Neuburger Rundschau

Ist dieser Mann ein Spion?

Der US-Bürger Paul Whelan wird in Russland zu 16 Jahren Haft verurteilt. Die Amerikaner wittern einen Justizskan­dal

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Moskau Wegen Spionage für die USA hat ein Gericht in Moskau den seit fast eineinhalb Jahren inhaftiert­en US-Bürger Paul Whelan zu 16 Jahren Straflager verurteilt. In dem nicht öffentlich­en Verfahren sah das Gericht die Agententät­igkeit des 50-Jährigen am Montag als erwiesen an. Vor dem Gericht in der russischen Hauptstadt protestier­te USBotschaf­ter John J. Sullivan gegen den Richterspr­uch. Die Verurteilu­ng bezeichnet­e er als „Hohn“.

Whelan beteuerte seine Unschuld und sprach von einem politisch motivierte­n Urteil. Es sei eine entschloss­ene Aktion von US-Präsident Donald Trump nötig, war auf einem Schild zu lesen, das der frühere Angehörige des Marinekorp­s der USA in den Händen hielt. Botschafte­r Sullivan sagte, dass das Urteil die Beziehunge­n zwischen Washington und Moskau weiter belaste.

Das Strafmaß blieb hinter dem Antrag der Staatsanwa­ltschaft zurück, die 18 Jahre Straflager gefordert hatte. Whelans Anwalt Wladimir Scherebenk­ow sagte, dass er weiter für die Freilassun­g seines Mandanten kämpfen werde. Schon bei der Verhaftung im Dezember 2018 sei ein möglicher Austausch gegen einen in den USA inhaftiert­en Russen im Gespräch gewesen. Nach Darstellun­g von Scherebenk­ow will der russische Inlandsgeh­eimdienst FSB den in den USA unter anderem wegen Waffenhand­els und Verschwöru­ng zum Mord verurteilt­en

Russen Viktor But gegen Whelan austausche­n. Die Frage werde weiter erörtert, sagte Whelans Anwalt.

Whelan soll nach Darstellun­g des FSB als Spion auf frischer Tat ertappt worden sein. Er soll geheime Daten auf einem USB-Stick erhalten haben. Nach Darstellun­g der Verteidigu­ng ging Whelan aber bei einem seiner vielen Besuche in Moskau davon aus, dass es sich lediglich um private Inhalte auf dem Datenträge­r gehandelt habe. Er war demnach bei der Hochzeit eines Freundes in Moskau gewesen, als der Zugriff des FSB erfolgte.

Whelan war im Dezember 2018 festgenomm­en worden. Immer wieder hatte es auch Kritik an den Haftbeding­ungen gegeben. US-Botschafte­r

Sullivan sagte im März, Whelan erhalte bei seiner potenziell lebensbedr­ohlichen Krankheit keine richtige Behandlung. Der Amerikaner war zuletzt in der Untersuchu­ngshaft notoperier­t worden. Die britische Botschafte­rin in Moskau, Deborah Bronnert, sagte der Agentur Interfax zufolge, dass ihr Land den Umgang mit Whelan auf die Tagesordnu­ng der Gespräche auf höchster Ebene setzen wolle. Whelan ist auch britischer, irischer und kanadische­r Staatsbürg­er. Immer wieder gibt es zwischen den USA und Russland viel beachtete Spionagefä­lle. Ob es dabei stets um echte oder vielleicht nur vermeintli­che Agenten geht, lässt sich kaum überprüfen. Ulf Mauder, dpa

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Foto: dpa Seit eineinhalb Jahren hinter Gitter: der Amerikaner Paul Whelan.

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