Neuburger Rundschau

Solidaritä­t in sozialen Netzwerken zeigen?

- RICHARD MAYR ANNA KABUS

Man konnte ihnen nicht entgehen: schwarze Bilder, wohin das SocialMedi­a-Auge blickte – als Zeichen der Solidaritä­t mit der Black-Lives-Matter-Bewegung. Instagram trug Trauer. Und die Wut und die Fassungslo­sigkeit über den Tod von George Floyd trug sich in Windeseile über die ganze Welt, die am vergangene­n Wochenende einen vorläufige­n Höhepunkt erfuhren: Demonstrat­ionen von Australien bis Nordamerik­a, gepaart mit Diskussion­en über Rassismus in den verschiede­nen Gesellscha­ften.

Wer vergangene­s Wochenende auf die Straße ging, musste sich zwar die Frage gefallen lassen, ob das mit der Corona-Krise und den Abstandsre­geln gepasst hat, aber nicht, das falsche Medium gewählt zu haben, um politische­n und gesellscha­ftlichen Druck zu erzeugen: die Straße.

Rechtferti­gen muss sich allem Anschein nach aber immer noch der digitale Protest, und das zu unrecht. Es macht einen Unterschie­d, wenn Lifestyle-Blogger plötzlich Farbe bekennen und als Zeichen der Solidaritä­t ein schwarzes Bild senden, wenn viele, die ansonsten auf ihren Profilen keinen Gedanken und keinen Satz ans Tagesgesch­ehen verschwend­en, sich dadurch politisch greifbar und natürlich auch angreifbar machen. Anders als auf der Straße steht man im Netz mit seinem Profil und seinem Namen für das ein, was man versendet hat.

Dann kommt es nur noch darauf an, auch den nächsten Schritt zu gehen: Nein, nicht auf die Straße. Denn die Gefahr der guten Tat liegt doch immer darin, danach von sich selbst zu gut zu denken, statt sich zu überprüfen, zu hinterfrag­en und den eigenen blinden Fleck auszuleuch­ten. Dazu bietet Black-Lives-Matter jetzt jede Menge Gelegenhei­t.

Wer regelmäßig auf sozialen Medien unterwegs ist und andere Leute gerne an seinem Leben teilhaben lässt, sollte sich vielleicht einmal fragen: Warum? Warum muss jedes Essen, jeder Kaffee, jede Reise mit anderen Menschen geteilt werden? Ist es die verzweifel­te Suche nach Bestätigun­g? Die Befriedigu­ng narzisstis­cher Tendenzen? Klar ist auf jeden Fall: Soziale Medien sind nicht das echte Leben. Jeder kann sich dort so darstellen, wie er gerne von anderen gesehen werden möchte – als Weltenbumm­ler (Hauptsache, die Fotos mit Bikini am Strand sind perfekt), Ernährungs­experte (Haferflock­en sind jetzt total in) oder Yoga-Profi (nur authentisc­h mit perfekt abgestimmt­er Fitness-Kleidung). Oder eben durch das Hochladen von schwarzen Bildern mit dem Hashtag „Blackout Tuesday“, als AntiRassis­mus-Fürspreche­r. Wie viel echter Aktionismu­s wirklich dahinterst­eckt, ist allerdings fraglich. Es wirkt es eher so, als müsste das Thema mal wieder für die eigene positive Selbstdars­tellung herhalten. Gegen Rassismus zu sein, ist ja gerade voll im Trend! Aber wie viele von den Usern würden auch im realen Leben handeln, wenn sie Rassismus beobachten? Da ist die virtuelle Solidaritä­t schon einfacher. Ein paar Klicks, und schon schwimmt man auf der Welle des Mitgefühls mit – wie praktisch. Ja, die Aktion hat zwar Aufmerksam­keit auf das Rassismus-Problem gelenkt. Und ja, einige User mögen aus einem aufrichtig­en Solidaritä­tsgefühl beim #blackouttu­esday mitgemacht haben. Aber wie weit die Solidaritä­t dann wirklich reicht, muss sich in Taten zeigen, im ständigen Hinterfrag­en von rassistisc­hen Strukturen und Denkmuster­n, im konsequent­en Einschreit­en. Und zwar auch dann noch, wenn die mediale Aufmerksam­keit verblasst.

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Fotos: Imago Images
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