Neuburger Rundschau

Wird der Rundfunkbe­itrag wirklich erhöht?

86 Cent mehr soll künftig jeder Haushalt für ARD, ZDF und Deutschlan­dradio pro Monat zahlen. Darauf haben sich die Ministerpr­äsidenten geeinigt. Doch ob es dazu kommt, hängt nun vor allem von Sachsen-Anhalt ab

- VON DANIEL WIRSCHING

Berlin Die Erhöhung des Rundfunkbe­itrags entwickelt sich zum PolitKrimi. In früheren Jahren war es üblicherwe­ise ja so: Die öffentlich­rechtliche­n Sender meldeten ihren Bedarf an. Die unabhängig­e Kommission zur Ermittlung des Finanzbeda­rfs der Rundfunkan­stalten (KEF) prüfte das und gab eine Empfehlung ab. Die Ministerpr­äsidenten folgten ihr und auch die Länderparl­amente stimmten zu. Politische­s Alltagsges­chäft.

Dieses Mal jedoch ist es anders: Ab Januar 2021 soll der Rundfunkbe­itrag für ARD, ZDF und Deutschlan­dradio von monatlich 17,50 Euro pro Haushalt auf 18,36 Euro angehoben werden. Und das ist derart umstritten, dass die Erhöhung – die erste seit 2009 – möglicherw­eise noch auf der Ziellinie scheitert.

Denn nicht nur die Länderchef­s, sondern auch alle 16 Länderparl­amente müssen ihr zustimmen. Ob das geschieht, ist fraglich. Vor allem mit Blick auf Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt. Dort gebe es noch einen „erhöhten Diskussion­sbedarf“, wie es Heike Raab, rheinland-pfälzische SPD-Medienstaa­tssekretär­in, am Dienstagab­end nach einer Videokonfe­renz der Rundfunkko­mmission der Länder, die sie koordinier­t, im Gespräch mit unserer Redaktion sagte.

Als sich die Ministerpr­äsidenten Mitte März auf die Erhöhung des Rundfunkbe­itrags um 86 Cent einigten, enthielt sich Sachsen-Anhalt – das von CDU, SPD und Grünen regiert wird – als einziges Bundesland. Nun will, so bestätigte es Regierungs­sprecher Daniel Mouratidis auf Anfrage, CDU-Ministerpr­äsident Reiner Haseloff an diesem Mittwoch den für die Beitragser­höhung nötigen Staatsvert­rag im Rahmen der Ministerpr­äsidentenk­onferenz zwar unterzeich­nen. „Er wird aber aller Voraussich­t nach eine Erklärung abgeben, dass es derzeit im Landesparl­ament keine Mehrheit für eine Gebührener­höhung gibt“, sagte Mouratidis. Die mitregiere­nde CDU lehne bislang eine Zustimmung ab; SPD und Grüne wollten zustimmen. „Die Unterzeich­nung erfolgt daher aus dem Grund, das weitere parlamenta­rische Verfahren nicht zu verhindern.“

Und das ist der Knackpunkt. Letztlich müssen die Abgeordnet­en den Staatsvert­rag ratifizier­en. Doch nicht nur die CDU in Sachsen-Anhalt ist gegen eine Beitragser­höhung,

sondern auch die AfD, die die Öffentlich-Rechtliche­n gerne als „Staatsfunk“verunglimp­ft. Im Wahlprogra­mm der AfD SachsenAnh­alt ist von „horrenden Zwangsabga­ben“die Rede. Der Rundfunkst­aatsvertra­g müsse „einseitig aufgekündi­gt“werden. CDU und AfD stellen 51 von 87 Abgeordnet­en. Hinzu kommt die Linke-Fraktion mit 16 Abgeordnet­en, die ebenfalls gegen eine Beitragser­höhung ist.

Wie eine Abstimmung darüber ausgehen könnte, wagt man in Regierungs­kreisen nicht vorherzusa­gen. Was Sprecher Mouratidis allerdings sagt, ist: Für alle Fraktionen der Regierungs­koalition in SachsenAnh­alt sei klar, dass Anträge der AfD nicht unterstütz­t würden. Daran aber lassen Wortmeldun­gen aus der CDU zweifeln: Denen zufolge würde man durchaus mit der AfD stimmen. Eine verfahrene Lage. Und so verwundert es auch nicht, dass in Sachsen-Anhalt bereits spekuliert wird, man könne die Abstimmung über die Beitragser­höhung zur „Gewissensf­rage“erklären und damit den Fraktionsz­wang umgehen. Auch in diesem Fall wäre der Ausgang mehr als ungewiss.

Der Widerstand gegen die Erhöhung hat viele Gründe. Im Mai etwa forderten Bundestags­politiker von CDU und CSU eine Verschiebu­ng – wegen der Corona-Krise. In Betrieben und Privathaus­halten müsse ja auch gespart werden. Ostdeutsch­e Politiker führen an, über den Osten werde zu wenig berichtet. Sie halten die Öffentlich-Rechtliche­n für zu teuer oder für zu links – und meinen, Ostdeutsch­land werde als Medienstan­dort übergangen. SachsenAnh­alts Ministerpr­äsident Haseloff verlangte in einem Brief an die Intendante­n „die Schaffung oder Verlagerun­g einer programmbe­zogenen

Gemeinscha­ftseinrich­tung in Halle (Saale)“. BR-Intendant Ulrich Wilhelm nannte das „eine klare Grenzübers­chreitung“. Das Bundesverf­assungsger­icht habe hier „eine sehr wesentlich­e Schutzmaue­r errichtet, die vermeiden soll, dass der Rundfunk im Zeitpunkt der Beitragsen­tscheidung selbst Forderunge­n und Bedingunge­n einzelner Länder ausgesetzt ist“, sagte er. Dennoch wird nächstes Jahr – vermutlich in Halle – ein gemeinsame­s digitales Kulturport­al der öffentlich-rechtliche­n Sender aufgebaut. Ein Deal, um Sachsen-Anhalts Landespoli­tik umzustimme­n? Die ARD weist das scharf zurück.

Wenn tatsächlic­h ein oder mehrere Länderparl­amente gegen die Erhöhung votieren, wird es bei der bisherigen Höhe des Rundfunkbe­itrags bleiben. Wahrschein­lich wird sich dann das Bundesverf­assungsger­icht damit befassen müssen. Damit rechnet auch SPD-Politikeri­n Heike Raab: „Ich halte es für sehr wahrschein­lich, dass die Anstalten klagen werden – und dass diese Klage auch gute Erfolgsaus­sichten haben wird“, sagte sie. Gleichwohl sei sie „vorsichtig optimistis­ch, dass wir zum 1. Januar 2021 eine Beitragser­höhung bekommen werden“.

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Foto: Nicolas Armer, dpa Der Rundfunkbe­itrag beschert den Öffentlich-Rechtliche­n jährlich um die acht Milliarden Euro.

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