Noch keine Pleitewelle
Experten fürchten, dass viele Insolvenzen nur hinausgezögert werden
Düsseldorf Deutschland steckt mitten in der Corona-Krise, aber die von vielen befürchtete Pleitewelle ist bislang ausgeblieben. Im ersten Halbjahr 2020 verringerte sich die Zahl der Unternehmensinsolvenzen sogar überraschend noch einmal kräftig um 8,2 Prozent auf 8900 Fälle. Grund zur Entwarnung sehen Experten allerdings nicht. Das Insolvenzgeschehen habe sich von der tatsächlichen wirtschaftlichen Situation der Unternehmen abgekoppelt, warnt Volker Ulbricht von der Wirtschaftsauskunftei Creditreform. Das liege vor allem an den milliardenschweren staatlichen Unterstützungsmaßnahmen und noch mehr an der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht.
Die Maßnahmen seien offenbar in ihrer Wirkung über das Ziel hinausgeschossen und hätten auch einigen Unternehmen den Gang zum Insolvenzgericht erspart, die schon vor der Krise pleitegefährdet gewesen seien, sagte der Konjunkturexperte.
Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht gilt zunächst bis Ende September, kann aber für ein weiteres halbes Jahr bis Ende März verlängert werden. Die Insolvenzwelle sei damit aber nur vertagt worden, betonte Volkert. Die Schäden durch die knapp 9000 Unternehmensinsolvenzen im ersten Halbjahr bezifferte Creditreform auf rund zwölf Milliarden Euro. Bei den betroffenen Firmen und deren Umfeld seien rund 125000 Arbeitsplätze bedroht oder bereits weggefallen. Bestätigt hat sich der Trend, wonach viele Insolvenzkandidaten etablierte Unternehmen sind. Knapp die Hälfte der betroffenen Betriebe im ersten Halbjahr sind älter als zehn Jahre.
Kaum einen Effekt der CoronaKrise sehen die Experten bislang bei Privatpersonen. Bis Mitte März seien die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Verbraucher noch gut gewesen – geprägt von einem stabilen Arbeitsmarkt und niedrigen Zinsen, betonte Ulbricht. Inzwischen hätten steigende Arbeitslosenzahlen und eine massive Ausweitung der Kurzarbeit die finanziellen Spielräume vieler Verbraucher zwar eingeengt. Dennoch sei auch im zweiten Halbjahr keine dramatische Änderung der Situation bei den Verbraucherinsolvenzen zu erwarten. Letztlich sei die Entwicklung davon abhängig, ob es gelingt, die Krise am Arbeitsmarkt mit Kurzarbeit zu bewältigen, oder ob es am Ende doch noch zu einem massiven Stellenabbau in Deutschland kommt. „Wenn wir wieder eine ausgeprägte Arbeitslosigkeit bekommen, wird auch die Zahl der Verbraucherinsolvenzen früher oder später wieder steigen“, sagte Ulbricht.
Die Milliardenprogramme zeigen ihre Wirkung