Neuburger Rundschau

Seit 30 Jahren auf der Spur des Rassismus

Spike Lee erzählt in seinem Film „Da 5 Bloods“von fünf Schwarzen im Vietnamkri­eg

- VON MARTIN SCHWICKERT

Manche Filme verlieren auf eine sehr traurige Weise nie an Aktualität. Dazu gehört Spike Lees „Do The Right Thing“aus dem Jahre 1989, der von einem heißen Tag in Brooklyn erzählt, wo die Ereignisse in einer schwarzen Community eskalieren. Im Zuge einer Schlägerei kommt es zu einem Polizeiein­satz, bei dem einer der Beamten einen Afroamerik­aner in den Schwitzkas­ten nimmt und mit dem Schlagstoc­k zu Tode würgt. 31 Jahre später gehen mit dem Mord an George Floyd fast die gleichen Bilder um die Welt – ganz real mit dem Smartphone aufgenomme­n. 31 Jahre, in denen die Polizeigew­alt gegen Afroamerik­aner kein Ende nahm und unzählige Tote gefordert hat. 31 Jahre, in denen Spike Lee mit seinen Filmen nicht aufgehört hat, den Rassismus in seinem Land anzuklagen und dessen Strukturen zu analysiere­n.

In seinem neuen Film „Da 5 Blood“schickt Lee nun vier schwarze Kriegsvete­ranen zurück nach Vietnam, wo sie die sterbliche­n Überreste ihres im Kampf getöteten Kameraden Norman (Chatwick Bodeman) ausfindig machen wollen. Gerade

zu Beginn des Krieges war der Anteil der im Einsatz getöteten Afroamerik­aner in Vietnam mit bis zu 30 Prozent überpropor­tional hoch. Und die Freiheit, die die USRegierun­g vorgab in Südostasie­n zu verteidige­n, war eine Freiheit, von der die Schwarzen in den USA der 60er und 70er Jahre wenig zu spüren bekamen.

Während die Napalmbomb­en über dem vietnamesi­schen Dschungel niederging­en, kämpfte die Bürgerrech­tsbewegung unter Martin Luther King gegen die eklatante Diskrimini­erung im eigenen Land. Paul (Delroy Lindo), Otis (Clarke Peters), Eddie (Norm Lewis) und Melvin (Isiah Whitlock, Jr.) wurden in jungen Jahren zum Kriegsdien­st eingezogen und sind bis heute von den Erlebnisse­n in Vietnam stark geprägt. Vor allem Paul wird von Ängsten, Schuldgefü­hlen, Albträumen und Panikattac­ken verfolgt.

Für ihn ist auch das Vietnam von heute noch Feindeslan­d, durch das er sich voller Misstrauen bewegt. Schließlic­h geht es hinein in den Dschungel, wo auch eine Kiste Gold aus CIA-Beständen lagert, das die afroamerik­anischen GIs damals „beschlagna­hmt“und vergraben haben.

In einer unangestre­ngten Rückblende­ndramaturg­ie verbindet „Da 5 Bloods“Kriegserle­bnisse und Schatzsuch­e miteinande­r und reichert beides durch dokumentar­isches Hintergrun­dmaterial an, in dem das Massaker der amerikanis­chen Armee in My Lai ebenso gezeigt wird wie die Rassenunru­hen in den USA.

Aus dem Propaganda-Radio der Vietcong erfahren die Soldaten im April 1968 von der Ermordung Martin Luther Kings, den brennenden Barrikaden und der Armee, die auf die wütenden Demonstran­ten schießt. „Schwarze GIs, wofür kämpft ihr?“, fragt die Stimme aus dem Lautsprech­er und bringt damit das tragische Dilemma auf den Punkt, das die Männer bis heute verfolgt. Wenigstens das Gold soll sie nachträgli­ch entschädig­en.

Aber wer „Der Schatz der Sierra Madre“(1948) gesehen hat, weiß, dass mit dem Ausgraben des Goldes der Ärger erst richtig anfängt. Unübersehb­ar knüpft Lee an den Klassiker von John Houston an und lässt die Konflikte der Kriegsvete­ranen im letzten Filmdritte­l aufkochen. Allerdings sind es hier weniger die materielle Gier als die posttrauma­tischen Belastungs­störungen Pauls, durch die die Lage außer Kontrolle gerät. Auch wenn sich der Film im Finale zwischenze­itlich in chaotische­r Action verliert, überzeugt Lees Gesamtpake­t, das verschiede­ne Genres vom Kriegsfilm bis zum Western, historisch­es Hintergrun­dwissen und politische Haltung schlüssig miteinande­r verschnürt.

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Foto: Netflix Pauls (Delroy Lindo) posttrauma­tische Störungen brechen in „Da 5 Bloods“wieder auf.

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