend vom Platz laufen, weil dir ein Fehler passiert.“
Nowak über den Druck beim FC Bayern
Wäre ein Torwarttrainer-Wechsel eine Lösung?
Nowak: Es wäre ein fatales Signal. Miletic ist eine Identifikationsfigur in einem Verein, der traditionelle Werte gerne und zu Recht transportiert. Zdenko ist ja von der jugoslawischen Torwartschule geprägt, in der das Toreverhindern immer noch im Mittelpunkt steht, was aber nicht so verkehrt ist. Im Abstiegskampf braucht man halt einfach einen Torhüter, der dir mit 38 geilen Paraden pro Saison den Klassenerhalt rettet, Spielaufbau kommt da meiner Ansicht nach erst an zweiter Stelle. Was will ein Torwarttrainer denn machen, wenn Fabian Giefer, wie seinerzeit gegen Bremen, den Ball durch Hände und Beine gleiten lässt.
● Christoph Nowak ist am 9. März 1974 in Lauingen geboren. Jetzt lebt er in Augsburg. Er war Torhüter unter anderem beim FC Gundelfingen, SC Altenmünster, SSV Peterswörth und dem SSV Dillingen. Beim Kreisklassisten ist er seit 2012 auch 1. Vorsitzender.