Solidarität in sozialen Netzwerken zeigen?
Man konnte ihnen nicht entgehen: schwarze Bilder, wohin das SocialMedia-Auge blickte – als Zeichen der Solidarität mit der Black-Lives-Matter-Bewegung. Instagram trug Trauer. Und die Wut und die Fassungslosigkeit über den Tod von George Floyd trug sich in Windeseile über die ganze Welt, die am vergangenen Wochenende einen vorläufigen Höhepunkt erfuhren: Demonstrationen von Australien bis Nordamerika, gepaart mit Diskussionen über Rassismus in den verschiedenen Gesellschaften.
Wer vergangenes Wochenende auf die Straße ging, musste sich zwar die Frage gefallen lassen, ob das mit der Corona-Krise und den Abstandsregeln gepasst hat, aber nicht, das falsche Medium gewählt zu haben, um politischen und gesellschaftlichen Druck zu erzeugen: die Straße.
Rechtfertigen muss sich allem Anschein nach aber immer noch der digitale Protest, und das zu unrecht. Es macht einen Unterschied, wenn Lifestyle-Blogger plötzlich Farbe bekennen und als Zeichen der Solidarität ein schwarzes Bild senden, wenn viele, die ansonsten auf ihren Profilen keinen Gedanken und keinen Satz ans Tagesgeschehen verschwenden, sich dadurch politisch greifbar und natürlich auch angreifbar machen. Anders als auf der Straße steht man im Netz mit seinem Profil und seinem Namen für das ein, was man versendet hat.
Dann kommt es nur noch darauf an, auch den nächsten Schritt zu gehen: Nein, nicht auf die Straße. Denn die Gefahr der guten Tat liegt doch immer darin, danach von sich selbst zu gut zu denken, statt sich zu überprüfen, zu hinterfragen und den eigenen blinden Fleck auszuleuchten. Dazu bietet Black-Lives-Matter jetzt jede Menge Gelegenheit.
Wer regelmäßig auf sozialen Medien unterwegs ist und andere Leute gerne an seinem Leben teilhaben lässt, sollte sich vielleicht einmal fragen: Warum? Warum muss jedes Essen, jeder Kaffee, jede Reise mit anderen Menschen geteilt werden? Ist es die verzweifelte Suche nach Bestätigung? Die Befriedigung narzisstischer Tendenzen? Klar ist auf jeden Fall: Soziale Medien sind nicht das echte Leben. Jeder kann sich dort so darstellen, wie er gerne von anderen gesehen werden möchte – als Weltenbummler (Hauptsache, die Fotos mit Bikini am Strand sind perfekt), Ernährungsexperte (Haferflocken sind jetzt total in) oder Yoga-Profi (nur authentisch mit perfekt abgestimmter Fitness-Kleidung). Oder eben durch das Hochladen von schwarzen Bildern mit dem Hashtag „Blackout Tuesday“, als AntiRassismus-Fürsprecher. Wie viel echter Aktionismus wirklich dahintersteckt, ist allerdings fraglich. Es wirkt es eher so, als müsste das Thema mal wieder für die eigene positive Selbstdarstellung herhalten. Gegen Rassismus zu sein, ist ja gerade voll im Trend! Aber wie viele von den Usern würden auch im realen Leben handeln, wenn sie Rassismus beobachten? Da ist die virtuelle Solidarität schon einfacher. Ein paar Klicks, und schon schwimmt man auf der Welle des Mitgefühls mit – wie praktisch. Ja, die Aktion hat zwar Aufmerksamkeit auf das Rassismus-Problem gelenkt. Und ja, einige User mögen aus einem aufrichtigen Solidaritätsgefühl beim #blackouttuesday mitgemacht haben. Aber wie weit die Solidarität dann wirklich reicht, muss sich in Taten zeigen, im ständigen Hinterfragen von rassistischen Strukturen und Denkmustern, im konsequenten Einschreiten. Und zwar auch dann noch, wenn die mediale Aufmerksamkeit verblasst.