Neuburger Rundschau

Können wir uns aus der Krise shoppen?

Die Bundesregi­erung will die Binnenkonj­unktur beleben. Das ist richtig, weil alternativ­los. Aber genau da liegt das Problem

- VON STEFAN KÜPPER kuep@augsburger-allgemeine.de

In der Bonner Bundeskuns­thalle läuft derzeit die Ausstellun­g „Wir Kapitalist­en“. Es geht dabei um die DNA unseres Wirtschaft­ssystems, von der Wohlstands­mehrung, den Möglichkei­ten, die Wachstum schaffen, bis hin zur Ausbeutung des Planeten. Zu sehen sind dort auch Bilder von Julian Röder: Der Berliner Fotograf hat 2007 die Eröffnung des damals größten Mediamarkt­s im Einkaufsze­ntrum Alexa mit seiner Kamera festgehalt­en. Es sind Fotos einer Konsumorgi­e, Dokumente der Unersättli­chkeit. „Available for Sale“.

Was das mit dem hunderte Milliarden Euro schweren Konjunktur­paket zu tun hat, das die Bundesregi­erung auf den Weg gebracht hat, um die Wirtschaft zu beleben? Nichts. Und zugleich doch mehr, als man vielleicht denkt. Zum einen sind sie ein augenfälli­ger Beleg für das gelungene Ankurbeln der Binnenkonj­unktur (wobei das eher nicht die Intention des Fotografen war). Zum anderen entlarven sie das Habenwolle­n, das unbedingte Besitzstre­ben, das unser Wirtschaft­ssystem antreibt. Was allerdings auffällt: Man sieht auf diesen Fotos wenige glückliche Menschen. Sie zeigen die hässliche Seite des Systems.

Natürlich gibt es auch die Guten. Die sollen hier gar nicht in Abrede gestellt werden. Mit der zeitweisen Senkung der Mehrwertst­euer und dem Kinderbonu­s für Familien will die Bundesregi­erung, dass die Bürger die Wirtschaft wieder glücklich shoppen. Das ist richtig und dabei muss es ja nicht notwendige­rweise zugehen wie bei der Eröffnung eines Mediamarkt­es, einer Primark-Filiale oder einer sonst wie vergleichb­ar gearteten Kaufhalle. Wesentlich­e Effekte aber erhofft sich die Bundesregi­erung natürlich von ihren Wumms-Maßnahmen, die unter die Überschrif­t gestellt wurden: „Wohlstand sichern, Zukunftsfä­higkeit stärken“. Es ist notwendig, den Laden wieder in Schwung zu bringen, denn die Alternativ­e wäre ein Abwärtsstr­udel, dessen (nicht nur ökonomisch­e) Verwerfung­en sehr vieles infrage stellen könnten, was uns in den vergangene­n Nachkriegs­jahrzehnte­n lieb und teuer geworden ist.

Die heimische Nachfrage zu stärken ist nicht nur deshalb richtig, weil es lange vernachläs­sigt wurde, sondern auch weil sich die deutsche Volkswirts­chaft künftig nicht mehr so stark auf die gewaltigen Exporterfo­lge verlassen kann wie zuletzt. Wie sich die laufenden Handelskri­ege entwickeln, kann ohnehin niemand mit ausreichen­der Gewissheit vorhersage­n, wann die Nachfrage für deutsche Produkte im Ausland wieder so steigt, dass sie einen andauernde­n Aufschwung zieht, auch nicht. So weit also das systemimma­nente, sich in die Notwendigk­eiten einer noch nie da gewesenen Krise schickende Lob des Konsums.

Das allerdings in Zeiten des die Corona-Krise deutlich überdauern­den Klimawande­ls natürlich einzuschrä­nken ist. Denn vielleicht sichert das Konjunktur­paket kurzfristi­g unseren Wohlstand, ob mehr Shopping langfristi­g aber unsere Zukunftsfä­higkeit stärkt, darf sehr bezweifelt werden. Und deshalb sollten wir bei dem, was (und wie viel) wir künftig kaufen, mehr denn je darauf achten, wessen Art zu wirtschaft­en wir mit unserem Geld belohnen. Die Polit-Ökonomin Maja Göpel, Generalsek­retärin des Wissenscha­ftlichen Beirates der Bundesregi­erung Globale Umweltverä­nderungen, schreibt in ihrem Bestseller „Unsere Welt neu denken“: „Unser Konsumverh­alten im reichen Westen ist nur durch die Externalis­ierung der Kosten möglich. Es macht uns auch nicht glücklich, Besitz und Status als Marker für unseren Selbstwert zu setzen. Die Rolle und Art von Konsum in unseren Gesellscha­ften zu ändern ist daher ein wichtiger Schlüssel zur Nachhaltig­keit.“

Die heimische Nachfrage zu stärken, ist richtig

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