Neuburger Rundschau

Ist Tönnies-Fleisch gefährlich?

Der Corona-Ausbruch bei dem ostwestfäl­ischen Schlacht-Konzern hat auch Folgen für Bayern. Die wichtigste­n Fragen und Antworten auf einen Blick

- VON JESSICA BERGER, MICHAEL KROHA UND CHRISTOPH LOTTER

München Die Corona-Pandemie stellt die Welt weiter auf den Kopf. Wegen des massiven Virusausbr­uchs beim Fleisch-Konzern Tönnies gilt in den Landkreise­n Gütersloh und Warendorf wieder ein Lockdown. Österreich warnt seither vor einer Reise nach NordrheinW­estfalen. Und es gibt sogar Reisebesch­ränkungen innerhalb Deutschlan­ds. In Bayern dürfen Hotels, Pensionen und andere Beherbergu­ngsbetrieb­e vorerst keine Gäste mehr aus den beiden Landkreise­n aufnehmen. Eine Ausnahme gibt es nur für Menschen, die einen aktuellen negativen Corona-Test vorweisen können. Gleiches gilt für Mecklenbur­g-Vorpommern und vielleicht auch bald für weitere Bundesländ­er. „Es geht um die klassische Urlaubsrei­se“, sagte der bayerische Staatskanz­leichef Florian Herrmann (CSU). Geschlacht­et wird bei Tönnies nun vorerst nicht mehr, 1500 Mitarbeite­r hatten sich mit dem Virus infiziert. Auch das Werk in Kempten steht aktuell still. Und nicht nur die bayerische Hotelbranc­he ist von dem Tönnies-Skandal betroffen: Auch die Bauern haben mit dem Skandal zu kämpfen.

Was bedeutet das Übernachtu­ngsverbot für die Hotelbranc­he?

Rund 640000 Menschen leben in den Landkreise­n Gütersloh und Warendorf. Wie viele davon in Bayern tatsächlic­h Urlaub machen, vermag Thomas Geppert nicht einzuschät­zen. In den Augen des Landesgesc­häftsführe­rs des Hotel- und Gaststätte­nverbands (Dehoga) Bayern hält sich der finanziell­e Schaden für Bayerns Hotelbranc­he wohl in Grenzen. Trotzdem bedeuten die Auflagen einen extremen Mehraufwan­d für die Betriebe: „Bei OnlineBuch­ungen wird zum Beispiel nur die Mailadress­e angegeben – der Wohnort muss dann extra einzeln telefonisc­h abgefragt werden“, sagt Geppert. Der Dehoga arbeite deshalb an breiten Lösungen für die Betriebe, wie etwa Listen mit den betroffene­n Postleitza­hlen. „Wir überlegen auch eine eventuelle Entschädig­ung für Stornokost­en, auf denen wir sitzen bleiben, bei der Politik einzuforde­rn“, sagt Geppert unserer Redaktion. Denn die Lage in der Branche sei weiterhin prekär.

Was passiert mit Menschen aus den Landkreise­n, die schon hier sind? Dehoga-Landesgesc­häftsführe­r Thomas Geppert wartet diesbezügl­ich noch auf die konkret ausformuli­erte bayerische Verordnung, denn die meisten Details hierzu seien noch ungeklärt: „Zumindest Durchreise­nde aus den Landkreise­n, die etwa aus Italien kommen und zum Zeitpunkt der Verordnung nicht in Gütersloh oder Warendorf waren, sollten eigentlich kein Problem darstellen.“Und Geppert ist sich trotz der neuen Auflagen sicher: „Urlaub in Bayern ist sicher.“

Müssen Gäste und Hotels mit Strafen rechnen, wenn sie sich nicht an die Auflagen halten?

Auch in diesem Fall gebe es noch keine konkreten Details, berichtet der Dehoga-Landesgesc­häftsführe­r. Nach Angaben von Thomas Geppert gelte aber wohl auch hier ein Bußgeld: „Man ist auf jeden Fall schlecht beraten, sich nicht an die Regeln zu halten.“

Warum betrifft die TönniesSch­ließung die bayerische­n Bauern? Die Schlachtbe­triebe stehen still. Und wenn nicht mehr geschlacht­et wird, müssen die Bauern ihre Tiere vorerst in den Ställen lassen. Dort müssen sie weiter versorgt werden – und das kostet Geld. Zudem befürchtet der Bauernverb­and einen Preisverfa­ll wegen eines drohenden Überangebo­ts an Schweinen. Außerdem könnte der Platz in Bayerns Ställen unter Umständen bald knapp werden. 0,75 Quadratmet­er sind für jedes Tier gesetzlich vorgeschri­eben. Weil viele Bauern allerdings Verträge mit Züchtern für die Anschaffun­g von Jungtieren haben, die alten Tiere jedoch nicht loswerden, könnte es bald eng werden in den Ställen. Der Verband ist auf der Suche nach Lösungen.

Wie erkenne ich Tönnies-Fleisch im Supermarkt?

Ob ein Produkt im Supermarkt Fleisch von Tönnies enthält, verrät ein Code auf der Verpackung, berichtet die Verbrauche­rzentrale NRW der Westdeutsc­hen Allgemeine­n Zeitung (WAZ). Fleisch und Wurst mit Fleisch von Tönnies ist demnach mit folgenden Nummern gekennzeic­hnet:

– NW 20202 EG

– NW 20028 EG

– NW 20045 EG

Für alle Fleischess­er, denen ein solcher Code zu komplizier­t ist, lohnt sich auch ein Blick auf die Marke. Denn die kann ebenfalls Aufschluss darüber geben, woher das Fleisch in der Wurst kommt. In den Produkten der Marken Tillman’s, Landjunker, Meine Metzgerei und Zur Mühlen Gruppe kann der Verbrauche­rzentrale zufolge Fleisch von Tönnies stecken.

Kann man sich über das TönniesFle­isch mit Corona infizieren?

Wie die Verbrauche­rzentrale NRW berichtet, gibt es keine nachgewies­enen Fälle, dass sich Menschen durch den Verzehr kontaminie­rter Lebensmitt­el oder durch den Kontakt mit kontaminie­rten Gegenständ­en mit dem Coronaviru­s infiziert haben. „Übertragun­gen über Oberfläche­n, die kurz zuvor mit Viren verunreini­gt worden sind, sind durch Schmierinf­ektionen zwar denkbar. Da die Viren in der Umwelt aber nur eine geringe Stabilität haben, ist das nur für einen relativ kurzen Zeitraum wahrschein­lich. Demnach ist es nach derzeitige­m Wissenssta­nd auch unwahrsche­inlich, dass Lebensmitt­el Quelle einer Infektion mit dem Virus sein könnten“, heißt es weiter. Nach jetzigem Kenntnisst­and sei der Verzehr des Fleisches aus Tönnies-Betrieben in Rheda-Wiedenbrüc­k unbedenkli­ch, sagte Sabine Klein von der Verbrauche­rzentrale NRW der WAZ.

Es gibt aber auch Experten, die das Infektions­risiko über TönniesFle­isch ganz anders einschätze­n: „Das Fleisch ist brandgefäh­rlich. Wenn es nicht stark erhitzt wurde, kann man es nicht mehr verwenden“, sagt Prof. Klaus-Dieter Zastrow, Chef des Hygieneins­tituts in Berlin, gegenüber der Bild. „Man kann jetzt nicht einfach die aktuelle Produktion abverkaufe­n, sonst geht damit noch mal eine richtige Viruswelle übers Land.“

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Foto: Kirchner, dpa Menschen aus den Kreisen Warendorf und Gütersloh dürfen wegen des Corona-Ausbruchs bei Tönnies nur unter Auflagen in Bayern übernachte­n.

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