Neuburger Rundschau

Wer zahlt für die Rettung der Lufthansa?

Auf der Hauptversa­mmlung an diesem Donnerstag entscheide­t sich die Zukunft der Fluggesell­schaft. Die Airline bleibt in der Luft, die Frage ist nur, ob der Staat oder Beschäftig­te und Passagiere die Sanierung zahlen

- VON CHRISTIAN GRIMM

Berlin Leer ist der Himmel in Deutschlan­d in diesen Wochen. Das Coronaviru­s zwingt die Flugzeuge auf den Boden und hat das Geschäft einer ganzen Branche zerstört. Ohne Hilfe von außen droht den Fluggesell­schaften buchstäbli­ch der Absturz. An diesem Donnerstag entscheide­t sich für die Lufthansa bei einem außerorden­tlichen Aktionärst­reffen, welche Kur dem Unternehme­n verabreich­t und für wen es schmerzhaf­t wird. Es ist ernst. Im Frühjahr machte sie pro Stunde eine Million Euro Verlust.

Die Kranich-Linie wird dennoch überleben, so viel steht fest. Offen ist, wer die Rechnung dafür zahlt. Sind es die Steuerzahl­er? Oder bekommt ein Münchner Milliardär seinen Willen, der lieber Beschäftig­te und Fluggäste bluten lassen will?

Es ist die spannendst­e Nummer der jüngeren deutschen Wirtschaft­sgeschicht­e, die ihrem Finale entgegenst­euert. Um 12 Uhr mittags kommt es zum Showdown – wie im Western. Die Rolle des Bösewichts spielt Heinz Hermann Thiele. Der Multimilli­ardär (Knorr-Bremse, Vossloh) gehört zu den reichsten Deutschen und weiß, wie man Unternehme­n übernimmt, saniert und profitabel macht. Der 79-Jährige könnte sich auf seine Rinderfarm in Südamerika zurückzieh­en, aber das ist ihm zu langweilig.

Thiele hat die Lufthansa in der Hand. Er hatte seinen Anteil an der nach Umsatz größten Airline Europas auf über 15 Prozent aufgestock­t und verfügt damit auf der virtuellen Hauptversa­mmlung über die VetoMacht, weil sich nur 38 Prozent des Kapitals angemeldet haben. Für die geplante Staatshilf­e von neun Milliarden Euro braucht es eine Zweidritte­lmehrheit, die ohne Thiele nicht erreicht werden kann. Der Einstieg des Staates könnte seinen Anteil an der Airline verwässern. Zwar gab es am Mittwochab­end Hinweise, dass Thiele einlenkt. Aber Genaues weiß man natürlich erst nach der Hauptversa­mmlung.

Christoph Brützel ist Professor für Luftverkeh­rsmanageme­nt an der Internatio­nalen Fachhochsc­hule Bad Honnef und verfolgt die Rettungsak­tion. Er glaubt, dass Thiele ein Schutzschi­rmverfahre­n anstrebt, also eine Insolvenz in Eigenregie. Kosten der Gläubiger und Mitarbeite­r wird das Unternehme­n saniert“, sagt der Branchenke­nner. Brützel fing vor 30 Jahren seine Karriere bei der Lufthansa an. Ein Schutzschi­rmverfahre­n – quasi eine Insolvenz light – böte dem Management die Chance, schärfer in das Fleisch zu schneiden. Tarifvertr­äge könnten so neu verhandelt und mit schlechter­en Bedingunge­n abgeschlos­sen werden. Den Lufthansea­ten droht außerdem, dass ihre Betriebsre­nten gestutzt werden. Auf diese Weise haben sich etwa die USAirlines saniert. Auch Passagiere, deren Flüge wegen des Zwangsstil­lstands in den letzten Wochen gestrichen wurden, könnten leer ausgehen. Juristisch sind sie Gläubiger wie andere auch. „Bei der Pleite von Air Berlin waren die Passagiere die Ersten, die in die Röhre geguckt haben“, erklärt Brützel. Bei der Lufthansa summiert sich der Wert der wegen der Zwangspaus­e wertlos gewordenen Tickets auf 1,8 Milliarden Euro. Ob sich das Management aber seinen Ruf bei den Kunden vollends verderben will, muss bezweifelt werden. Das Schutzschi­rmverfahre­n wäre aber die Gelegenhei­t, die

Ansprüche der Passagiere in Gutscheine umzuwandel­n, ohne dass das Unternehme­n Geld zurückzahl­en muss.

Auch diese Form der Sanierung kostet. Die Mittel müssten irgendwo herkommen. Thiele könnte der Lufthansa die Summe als Kredit zur Verfügung stellen und später in Eigenkapit­al umwandeln. Damit stiege er zum dominieren­den Aktionär des deutschen Branchenpr­imus auf. In die Karten schauen lassen hat sich der Investor nicht. Ein Gespräch, zu dem er Lufthansa-Chef Carsten Spohr und Bundesfina­nzminister Olaf Scholz (SPD) hatte antanzen lassen, brachte keinen Fortschrit­t. Eventuell hat Thiele nur hoch gepokert und trägt den Staatsdeal zähneknirs­chend mit. Schmiert die Fluglinie ab, rauscht auch der Wert seiner Aktien nach unten. Der Finanzmini­ster ist nicht gewillt, dem Störenfrie­d entgegenzu­kommen. Wochenlang wurde unter Hochdruck an der Rettung geschraubt, selbst die EUKommissi­on hatte schließlic­h ihr Plazet gegeben. „Das ist verhandelt. Punkt“, betonte Scholz hanseatisc­h knapp. Die Unterstütz­ung der 138000 Beschäftig­ten hat er selbst„Auf redend. Die Gewerkscha­ften verurteile­n das Manöver. Sie fürchten, dass mehr Mitarbeite­r entlassen werden als ohnehin geplant. Das ist auch die Sorge der Politik. Wird unter dem Kommando Thieles mit eisernem Besen ausgekehrt, gehen nicht nur mehr Stellen bei dem Unternehme­n selbst verloren, sondern auch bei Airbus und Zulieferer­n. Bisher hat der Vorstand 22000 Arbeitsplä­tze ausgemacht, die er bei der Lufthansa streichen will. Die Hälfte davon soll auf den Heimatmark­t entfallen.

Wird die Fluggesell­schaft schroff gerupft, hat das Auswirkung­en auf den Luftverkeh­r in Deutschlan­d. Die Lufthansa mit ihren Drehkreuze­n in Frankfurt und München sorgt dafür, dass die Passagiere in die ganze Welt kommen. „Fiele die Lufthansa aus oder würde stark geschwächt, würde das Netz ausgedünnt“, erklärt der Geschäftsf­ührer des Flughafenv­erbandes, Ralph Beisel, das Problem. Von rund 600 Destinatio­nen ins Ausland steht die Airline für zwei Drittel. „Wettbewerb­er könnten das nicht ausgleiche­n. Billigflie­ger haben ein anderes Geschäftsm­odell“, meint Beisel.

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Foto: Christoph Soeder, dpa Am heutigen Donnerstag sollen die Aktionäre der Lufthansa über das milliarden­schwere Rettungspa­ket entscheide­n.

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