Neuburger Rundschau

Bis zur Corona-Impfung dauert es noch

Gesundheit­spolitiker warnen vor trügerisch­er Hoffnung und zweiter Welle

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Zuletzt häuften sich immer neue Berichte über angebliche Erfolge bei der Entwicklun­g eines Corona-Impfstoffs. Das könnte trügerisch­e Hoffnungen wecken, warnen Gesundheit­spolitiker. Sie fürchten, dass falscher Optimismus sogar dazu beitragen könnte, dass es zu einer zweiten, schlimmere­n Welle der Krankheit kommt. Der Arzt und Bundestags­abgeordnet­e Stephan Pilsinger (CSU) sagte: „Dass noch im Herbst ein Impfstoff zugelassen und verfügbar ist, halte ich für höchst unwahrsche­inlich.“Der Münchner glaubt: „Viele der derzeitige­n Erfolgsmel­dungen haben wohl auch das Ziel, große Investitio­nen anzulocken.“Normalerwe­ise dauere es bis zu zehn Jahre, bis ein neuer Impfstoff auf den Markt komme, so der Mediziner. Selbst bei sehr beschleuni­gten Verfahren werde wohl vor Frühling nächsten Jahres kein Impfstoff vorliegen.

Der SPD-Gesundheit­sexperte und Medizinpro­fessor Karl Lauterbach rechnet sogar damit, dass es noch „mindestens ein Jahr“dauern werde, bis ein Impfstoff einsetzbar sei. „Die Prüfung am Menschen muss erst zeigen, dass eine Impfung zuverlässi­g wirkt und möglichst keine Nebenwirku­ngen hat“, sagte er unserer Redaktion. Keines der ihm bekannten Forschungs­projekte habe dieses Stadium bereits erreicht, so Lauterbach.

Am Mittwoch hatte das Tübinger Unternehme­n Curevac in Deutschlan­d die Genehmigun­g für eine klinische Studie mit einem möglichen Corona-Impfstoff erhalten. An der Firma von SAP-Mitgründer Dietmar Hopp hatte sich die Bundesregi­erung mit 300 Millionen Euro beteiligt. Ende April hatte das PaulEhrlic­h-Institut bereits der Mainzer Firma Biontech eine klinische Studie mit einem Corona-Impfstoff genehmigt. Auf der ganzen Welt wird mit Hochdruck an Impfstoffe­n und Medikament­en gegen das tödliche

Virus geforscht, eine amerikanis­che Firma etwa testet bereits seit März klinisch. Gerade erst bejubelte die WHO „großartige Neuigkeite­n“: Die britische Universitä­t Oxford hatte ein Medikament vorgestell­t, das die Sterblichk­eit von Covid19-Patienten verringern könnte.

Überall versuchen Regierunge­n, sich außerdem einen möglichst schnellen Zugriff auf die Impfstoffe zu sichern. In China heißt es, ein Impfstoff könne schon im September einsatzber­eit sein. Deutschlan­d, Frankreich, Italien und die Niederland­e haben kürzlich einen Vertrag mit dem Pharmakonz­ern AstraZenec­a geschlosse­n. Er soll den Staaten der Europäisch­en Union bis zu 400 Millionen Dosen eines CoronaImpf­stoffs sichern, der gerade von dem Unternehme­n gemeinsam mit der Universitä­t Oxford entwickelt wird. Der italienisc­he Gesundheit­sminister kündigte an, dass die ersten Impfportio­nen bereits bis Ende des Jahres erhältlich sein sollen.

SPD-Fraktionsv­ize Lauterbach sieht in den zahlreiche­n Wasserstan­dsmeldunge­n in der CoronaImpf­stoff-Forschung jedoch keinerlei Grund zu übertriebe­nen Hoffnungen auf ein schnelles Ende der Corona-Krise: „Niemand kann ausschließ­en, dass es zu einer zweiten Corona-Welle kommt“, sagte er.

Dass es in den kommenden Wochen und Monaten zu einer solchen zweiten Corona-Infektions­welle kommen könnte, befürchtet mehr als die Hälfte der Menschen in Bayern. Zu diesem Ergebnis kommt eine repräsenta­tive Umfrage des Meinungsfo­rschungsin­stituts Civey für unsere Redaktion. Demnach geben 56,3 Prozent der 1765 Befragten aus dem Freistaat an, Angst vor einer zweiten Welle zu haben.

Auf Panorama lesen Sie mehr über einen Corona-Ausbruch in einem Werk des Fleischver­arbeiters Tönnies. Warum die heimische Wirtschaft nicht von einer Gefahr durch eine zweite Welle ausgeht, erfahren Sie im Wirtschaft­s-Teil.

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