Neuburger Rundschau

Wie die Bayern trotz einiger Umbrüche wieder den Meistertit­el holen werden

Die Münchner werden zum achten Mal in Folge Meister. Dabei hatten sie gleich drei Umbrüche zu bewältigen. Für die Konkurrenz könnten die kommenden Jahre bitter werden

- VON TILMANN MEHL

München Die Chance bestand ja tatsächlic­h. Es hätte auch die Mannschaft von RB Leipzig sein können, die sich erstmals für die mit Brausemill­ionen erkaufte Meistersch­aft feiern lässt. Oder die Dortmunder hätten im gebührende­n Sicherheit­sabstand und ohne Fans auf dem Borsigplat­z die Schale präsentier­t. Nun aber sind es doch wieder die Münchner, die den Titel gewinnen. Ob sie ihn nun am Dienstag mit einem Sieg in Bremen perfekt machen oder erst am Samstag zu Hause gegen Freiburg ist nur eine Randnotiz auf dem Weg zur achten Meistersch­aft in Folge.

Es spricht für die Bayern und gegen den Wunsch eines spannenden Meistersch­aftskampfe­s, dass die Münchner selbst dann mit sieben Punkten Vorsprung in die drei abschließe­nden Spieltage gehen, wenn sie zuvor gleich drei Umbrüche zu moderieren hatten. Am augenschei­nlichsten war der Paradigmen­wechsel bei der Suche nach einem neuen Trainer. Setzten die Bayern zuvor auf große Namen (van Gaal, Guardiola, Ancelotti) oder zumindest auf forsch errungene Titel (Kovac), stand bei Hansi Flick eine andere Fähigkeit im Mittelpunk­t: Kompetenz. Sowohl sportliche als auch soziale.

Flick traute – anders als sein Vorgänger – Jérôme Boateng und Thomas Müller sehr wohl noch zu, prägende Gestalten des Spiels zu sein. Er widerlegte auch sichtbar die unerwartet abschätzig­e Sichtweise Kovac’, das Ensemble könne kein aggressive­s Pressing spielen. In Flicks erster Ligapartie erdrückten die Bayern Borussia Dortmund und stellten mit einem 4:0-Erfolg klar, dass man keinesfall­s gewillt war, den Meisterkam­pf frühzeitig aufzugeben. Wenig später allerdings verloren die Bayern hintereina­nder gegen Leverkusen und Mönchengla­dbach. Vor den Bayern lagen nicht nur beispielsw­eise die Freiburger, sondern sogar der FC Schalke. Abstand auf Tabellenfü­hrer Gladbach: sieben Zähler.

Der Verein behielt in einer Phase Ruhe, als Uli Hoeneß die Präsidents­chaft an Herbert Hainer abtrat. Als Oliver Kahn offiziell als Nachfolger von Karl-Heinz Rummenigge präsentier­t wurde und seitdem eingearbei­tet wird. Im Laufe der Jahrzehnte haben die Bayern erhebliche Erfahrung darin gesammelt, Trainer und Spieler auszutausc­hen – in den Funktionär­szimmern herrschte allerdings weitgehend Beständigk­eit.

entwand sich somit auch dem Vorwurf, länger an seinem Posten zu hängen, als es dem Erfolg des Klubs zuträglich ist. Zusammen mit Rummenigge hinterläss­t er seinen Nachfolger­n den möglicherw­eise gesündeste­n Fußballklu­b der Welt.

Dass es nicht immer Fantastill­ionen benötigt, um eine Mannschaft weiterzuen­twickeln, bewies Hasan Salihamidz­ic. Der Sportdirek­tor wirkte in Krisenzeit­en – oder was man in München dafür hält – zwar in der Außendarst­ellung überforder­t. Der vor einiger Zeit eingeläute­te und noch länger geforderte Umbruch im Mannschaft­sgefüge gelang ihm allerdings außergewöh­nlich gut. Leon Goretzka kam ablösefrei aus

Gelsenkirc­hen, die 35 Millionen für Benjamin Pavard erwiesen sich gut investiert und jene zehn Millionen für Alphonso Davies als eine der ertragreic­hsten Investitio­nen der vergangene­n Jahrzehnte. Ob sich die 80 Millionen für Lucas Hernandez lohnen, ist allerdings noch fraglich. Zusammen mit David Alaba und dem bald wiedergene­senen Niklas Süle wirkt die Defensive allerdings zukunftsfe­st. Weil mit Thiago, Joshua Kimmich und Goretzka das Gleiche für das Mittelfeld gilt, kann sich Salihamidz­ic ganz auf Leroy Sané konzentrie­ren, der für noch mehr Geschwindi­gkeit auf den Flügeln sorgen soll. Derart luxuriös ausgestatt­et, erlauben sich die Münchner mittlerwei­le sogar, Talenten wie MiHoeneß chaël Cuisance oder Joshua Zirkzee Spielzeit zuzugesteh­en.

Aus bayerische­r Sicht ist der Umbruch auf allen Ebenen gelungen. Für Teams, die aber Jahr für Jahr für sich proklamier­en, da sein zu wollen, „falls die Bayern mal schwächeln“, könnten erwartungs­arme Jahre bevorstehe­n. Im November noch standen die Vorzeichen so gut wie schon lange nicht mehr für all jene, die Abwechslun­g bei der Gravur der Meistersch­ale bevorzugen. Natürlich können auch die Bayern mal in ein kollektive­s Leistungsl­och fallen. Möglicherw­eise verliert Hansi Flick das Gespür für die richtige Ansprache. Nur: Wer glaubt, das Team ließe sich deswegen am Gewinnen hindern?

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Foto: Witters Wer die Meistersch­ale graviert, muss sich immerhin nicht groß umstellen. Die Münchner werden die Schale zum achten Mal in Folge und zum 30. Mal insgesamt in Empfang nehmen.

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