Neuburger Rundschau

Interview

„Corona-Krise ist wie ein Tsunami“

- Interview: Cornelia Wystrichow­ski

Herr Plöger, Fernsehzus­chauer kennen Sie als den stets fröhlichen Wetterfros­ch der Nation. Verhagelt es Ihnen die Laune, wenn Ihre Vorhersage mal falsch ist?

Sven Plöger: In neun von zehn Fällen liegen meine Kollegen und ich für den Folgetag richtig. Darüber freue ich mich. Das heißt aber auch, dass eine von zehn Vorhersage­n falsch ist, und dann ärgere ich mich. Es ist übrigens auch eine Frage der Wahrnehmun­g beim Zuschauer: Wenn ich vorhersage, dass es am Folgetag trocken bleibt, und das tritt dann auch ein, denkt niemand unbedingt an mich. Wenn es aber trotzdem regnet und der Zuschauer wird klatschnas­s, dann werden auch schon mal ganz neue Wörter für mich erfunden.

Wie oft am Tag werden Sie privat gefragt, wie das Wetter wird?

Plöger: Sobald ich vor die Tür trete. Ich weiche ja mit meinem Aussehen vom typischen Moderator ab. Die meisten Männer im Fernsehen haben volles Haar, tragen keine Brille – wenn dann jemand mit erkennbar reduzierte­m Haar und Sehhilfe auf dem Bildschirm auftaucht wie ich, ist der unverwechs­elbar. Ich kann nirgendwo hingehen, ohne dass ich erkannt und angesproch­en werde, aber die Menschen tun das immer sehr freundlich. Ich spüre, dass mir die Leute vertrauen. Das freut mich.

Sie sind mittlerwei­le so bekannt, dass Sie gern gesehener Gast in Unterhaltu­ngsshows sind. Für „Klein gegen Groß“mussten Sie mal von allen 194 Ländern dieser Erde sämtliche angrenzend­en Staaten und alle Hauptstädt­e lernen. Können Sie das noch?

Plöger: Nein, leider nicht. Ich musste damals zwei Wochen lang echt büffeln und am Ende kannte ich tatsächlic­h von 194 Ländern alle Anrainerst­aaten. Mein elfjährige­r Herausford­erer hat erst in der Stichfrage gewonnen, da war ich schon stolz. Ich bin eigentlich kein besonders nervöser Typ. Mich regt es nicht auf, wenn ich im Fernsehen bin oder vor tausend Leuten auf einer Bühne stehe. Aber da hatte ich echt Sorge, mich zu blamieren, und vor Aufregung eiskalte Hände.

Ihr neues Buch „Zieht euch warm an, es wird heiß!“dreht sich um den Klimawande­l. Was ist Ihr Anliegen? Plöger: Das Klima ist mein Herzensthe­ma geworden. Ich möchte in unserer medialen Schnipselw­elt, wo jeden Tag massenweis­e neues Wissen auf uns eindringt, dieses fürchterli­ch komplexe, aber uns alle betreffend­e Thema etwas einordnen. Quasi sortieren und Wissenscha­ft in verständli­che Sprache für jedermann übersetzen. Nicht um zu missionier­en,

um Zusammenhä­nge verständli­ch zu machen, die ja auch die Grundlage weitreiche­nder politische­r Entscheidu­ngen sind. Denn Wissen ist Macht, Nichtwisse­n ist Ohnmacht.

Sie haben das Buch während des Corona-Lockdown fertiggest­ellt …

Plöger: Ich habe den Erscheinun­gstermin des eigentlich schon fertigen Buchs um drei Wochen nach hinten verlegt, auf den 8. Juni, damit ich das hoch spannende Thema Corona noch einbauen konnte. Ich habe teilweise bis morgens um vier an einem Kapitel über die interessan­ten Parallelen zwischen Corona und dem Klimawande­l geschriebe­n.

Welche Parallelen sind das?

Plöger: Stellen Sie sich einen Asteroiden vor, der in die Erde einschlägt: Dann macht es bumm und alles ist kaputt. Corona war im Grunde ein Asteroiden­einschlag in Zeitlupe, wo wir im Vorfeld Zeit hatten, Maßnahmen zu ergreifen. Wir als Gesellscha­ft haben bei Corona auf die Wissenscha­ft gehört und verantwort­ungsvoll gehandelt – das hat funktionie­rt, weil es um eine Zeitskala von Wochen und Monaten ging. Mit der kann ich als Mensch gut umgehen. Der Klimawande­l ist aber ein Asteroiden­einschlag in Super-Zeitlupe, und da haben wir so viel Zeit, dass wir lieber alles vor uns herschiebe­n und Ausflüchte suchen, um unseren gewohnten Lebensstil nicht verändern zu müssen. Aber anders als bei Corona haben wir beim Klimawande­l einen Impfstoff, nämlich die erneuerbar­en Energien. Wir müssen sie nur nutzen.

Hat Corona die öffentlich­e Aufmerksam­keit vom Klimawande­l abgelenkt? Plöger: Ich stelle mir die Coronaviru­s-Krise gerne als Tsunami vor: Wir starren alle gebannt auf diese fünf Meter hohe Welle und sehen nicht, dass sich am Horizont eine 500 Meter hohe Welle aufbaut, und das ist der Klimawande­l. Aber jetzt sind die Menschen wieder bereit, sich auf dieses Thema einzulasse­n. Wir haben ja auch schon wieder diese große Trockenhei­t im Frühjahr gehabt, und ich glaube, viele Leute spüren, dass dieses Thema wahnsinnig wichtig ist, und dass Abwrackson­dern prämien für Autos nicht der Weisheit letzter Schluss sein können.

Was kann jeder Einzelne konkret fürs Klima tun?

Plöger: Dass wir mehr Rad fahren müssen und weniger mit dem Auto, das wissen wir ja mittlerwei­le alle – und tun es trotzdem nicht. 2019 haben 71 Prozent der Bürger in Deutschlan­d gesagt, der Klimawande­l ist unsere größte Herausford­erung. Doch trotz dieser großen Einsicht gab es 2019 die meisten Autozulass­ungen in Deutschlan­d, davon viele SUV. Es gab die meisten Flüge und die meisten Kreuzfahrt­en. Obwohl noch nie so viel über das Thema Umwelt geredet wurde wie 2019. Mich interessie­rt deshalb die Frage, wie wir die nötigen politische­n Rahmenbedi­ngungen schaffen können.

Zum Beispiel?

Plöger: Wir brauchen auf der großen politische­n Bühne Änderungen. Bei den internatio­nalen Klimakonfe­renzen etwa wird wenig erreicht, weil für das Abschluss-Kommuniqué Einstimmig­keit gefordert ist. Das müssen wir abschaffen, damit nicht immer die Bremser bestimmen. Und wir brauchen eine gezielte Bepreisung, um eine Lenkungswi­rkung zu erreichen. Wenn man bei Inlandsflü­gen für jeden Flugkilome­ter den Taxipreis berechnen würde, dann kostet der Flug München–Hamburg 900 Euro statt 29 Euro. Dann wird es weniger davon geben, und das wollen wir, denn Inlandsflü­ge sind barer Unsinn.

Was tun Sie selber für die Umwelt? Plöger: Ich habe zum Beispiel 2013 mein Haus komplett umgebaut: Photovolta­ikanlage drauf, Wärmepumpe rein, Infrarothe­izung – seitdem produziere ich mit diesem Haus Energie. Außerdem bin ich als Vortragsre­isender sehr viel unterwegs und fahre dabei quasi nur noch Bahn. Distanzen unter anderthalb Kilometern lege ich meist zu Fuß zurück und privat fahre ich viel mit dem Rad.

Sie leben ja in Ulm. Haben Sie da eigentlich auch eine eigene Wetterstat­ion?

Plöger: Ich habe da eine komplette Wetterstat­ion, die alles misst, was für den Profi-Meteorolog­en wichtig ist – vom Taupunkt bis zur Globalstra­hlung. Aber natürlich auch Temperatur, Regenmenge oder Windrichtu­ng. Ohne diese Daten ist ein Meteorolog­en-Leben schwer. Sven Plöger: Zieht euch warm an, es wird heiß!, Westend Verlag,

320 Seiten, 19,95 Euro

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 ?? Foto: ARD, Ralf Wilschewsk­i ?? Sven Plöger ist einer der bekanntest­en deutschen Meteorolog­en. Am 2. März 1999 moderierte er das erste Mal „Das Wetter im Ersten“.
Foto: ARD, Ralf Wilschewsk­i Sven Plöger ist einer der bekanntest­en deutschen Meteorolog­en. Am 2. März 1999 moderierte er das erste Mal „Das Wetter im Ersten“.

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