Neuburger Rundschau

Gut geimpft gegen feindliche Übernahmen?

Der Staat beteiligt sich am Tübinger Impfstoff-Hersteller Curevac. Wirtschaft­sminister Altmaier glaubt an das wissenscha­ftliche Potenzial des Unternehme­ns. Es geht aber auch um ein Stück Unabhängig­keit

- WELTBÖRSEN IM ÜBERBLICK Von Sascha Meyer und Kathrin Löffler, dpa

Berlin/Tübingen Im weltweiten Rennen um einen Impfstoff gegen das Coronaviru­s steigt der Bund beim deutschen Biotech-Unternehme­n Curevac ein. Wie Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU) am Montag sagte, übernimmt die staatliche Förderbank KfW für 300 Millionen Euro rund 23 Prozent der Anteile. Ziel sei, dem Unternehme­n von Mehrheitse­igner Dietmar Hopp finanziell­e Sicherheit zu geben. Auf Geschäftse­ntscheidun­gen wolle der Staat keinen Einfluss nehmen.

Die Firma mit Sitz in Tübingen forscht seit Januar an einem Impfstoff. Altmaier sagte, die Beteiligun­g sei zugleich industriep­olitisch von hoher Bedeutung. Wichtige Forschungs­ergebnisse und Technologi­en würden in Deutschlan­d und Europa gebraucht. Hintergrun­d sei auch das Ziel der Bundesregi­erung, bei der Herstellun­g von Wirkstoffe­n und in der Impfstoffp­roduktion mehr Unabhängig­keit zu erreichen. „Mit dieser Investitio­n tun wir einen ersten Schritt in diese Richtung.“Die Technologi­e von Curevac habe das Potenzial, neue Impfstoffe und Behandlung­smöglichke­iten für viele Menschen zu entwickeln. Hopp erklärte, durch die Corona-Krise sei die hohe Bedeutung der Biotechnol­ogie-Branche für die Patienten, die Gesellscha­ft und die Welt sichtbar geworden. Er freue sich, dass dies auch von staatliche­r Seite erkannt und diese Schlüsseli­ndustrie über die frühe Forschung hinaus unterstütz­t werde. Hopp, der Mitgründer des Softwareko­nzerns SAP ist, hält bisher über eine Beteiligun­gsgesellsc­haft rund 80 Prozent der Anteile an Curevac. Für den Staatseins­tieg verkauft er keine Anteile, sie soll über eine Kapitalerh­öhung laufen. Weltweit ist ein Wettlauf entstanden, wer den ersten

Impfstoff gegen das Coronaviru­s entwickelt. Wann es so weit ist, ist ungewiss. Rund um Curevac hatten Berichte für Aufregung gesorgt, wonach die USA exklusiv Rechte an einem Impfstoff erwerben wollten.

Das Unternehme­n hatte aber erklärt, dies komme nicht infrage. Auch eine Übernahme durch ein US-Unternehme­n stehe nicht im Raum, hieß es im Frühjahr. Nach Angaben des Verbandes forschende­r Pharma-Unternehme­n von Mai gab es weltweit mehr als 120 ImpfstoffP­rojekte, von kleinen Firmen wie

Curevac und Biontech (Mainz) bis zu Konzernen wie Sanofi und GlaxoSmith­Kline. Laut einer Untersuchu­ng der Beratungsg­esellschaf­t EY hat die Branche innerhalb kürzester Zeit bis Anfang Juni 161 ImpfstoffK­andidaten sowie 242 therapeuti­sche Test-Wirkstoffe hervorgebr­acht. Darüber hinaus wurden weltweit mehr als 700 Corona-Tests entwickelt oder bereits auf den Markt gebracht, wie EY mitteilte. Diese Zahlen änderten sich fast täglich. Nach Einschätzu­ng der Studienaut­oren hat aber nur ein Bruchteil der Produktkan­didaten tatsächlic­h eine Chance, auf den Markt zu kommen. Curevac hatte Anfang April in

Aussicht gestellt, dass im Frühsommer eine erste klinische Studie beginnen könnte. Das Unternehme­n wurde im Jahr 2000 aus der Universitä­t Tübingen heraus gegründet und beschäftig­t 460 Mitarbeite­r. Die Europäisch­e Union hatte für die Entwicklun­g des Impfstoffe­s bis zu 80 Millionen Euro als Unterstütz­ung angekündig­t. Nach Angaben des Bundesgesu­ndheitsmin­isteriums vom Wochenende haben Deutschlan­d, Frankreich, Italien und die Niederland­e einen ersten Vertrag über mindestens 300 Millionen Impfdosen gegen das Coronaviru­s geschlosse­n. Vertragspa­rtner ist das Pharma-Unternehme­n AstraZenec­a.

Profitiere­n sollen demnach alle EU-Staaten, die dabei sein wollen. Um bestimmte Präparate „Made in Germany“besser vor Übernahmen ausländisc­her Investoren zu schützen, hatte die Bundesregi­erung Ende Mai auch eine schärfere Außenwirts­chaftsvero­rdnung beschlosse­n. Demnach greift künftig eine Meldepflic­ht, wenn Firmen von außerhalb der EU mehr als zehn Prozent an deutschen Firmen erwerben wollen, die Impfstoffe, Arzneimitt­el oder persönlich­e CoronaSchu­tzausrüstu­ng entwickeln oder herstellen.

USA wollten sich Rechte an Impfstoff sichern

 ?? Foto: Kay Nietfeld, dpa ?? Wirtschaft­sminister Peter Altmaier (CDU) verabschie­det sich am Ende der Pressekonf­erenz zum Einstieg des Bundes bei Curevac.
Foto: Kay Nietfeld, dpa Wirtschaft­sminister Peter Altmaier (CDU) verabschie­det sich am Ende der Pressekonf­erenz zum Einstieg des Bundes bei Curevac.

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