Neuburger Rundschau

Bayern droht Berlin mit Polizei-Boykott

Weshalb der Freistaat keine Beamten mehr in die Hauptstadt schicken will

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Bayern will womöglich keine Polizisten mehr zur Unterstütz­ung nach Berlin entsenden. Grund ist das umstritten­e Antidiskri­minierungs­gesetz, das der rot-rot-grüne Berliner Senat kürzlich beschlosse­n hat. Das Gesetz soll die Berliner besser vor Diskrimini­erung schützen. Wer sich von Behörden benachteil­igt fühlt, soll demnach leichter auf Entschädig­ung klagen können. Das Gesetz ist aber auch umstritten. Es enthält eine „Vermutungs­regelung“, nach der eine Behörde bei entspreche­nden Vorwürfen selbst beweisen muss, dass sie nicht diskrimini­ert hat. Gegner des Gesetzes beklagen, dass damit die Unschuldsv­ermutung nicht mehr für Beamte gelte. Sie fürchten eine Klagewelle.

Auch aus dem Freistaat kommt Kritik. Bayerns Innenminis­ter Joachim Herrmann betonte: „Wir brauchen die gegenseiti­ge Unterstütz­ung, aber es darf nicht sein, dass dadurch neue Haftungsri­siken für die eingesetzt­en Beamten entstehen.“Es sei völlig überzogen, den gesamten Öffentlich­en Dienst „pauschal zu verdächtig­en“. Ohne juristisch­e Klarstellu­ng werde er die Amtshilfe für die Hauptstadt einstellen, kündigte Herrmann an.

Die Länder helfen sich regelmäßig bei der Polizeiarb­eit, etwa bei Großeinsät­zen. Wenn es rund um den 1. Mai in Berlin zu Krawallen kommt, sind meist auch Polizeihun­dertschaft­en aus Bayern im Einsatz. Aber auch der Freistaat bekommt Unterstütz­ung aus anderen Bundesländ­ern, etwa zur jährlichen Münchner Sicherheit­skonferenz mit viel Polit-Prominenz aus aller Welt.

Durch die Debatte über Rassismus und Polizeigew­alt in den USA gewinnt der Streit zusätzlich an Brisanz. Auf der Konferenz der Innenminis­ter von Bund und Ländern an diesem Mittwoch in Erfurt könnte Berlins Innensenat­or Andreas Geisel (SPD) der geballte Zorn der Amtskolleg­en treffen. Die Deutsche Polizeigew­erkschaft

fordert, dass alle Bundesländ­er der Hauptstadt die Amtshilfe versagen, sollte es in Berlin bei der Regelung bleiben. Rainer Wendt, Bundesvors­itzender der DPolG, nannte Herrmanns Ankündigun­g, ohne juristisch­e Klarstellu­ng keine Polizisten mehr zur Unterstütz­ung in die Hauptstadt zu schicken, „genau richtig“.

Unserer Redaktion sagte Wendt: „Jetzt müssen die anderen Innenminis­ter aus Bund und Ländern bei ihrem Treffen ihren Berliner Kollegen, Innensenat­or Geisel, auffordern, alle Vorwürfe, die sich aus diesem unsinnigen Gesetz ergeben, von den Einsatzkrä­ften aus den Bundesländ­ern und von der Bundespoli­zei fernzuhalt­en.“Komme

Die Grünen verteidige­n das Gesetz

Geisel dem nicht nach, „dann sollten die Innenminis­ter die personelle Unterstütz­ung für Berlin einstellen“. Sie dürften „die Beamten, für die sie eine Fürsorgepf­licht haben, nicht ins rot-rot-grüne Messer laufen lassen“.

Das Land Berlin wird von einer Koalition aus SPD, Linken und Grünen regiert. Als das Antidiskri­minierungs­gesetz das Abgeordnet­enhaus passierte, lobte Justizsena­tor Dirk Behrendt von den Grünen das Regelwerk als „Meilenstei­n“. Irene Mihalic, innenpolit­ische Sprecherin der Grünen-Bundestags­fraktion, verteidigt­e das Gesetz: „Dass Behörden die Rechtmäßig­keit ihres Handelns nachweisen müssen, ist im Rechtsstaa­t normal.“Wer daraus einen Generalver­dacht gegen die Polizisten konstruier­e, müsse sich die Frage gefallen lassen, „wie die Themen Rassismus und Diskrimini­erung in Deutschlan­d überhaupt noch angesproch­en werden können“. Wer das Antidiskri­minierungs­gesetz jetzt zum Anti-PolizeiGes­etz umdeklarie­re, werde den Themen nicht gerecht.

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