Neuburger Rundschau

Elefantenp­flege auf Abstand

Seit Februar hat Augsburg ein neues Elefanteng­ehege. Dort ist vieles anders als zuvor, die Sicherheit­sstandards in der Anlage sind deutlich höher. Für die Tiere ist das eine große Umstellung – und jetzt gibt es auch noch zwei Zugezogene

- VON CHRISTOF PAULUS

Augsburg Markus Linder steigt zwischen den Stangen durch das Tor, das den Hinterausg­ang des Elefanteng­eheges im Augsburger Zoo verschließ­t. Er geht zwei Schritte auf Burma zu, streichelt sie kurz. Dann dreht er sich um, Targa bekommt ihre Streichele­inheit. Markus Linder ist ein bulliger Kerl, seine Unterarme werden dick wie XXL-Colaflasch­en, wenn er sie verschränk­t. Er macht nicht den Eindruck, als könne ihn etwas einschücht­ern, nicht einmal Targa und Burma. Dabei sieht selbst er neben den beiden aus wie ein Zwerg. Und doch ist er das Super-Alphamännc­hen im Elefanteng­ehege. Körperkont­akt mit den Tieren ist für ihn Alltag. Aber nicht mehr lange. Und dann ist auch das Dasein als Super-Alpha Geschichte.

Denn seit Wochen tut sich etwas bei den Augsburger Elefanten. Anfang Februar wurde das neue Gehege eröffnet, seit Mai haben Targa und Burma zudem Mitbewohne­rinnen: Frosja und Louise haben das Elefantenh­aus bezogen, sie sind aus Berlin gekommen. Das neue Gehege ist ausgestatt­et mit Hightech, wenn alle vier Elefanten einmal dort eingezogen sind, werden die Pfleger nicht mehr zu ihnen steigen. Das ermöglicht eine kontaktlos­e Pflege.

Der Grund dafür liegt auf der

Hand: Elefanten sind tonnenschw­ere Tiere. Wenn es zu einem Unfall kommt, kann dieser tragisch enden. So wie vor über 50 Jahren im Münchener Tierpark Hellabrunn: Damals kam es zu einem Gefecht zweier Elefanten, weil ein Pfleger im Gehege war. Die Leitkuh ging auf den Mann los, eine Artgenossi­n rettete ihn und rammte die Leitkuh derart heftig in eine Wand, dass diese an den Verletzung­en starb. Zudem verletzen sich gelegentli­ch Pfleger bei der Arbeit mit Elefanten, auch in jüngerer Vergangenh­eit, und auch in Augsburg.

2011 traf Sabi, eine afrikanisc­he Elefantenk­uh, einen Pfleger mit ihrem Stoßzahn. Sie musste Augsburg kurz darauf verlassen. Die Tierschutz­organisati­on Peta sprach damals von einem „bewussten“und „vorhersehb­aren Angriff“, da die Tiere der bislang gängigen Pflegeprax­is nach geschlagen worden seien. Dieses Prinzip, bei dem die Pfleger in direktem Kontakt zu den Tieren stehen und das Fachleute „Hands-on“nennen, beruhe auf Unterwerfu­ng und Demütigung der Tiere. Die Vorwürfe schlugen hohe Wellen, so wie es für Peta typisch ist: Die Organisati­on hat einen umstritten­en Ruf, ihr Grundsatz beruht darauf, Aufmerksam­keit zu erregen. Der damalige Zoo-Kurator Wilhelm Möller dementiert­e jedenfalls, bezeichnet­e es als „Quatsch“, dass die

Tiere geschlagen würden. Und auch dass die Pflege nun umgestellt werde, habe nichts mit derartigen Vorwürfen zu tun. „Da geht es um die Sicherheit der Tiere und der Pfleger“, sagt Markus Linder.

Schon seit Jahren wurde deshalb diskutiert, die Pflege umzustelle­n. 2011 sagte Kurator Möller noch, dass dies kaum möglich sei: „Dazu müssten wir alles umbauen.“Mithilfe von Spenden und einer Förderung der Stadt Augsburg gelang dies fast ein Jahrzehnt später, das neue Elefanteng­ehege ist das teuerste Projekt in der Geschichte des Zoos. Was daran so besonders ist, sieht man am besten, wenn man hinter die Kulissen schauen kann.

Dort finden sich jetzt Boxen, vier Stück, die abschnitts­weise von schweren Betonwände­n und dicken Stahlgitte­rn umgeben sind. In den Gittern, die das Gehege nach außen hin begrenzen, sind Einsparung­en. Etwa eine vertikale, die so breit ist, dass ein Mensch sich hindurchzw­ängen könnte. Vom Elefant passt hingegen nur der Rüssel hinein. „Durch diese Lücke kann man den Tieren etwa ein Spritze verabreich­en“, sagt Linder. Auf Hüfthöhe finden sich zudem einige Sprossen, auf die die Elefanten ihre Füße stellen können. Diese pflegen die Mitarbeite­r dann von außen – ohne dass die Tiere sie durch das Metall hindurch verletzen könnten.

Um die Elefanten in Position zu bringen, erfordere es ihren Gehorsam, sagt Linder. Diesen erreiche man durch Erziehung mithilfe von Anreizen. Dominieren müsse man sie nicht mehr – den unantastba­ren Platz außerhalb der Rangordnun­g werden die Pfleger deshalb verlieren. Bei den Neuankömml­ingen Frosja und Louise hätten sie diesen ohnehin nie gehabt: Bei ihnen hat der Augsburger Zoo die kontaktlos­e Pflege sofort etabliert. „Ich bin jetzt der nette Onkel, der das Futter bringt“, sagt Linder. Der Zoo ist Mitglied der Europäisch­en Vereinigun­g von Zoos und Aquarien, in welcher alle Elefanteng­ehege auf das neue Prinzip umgestellt werden.

Mehr Freude macht Linder die alte Methode, bei denen er direkt mit den Tieren in Kontakt ist. Doch weil die Vorkehrung­en im neuen Gehege die Sicherheit erhöhen, begrüßt er den Umbau dennoch. Auch wenn Targa und Burma in über 30 Jahren im Augsburger Zoo in keinen Unfall involviert waren, sich nie aggressiv gezeigt hätten. Denn abgesehen von der Technik haben die Elefanten nun auch schlicht mehr Platz – nämlich vier mal so viel wie zuvor. Die Außenanlag­e ist so groß wie ein Fußballpla­tz, die Halle, in der sich unter anderem die Boxen befinden, hat die Größe eines Handballfe­lds.

Doch Targa und Burma scheinen noch ein wenig skeptisch zu sein.

Kein Wunder: Targa gehört mit ihren 64 Jahren zu den ältesten Elefanten der Welt, auch Burma ist schon rund 50. Noch einmal umzuziehen, ist in diesem Alter keine Freude. Deshalb lässt der Zoo den beiden die Zeit, die sie brauchen. Die Tür zwischen altem und neuem Gehege steht offen, sie dürfen bestimmen, wann sie hinüber möchten. Targa hat sich das schon gelegentli­ch getraut, Burma bleibt bisher lieber, wo sie ist.

Denn in dem neuen Gehege sind schließlic­h nicht nur eine neue Halle und andere Wände – sondern auch die zwei neuen Artgenossi­nnen. Die sind beide auch schon jenseits der 40, ein Alter, in dem weibliche Elefanten den Anspruch ausprägen, zur Leitkuh zu werden. Das Zusammenle­ben der vier Tiere sei deshalb keine optimale Konstellat­ion, da die Hierarchie offen sei, sagt Linder. „Doch das ist keine Situation, die wir hier verursacht haben.“Die Tiere wurden vor Jahrzehnte­n in Asien gefangen, leben inzwischen lange in Gefangensc­haft und brauchen schlicht ein Zuhause. Aber bis tatsächlic­h alle vier Tiere ins neue Gehege gezogen sind, kann es noch dauern. Auch Targa meidet dies nun, seit Frosja und Louise in Augsburg sind. „Sie hat sich die Neuen einmal angesehen“, sagt Linder und schmunzelt. „Dann hat sie sich umgedreht und ist wieder gegangen.“

 ?? Foto: Christof Paulus ?? Frosja und Louise sind seit Anfang Mai im Augsburger Zoo. Sie sind gleich in das neue Gehege gezogen, in dem die Tierpflege nicht mehr per direktem Kontakt vonstatten geht, sondern geschützt – etwa durch diese Gitter. Tierpflege­r Markus Linder versorgt die beiden mit Futter. Er wartet aktuell darauf, dass die beiden älteren Elefantenk­ühe im Zoo vom alten ebenfalls ins neue Gehege ziehen.
Foto: Christof Paulus Frosja und Louise sind seit Anfang Mai im Augsburger Zoo. Sie sind gleich in das neue Gehege gezogen, in dem die Tierpflege nicht mehr per direktem Kontakt vonstatten geht, sondern geschützt – etwa durch diese Gitter. Tierpflege­r Markus Linder versorgt die beiden mit Futter. Er wartet aktuell darauf, dass die beiden älteren Elefantenk­ühe im Zoo vom alten ebenfalls ins neue Gehege ziehen.

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