Das Lied ihres Lebens
Ein Hit, der heute noch Rätsel aufgibt, hat Carly Simon vor fast 50 Jahren berühmt gemacht. Ihre Geschichte aber ist mit diesem Song noch längst nicht erzählt
Wer 1971 das Radio angeschaltet hat, der wird diesen Song gehört haben. Und wird ihn nie mehr vergessen haben, wird ihn heute noch nach den ersten Sekunden wiedererkennen. Diese Basslinie, die wie ein Trommelwirbel klingt. Diese ersten unvergesslichen Zeilen: You walked into the party like you were walking on to a yacht. Und schließlich dieser Refrain: You’re so vain, you probably think this song is about you.
Jahrzehntelang hat Carly Simon ein Mysterium daraus gemacht, wer dieser eitle Fatzke ist, der da eine Party betritt, als steige er auf eine Jacht. Dieser Typ, der selbstverständlich annimmt, dieser Song sei über ihn.
Für eine Wohltätigkeitsauktion hatte Simon das Geheimnis schon mal versteigern lassen. Immerhin 50 000 Dollar bezahlte der Gewinner
– und erhielt die Auflage, dass er den Namen nicht verraten durfte.
„You’re So Vain“ist DER Song in ihrem Leben. Aber ihre Geschichte ist mit diesem Lied längst noch nicht erzählt. Carly Simon, die heute 75 Jahre alt wird, wurde in die besseren New Yorker Kreise hineingeboren. Ihr Vater hat Simon & Schuster gegründet, einen der großen US-Buchverlage. Geldsorgen kannte Simon also nicht, unbeschwert war ihre Kindheit dennoch nicht. Sexueller Missbrauch durch einen männlichen Teenager überschattete ihre frühen Jahre. Die kleine, traumatisierte Carly begann zu stottern. Singen erwies sich als gutes Therapiemittel.
Als Erwachsene hatte Simon zwei gescheiterte Ehen
(die erste mit dem bekannten
Sänger James Taylor, der auch Vater ihrer beiden Kinder ist), Medikamentenabhängigkeit, Drogengebrauch und eine Brustkrebserkrankung zu verkraften. Ihr machten Panikattacken zu schaffen, die in einem Zusammenbruch auf der Bühne gipfelten.
Von den Schicksalsschlägen hat sie sich nicht unterkriegen lassen. „Ich lebe immer in der Erwartung, dass etwas Gutes passieren wird“, lautet ihr Lebensmotto. Das hat sich durchaus erfüllt. Neben ihrem ÜberHit war sie unter anderem auch mit „Nobody Does It Better“, dem Titelstück des JamesdpaBond-Films „Der
Spion, der mich liebte“, erfolgreich. Für „Let the River Run“aus dem Film „Die Waffen der Frauen“erhielt sie einen Oscar. Neue Lieder aber gibt es nun schon seit elf Jahren nicht mehr von ihr. Meriten sammelt sie jetzt als Buchautorin. Sie hat für Kinder und Erwachsene geschrieben, zuletzt brachte sie 2019 ein Buch über ihre Freundschaft mit Jackie Onassis heraus.
2015 veröffentlichte sie eine Biografie. Im Zusammenhang damit hat sie das Geheimnis um „You’re So Vain“gelüftet. Ein bisschen jedenfalls: Nicht Mick Jagger, der auf der Platte im Hintergrund singt, sei der eitle Pfau, nein, Filmstar Warren Beatty, mit dem sie mal liiert war, der soll es sein. Zumindest sei er die Person, die in einer der Strophen beschrieben wird. In den anderen Strophen? Da lässt uns Carly Simon weiter rätseln. Franz Neuhäuser