Warum Kapellen mit den Proben noch warten
Warum die Lockerungen großen Vereinen nichts bringen und welche Folgen die Zwangspause haben könnte
Neuburg/Rennertshofen Eigentlich dürfen Gruppen von Laienmusikern seit Montag wieder eingeschränkt proben. Dies teilte das Ministerium für Wissenschaft und Kunst vergangene Woche mit. Aufführungen sollen ab dem 15. Juni wieder möglich sein. Allerdings unterliegt der gesamte Musikbetrieb wegen der Corona-Pandemie hohen Auflagen mit strengen Hygienevorschriften. Deshalb haben sich sowohl die Stadtkapelle Neuburg als auch die Marktkapelle Rennertshofen vorerst dagegen entschieden, den regulären Betrieb schon wieder aufzunehmen.
An den Proben dürfen maximal zehn Personen teilnehmen, heißt es in der Verordnung der Regierung. Außerdem müssen Musiker mit Blasinstrumenten einen Abstand von drei Metern einhalten. Jeder Probenteilnehmer – außer die Blasmusiker – muss einen Mund-NasenSchutz tragen. Alle 20 Minuten muss zehn Minuten gelüftet werden... Die Liste der einzuhaltenden Regeln ist lang. „Unser Hauptproblem ist die Maximalzahl von zehn Personen“, sagt Nino Alfke, Vorsitzender der Neuburger Stadtkapelle. Die Stadtkapelle hat eine Orchestergröße von ungefähr 70 Menschen, erklärt Alfke weiter. „Wir wollen nicht sondieren.“Hinzu käme der erhebliche Organisationsaufwand, zum Beispiel beim Führen einer Anwesenheitsliste, um Kontaktketten zurückzuverfolgen. Und wofür? „Wir haben im Moment sowieso keine Auftritte, auf die wir hinarbeiten müssten“, sagt der Vereinsvorsitzende. Außerdem würden die Vorschriften dem Grundgedanken eines Vereins widersprechen, denn das soziale Leben bleibt eingeschränkt. Ein gemütliches Zusammensitzen nach den Proben ist nicht gestattet. „So macht das wenig Freude! Wir hoffen, dass es nach den Sommerferien eine weitere Lockerung gibt.“
Ähnlich sieht die Situation Stefanie Czerny, Vorsitzende der Rennertshofener Marktkapelle. Der Ausbildungsbetrieb mit Einzel- und Kleingruppenunterricht wird zwar unter Einhaltung der Hygienevorschriften wieder stattfinden, berichtet die Vereinsvorsitzende. Die „Spätlese“mit 25 Musikern, die Jugendkapelle mit 20 Musikanten und die 45-köpfige Marktkapelle werden aber stumm bleiben.
Der Hauptgrund dafür sei die Abstandsregel, sagt Czerny. So einen großen Probenraum hätten sie in Rennertshofen nun einmal nicht. „Wir haben es ausgemessen.“Die Verordnung der Regierung brächte nur kleinen Musikgruppen einen Vorteil, findet Czerny, zum Beispiel Hochzeitsbands, für Vereine sei sie „nicht so optimal“.
Die Vereinsvorsitzende befürchtet nun zwei Konsequenzen: Zum einen einen Rückschritt in der Qualität, denn „der Probeneifer ist zuhause nicht so groß“. Zum anderen hat sie Angst, dass sich einige Musikanten daran gewöhnen könnten, den Freitagabend statt bei der Probe gemütlich zuhause zu verbringen. Und dann ist da natürlich noch der finanzielle Aspekt: Den Musikkapellen brechen die Gagen weg. Laufende Kosten, wie etwa für die Miete des Probenraums, habe man aber trotzdem, erzählt Czerny. Die Rennertshofener hätten da allerdings Glück, die Dirigenten verzichteten teilweise oder sogar ganz auf ihre Bezahlung.
Auch wenn Nino Alfke und Stefanie Czerny traurig sind, dass ihre Kapellen noch nicht wieder spielen können, sind sie sich einig, dass es das Risiko einer Coronavirus-Infektion nicht wert ist. „Ich habe schon Angst, dass es einen Ausbruch im Verein geben könnte“, gibt Alfke zu. Und Czerny fügt hinzu: „Die Gesundheit unserer Musikantenfamilie hat oberste Priorität.“
Die Marktmusikkapelle Burgheim wusste vergangene Woche noch nicht, ob und wann sie den Probebetrieb wieder aufnimmt. Chöre und Gesangsgruppen sind wegen der erhöhten Infektionsgefahr nicht von den Lockerungen betroffen.