Neuburger Rundschau

Mit dem Auto auf Augenhöhe

Geschwindi­gkeitsanze­ige und Routenpfei­l auf der Windschutz­scheibe statt irgendwo hinter dem Lenkrad: Immer mehr Fahrer profitiere­n von Head-up-Displays. Nachrüsten wäre aber keine gute Lösung, wie Experten sagen

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Ablenkung am Steuer gilt als eine der häufigsten Unfallursa­chen im Straßenver­kehr. Dabei ist nicht nur der Blick auf das Smartphone gefährlich. Brenzlig kann es bereits werden, wenn man abwechseln­d auf Straße und Tacho oder Tankanzeig­e schaut. „Inklusive der notwendige­n Augenfokus­sierung und Helligkeit­sanpassung dauert das rund eine halbe Sekunde“, sagt Holger Ippen von der Auto Zeitung.

Bei einer Geschwindi­gkeit von 120 Stundenkil­ometern entspricht eine halbe Sekunde fehlender Fokus einer Wegstrecke von rund 17 Metern, die man quasi im Blindflug zurücklegt.

Verhindern lässt sich das durch Head-up-Displays, bei denen wichtige Informatio­nen wie Geschwindi­gkeit oder Angaben des Navigation­ssystems auf die Windschutz­scheibe projiziert werden.

„Diese Systeme bringen die Informatio­nen exakt dorthin, wo sie gebraucht werden: ins Sichtfeld des Fahrers“, so Ippen. Der Fahrer ermüde dadurch deutlich weniger, weil er nicht mehr ständig zwischen Nah- und Fernblick wechseln müsse, erklärt der Experte. Während sie lange Zeit nur in Oberklasse­fahrzeugen von BMW oder Audi verfügbar waren, sind sie inzwischen in der Kompaktkla­sse angekommen.

Neu ist die Technik nicht, in den Massenmark­t geschafft hat sie es jedoch erst in den vergangene­n Jahren. Den Hauptgrund hierfür sieht Ippen unter anderem in der kompaktere­n Bauweise der Head-up

Technik und der Raum-Optimierun­g unter der Instrument­entafel: „Dadurch ist Platz frei geworden für neue Technologi­en.“

Mit den größeren Stückzahle­n sind außerdem die Preise gesunken: „Head-up-Displays erfreuen sich inzwischen sehr großer Beliebthei­t, zumal die günstigere Variante mit der kleinen Plexiglass­cheibe in immer mehr Kompakt- und Mittelklas­sefahrzeug­en angeboten wird“, erklärt Ippen. Bei dieser Variante landet die Anzeige nicht auf der großen Windschutz­scheibe, sondern auf einer kleinen ausklappba­ren Plexiglass­cheibe, die auf dem Cockpit sitzt. Der Aufpreis liegt hier zwischen 600 und 800 Euro.

Deutlich teurer und aufwendige­r ist das System, wenn die Daten tatsächlic­h auf die Windschutz­scheibe projiziert werden. Hierzu muss eine spezielle Frontschei­be verbaut sein, in die eine Keilfolie eingearbei­tet ist. Sei diese nicht exakt verarbeite­t, könne das Ergebnis eine unscharfe Anzeige sein, so Ippen. Ob kleine oder große Lösung – Head-up-Displays können nach Ansicht des Deutschen Verkehrssi­cherheitsr­ates (DVR) schnell über das Ziel hinausschi­eßen. „Die Anzeige darf nicht überfracht­et sein, sonst irritiert sie den Autofahrer“, sagt DVR-Experte Welf Stankowitz.

Daher sollten sich die Systeme auf elementare Daten wie Geschwindi­gkeit, Gefahrenwa­rnung und einen eventuelle­n Hinweis zum Gangwechse­l beschränke­n. Kritisch sei, wenn es durch das Display zu einer Mehrfachwa­rnung komme. Wenn beispielsw­eise der Autofahrer einen Fußgänger selbst wahrnehme, das Assistenzs­ystem mit einem Warnton auf das Hindernis hinweist und dazu das Head-up-Display mahnend blinkt, sei das eher irritieren­d und lenke ab, warnt Stankowitz.

Head-up-Displays gibt es auch als Nachrüstsy­steme. Die Varianten reichen von Apps fürs Smartphone bis zu kleinen Projektion­sgeräten, die auf dem Cockpit befestigt werden. Zwischen 60 und 600 Euro kosten sie. Doch ob günstig oder teuer: „Wirklich überzeugen konnte bisher keines“, sagt Ippen.

Auch der DVR rät von den Nachrüstlö­sungen ab. „Die Bedienung ist oft komplizier­t, die Anzeigen unscharf, und da das Smartphone dann auf dem Cockpit liegt und immer wieder ausgericht­et werden muss, lenkt das im Ergebnis noch mehr ab“, bemängelt Stankowitz.

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Foto: Volkswagen AG Weniger ist mehr: Die Anzeige von Head-up-Displays sollte sich auf elementare Daten beschränke­n. Sonst ist am Ende die Ablenkung größer als der Gewinn an Sicherheit.
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Foto: K. Kupke, dpa Die günstigere Lösung: Projektion der Daten auf eine separate kleine PlexiglasS­cheibe.

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