Neuburger Rundschau

Dieser Mann ist ein Glücksgrif­f Porträt

In seiner Karriere stand Hansi Flick als Spieler und Trainer oft im Schatten anderer. Nun könnte er mit dem FC Bayern den 30. Meistertit­el holen

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Noch vor einem guten halben Jahr schien in der Bundesliga ein anderer Meister als der FC Bayern möglich – erstmals seit acht Jahren. Denn bei den Münchnern kriselte es Anfang November: Nach einer 1:5-Klatsche und nur fünf Siegen aus den ersten zehn Ligaspiele­n musste Trainer Niko Kovac gehen. Sieben Monate später steht der Verein vor dem 30. Meistertit­el – und das liegt vor allem an Hansi Flick, Co-Trainer unter Kovac und dessen Nachfolger. Als Interimslö­sung war der 55-Jährige die logische Wahl – dass er die Dauerlösun­g werden würde, war hingegen weniger absehbar. Denn Flick stand in seiner Karriere oft im Schatten anderer.

Als Nachwuchss­pieler war Flick nicht als Ausnahmekö­nner bekannt. Von Oberligist Sandhausen ging es mit 20 Jahren dennoch zum FC Bayern,

wo er sich einen Stammplatz erarbeitet­e. Die Stars des Rekordmeis­ters waren jedoch stets andere: An der Seite von Größen wie Klaus Augenthale­r, Olaf Thon oder Lothar Matthäus gewann Flick vier Meistertit­el und einen DFB-Pokal. Mit gerade einmal 28 Jahren musste der Mittelfeld­spieler – mittlerwei­le im Trikot des 1. FC Köln – seine Karriere verletzung­sbedingt beenden.

Auch als Trainer war Flick, der mit Ehefrau Silke zwei Töchter hat und bereits zweifacher Großvater ist, kein Senkrechts­tarter: Nebenbei führte er ab 1995 in seinem Heimatort Bammental über zwei Jahrzehnte sogar ein eigenes Sportgesch­äft.

Mit der TSG Hoffenheim verpasste er bis 2005 gleich mehrmals den Aufstieg in die 2. Bundesliga und wurde entlassen. Erfolgreic­her verlief seine achtjährig­e Amtszeit als Jogi Löws Co-Trainer bei der Nationalma­nnschaft. Nach dem Gewinn der Weltmeiste­rschaft 2014 wurde er beim DFB Sportdirek­tor, anschließe­nd kehrte er als Geschäftsf­ührer nach Hoffenheim zurück. Der Verein beendete die Zusammenar­beit wegen unterschie­dlicher Auffassung­en nach acht Monaten. Seitdem Flick beim Rekordmeis­ter als Chef an der Seitenlini­e steht, ist wieder Ruhe eingekehrt: Der Meistertit­el könnte schon gegen Bremen feststehen, zudem stehen die

Münchner im Pokalfinal­e und sind auch in der Champions League im Rennen. Der 55-Jährige lässt offensiver spielen als Kovac und gilt als ruhig und besonnen. Auch im Umgang mit den Stars hat er offenbar ein besseres Händchen: Thomas Müller und Jérôme Boateng erleben seit dem Trainerwec­hsel ihren zweiten Frühling. Ex-Bayern-Trainer Jupp Heynckes nennt Flick einen Menschenfü­hrer. „Er ist für mich der ideale Trainer, weil er in der Vergangenh­eit in den verschiede­nen Positionen im Fußball bereits große Erfahrunge­n gesammelt hat.“Dennoch erhielt Flick erst Anfang April einen Vertrag bis 2023. Die Verantwort­lichen haben sich die Entscheidu­ng nicht leicht gemacht. Momentan ist aber kaum vorstellba­r, dass Flick in absehbarer Zukunft dasselbe Schicksal wie seinen Vorgänger ereilt. Dominik Stenzel

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Foto: dpa

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