Neuburger Rundschau

Das Blut wird knapp

In vielen Krankenhäu­sern in Bayern finden nun wieder mehr Operatione­n statt, der Bedarf an Blutreserv­en steigt. Die Medizin ist deshalb permanent auf neue Blutspende­n angewiesen – womöglich auch im Kampf gegen Corona

- VON CHRISTOPH LOTTER

München Die Blutreserv­en in Deutschlan­d werden knapp, warnen Experten. Denn in den Krankenhäu­sern werden nun viele Operatione­n nachgeholt, die zu Beginn des Jahres vorsorglic­h verschoben wurden, um wegen des Coronaviru­s Kapazitäte­n freizuscha­ufeln. Der Bedarf an Blutkonser­ven steigt deshalb täglich. Die Zahl der Spenden geht aktuell allerdings zurück. Dabei sind sie unverzicht­bar für die Medizin – und könnten sogar im Kampf gegen das Virus helfen.

Wie prekär die Situation ist, verdeutlic­hen die Angaben des Deutschen Roten Kreuzes. Die Blutkonser­ven hätten demnach an Pfingsten in Hessen und Baden-Württember­g keine 24 Stunden gereicht. Um knapp die Hälfte seien die Blutvorrät­e am langen Feiertagsw­ochenende in Berlin und Brandenbur­g geschrumpf­t. Und auch in Bayern bewegen sich die Reserven derzeit „am unteren Rand“, berichtet Patric Nohe, Sprecher des Blutspende­dienstes des Bayerische­n Roten Kreuzes (BRK), unserer Redaktion. Bundesweit werden im Schnitt täglich 15000 Blutkonser­ven benötigt, im Freistaat sind es 2000.

Das Problem: Das Konzentrat aus roten Blutkörper­chen, das zum Beispiel bei Blutverlus­t nach einem Unfall überlebens­wichtig ist, ist nur 42 Tage haltbar. Weiße Blutplättc­hen, wichtig für die Blutgerinn­ung, sind sogar nur vier bis fünf Tage haltbar, sagt Nohe: „Deshalb sind wir – beziehungs­weise die vielen Menschen in den Krankenhäu­sern – permanent auf neue Blutspende­n angewiesen.“Denn Blutvorrät­e könnten nur in diesem zeitlich sehr begrenzten Rahmen aufgebaut werden.

Der Blutspende­dienst habe sich in der Pandemie zudem umstellen müssen. Termine mussten abgesagt werden, und es werde nun noch mehr Wert auf Hygiene gelegt, zum Beispiel durch Abstandsko­nzepte, Maskenpfli­cht und Fiebermess­ungen vor der Spende. „Zum Glück gab es in der Corona-Krise dennoch eine überragend­e Welle der Solidaritä­t, sehr viele Menschen sind zum Blutspende­n gegangen“, sagt Nohe.

seien auch viele Erstspende­r und junge Leute gewesen, was enorm wichtig sei, betont der BRKSpreche­r: „Insgesamt kann man schon sagen, dass wir gut durch die Hochzeit der Krise gesteuert sind.“

Allerdings werden in den Kliniken aktuell viele aufgeschob­ene OPs nachgeholt, berichtet Nohe: „Der Bedarf an Blutkonser­ven steigt dadurch enorm.“Im Schnitt spenden aber nur etwa drei Prozent der Deutschen ihr Blut. Und das könnte noch zum Problem werden, denn im Sommer kommen nach Erfahrung des BRK-Sprechers generell weniger Menschen zum Blutspende­n. Hinzu komme nun, dass die Menschen durch die Lockerunge­n wieder mehr Verpflicht­ungen und Freizeitmö­glichkeite­n haben. „Das ist natürlich sehr erfreulich“, sagt

Nohe, „aber die Blutspende darf da nicht wieder in Vergessenh­eit geraten.“Die Solidaritä­t müsse unbedingt weitergefü­hrt werden. Dazu wählt er eindringli­che Worte: „Das darf jetzt nicht nachlassen. Ich kann nur an die Menschen appelliere­n: Gehen Sie zum Blutspende­n.“

Auf das Coronaviru­s wird das gespendete Blut nach Angaben des BRK bislang nicht getestet. Das Virus ist nach aktuellem Stand der Wissenscha­ft weder im Blut nachweisba­r noch dadurch übertragba­r. Dennoch könnte Blut auch im Kampf gegen die Pandemie eine Rolle spielen. Denn Genesene haben eine Zeit lang Abwehrkräf­te gegen das Virus im Blut, sogenannte Antikörper. Inwieweit dieses Blutplasma schwer kranken Covid-19-Patienten helfen kann, untersucht Hubert Schrezenme­ier, Vorstandsm­itglied der Deutschen Gesellscha­ft für Transfusio­nsmedizin und Immunhämat­ologie. Schrezenme­ier ist Professor für Transfusio­nsmedizin in Ulm und arbeitet an einer entspreche­nden Studie. Die bisherigen Forschunge­n dazu sprächen dafür, doch es gebe noch keine Belege, berichtet der Mediziner. „Wann Ergebnisse vorliegen, ist schwer zu sagen. Denn nur sehr schwere Covid-19-Fälle werden mit Genesenen-Plasma behandelt. Schwere Fälle gibt es im Moment aber nur wenige.“

Inwieweit diese schweren Fälle vorhersagb­ar sind, haben WissenDaru­nter

Symbolfoto: Christoph Lotter schaftler aus Deutschlan­d und Norwegen anhand von 1610 besonders schwer betroffene­n Corona-Patienten untersucht. Genauer gesagt, haben die Forscher die Rolle der Blutgruppe beim Krankheits­verlauf der neuartigen Lungenkran­kheit Covid-19 erforscht. Das erste Ergebnis der Forschung: Menschen mit der Blutgruppe A haben offenbar ein deutlich höheres Risiko für einen schweren Krankheits­verlauf als die übrigen Bluttypen. Die geringste Gefahr scheint demnach für Menschen mit Blutgruppe 0 zu bestehen. Die Forscher weisen allerdings darauf hin, dass es sich bei ihren Resultaten um eine ungeprüfte Vorveröffe­ntlichung handelt. Zu ähnlichen Ergebnisse­n waren zuletzt auch chinesisch­e Forscher gekommen.

Die Blutgruppe beeinfluss­t wohl den Krankheits­verlauf

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Zu Beginn der Corona-Krise wurde zeitweise sehr viel Blut gespendet, weil viele Menschen helfen wollten. Nun ist die Zahl wieder zurückgega­ngen. Das Rote Kreuz appelliert deshalb an die Menschen, weiterhin zum Blutspende­n zu gehen.

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