„Ich hatte mir zu Beginn etwas mehr erhofft“
Jürgen Schrameier, der Vorstandsvorsitzende der WWK, spricht über seine Erwartungen als Hauptsponsor an den FC Augsburg, aber auch über das Bild der Bundesliga während der Corona-Krise
Herr Schrameier, Sie versuchen ja fast jedes Spiel des FCA live in der WWK-Arena zu erleben. Das geht gerade nicht. Wie erleben Sie die Geisterspiele als Fan?
Schrameier: Es ist für mich im höchsten Grad gewöhnungsbedürftig. Es nimmt so viel raus von der Emotion, der Heimspielcharakter geht total verloren, was ich sehr bedauere. Aber wenn man weiß, wie wichtig die Wiederaufnahme des Spielbetriebs finanziell für die Liga war, muss man das in Kauf nehmen. Mittlerweile schaue ich es trotzdem gerne im Fernsehen. Denn es ist immer noch besser, als die Bundesliga komplett zu stoppen. Es sind traurige Verhältnisse und es geht viel vom Fußball verloren, aber es ist auch sportlich die fairste Lösung.
Das Interesse an der Bundesliga geht aber zurück, das zeigen Zahlen der ARD-Sportschau. Treibt Sie das als Sponsorpartner nicht um? Schrameier: Ich glaube nicht, dass das nachlassende Interesse auf Dauer sein wird. Wir als Versicherer sind es gewohnt in Zeiträumen von 20, 30 Jahren zu denken. Darum haben wir 2019 das Engagement beim FCA auch bis 2030 verlängert.
Kam Ihnen zum Höhepunkt der Corona-Krise im März nicht einmal der Gedanke, hätten wir uns nur nicht so langfristig gebunden?
Schrameier: Nein, der kam nie auf! Es waren aber bewegte Zeiten. Wir hatten das Homeoffice schon vor der Corona-Krise vorbereitet. Plötzlich mussten wir aber innerhalb einer Woche 1000 von 1300 Mitarbeitern die Möglichkeit geben, im Homeoffice tätig zu sein. Kurzarbeit war aber nie ein Thema bei uns. Dazu kam noch die Börsenkrise, auf die wir reagieren mussten. Es waren turbulente Tage, aber eins wusste ich, unsere Beziehung zum FCA steht nicht infrage.
Hatten Sie auch Krisengespräche mit dem FCA?
Schrameier: Nein. Wir haben uns zwar ausgetauscht, aber in dieser Phase einzig auf die Rückzahlung unserer Hospitality-Rechte verzichtet, wie andere Sponsoren, um die Aktion #augsburghältzusammen2020 zu unterstützen.
Dachten Sie nie daran, Ihre Zahlungen als Trikotsponsor und Namensgeber der Arena zu reduzieren? Denn es konnte ja auch nicht die vereinbarte Gegenleistung geliefert werden. Schrameier: Das war nie ein Thema, weil das nicht unsere Intention ist.
Der Branchendienst Ispo taxiert den Werbewert des FCA-Trikots auf 4,5 Millionen Euro pro Jahr und den Wert des Namensrechtes auf zwei Millionen Euro im Jahr. Können Sie diese Zahlen bestätigen?
Schrameier: Ich nenne keine Zahlen, aber unser Modell orientiert sich an der dynamischen Entwicklung der Sponsorenrechte in den nächsten zehn Jahren. Unser Engagement ruht zum einen auf den Werberechten an den Trikots und der WWKArena, zum anderen auf der einmaligen Finanzierung der leuchtenden Fassade der Arena und des Baus des Internates für das Nachwuchsleistungszentrum. Bei diesem Projekt werden jetzt die Angebote verhandelt. 2021 soll es fertig sein.
Warum machen die Investitionen in die Fassade und das Internat für die WWK Sinn?
Schrameier: Weil wir das Engagement beim FCA als strategische Partnerschaft sehen und weil wir die Baukosten bilanziell über mehrere Jahre verteilen können.
Ist die Versicherungsbranche resistent gegen die Corona-Krise? Schrameier: Alle unsere Verträge zusammen haben eine Beitragssumme von 26,5 Milliarden Euro über die Laufzeit. Wir haben da kaum Kündigungen gesehen, wenn dann waren es eher Beitragsfreistellungen. Und auch beim Neugeschäft, das von Januar bis April 1,2 Milliarden
Euro betrug, haben wir insgesamt gesehen keine Einbußen. Wie man sieht, können wir also unsere Verträge erfüllen.
Hat der FCA denn mal angefragt, ob Sie ihm vielleicht in dieser Krisenzeit über Ihr vertragliches Engagement hinaus helfen könnten?
Schrameier: Nein, das war nicht der Fall.
Arbeitet der FCA seriöser als andere? Schrameier: Ich glaube schon. Deshalb passt das auch so gut, weil wir ähnlich denken. Dahinter steht die Arbeitsweise des vorsichtigen Kaufmanns, die auch bei uns ganz ausgeprägt ist. Wir versuchen, unsere Sicherheitsmittel so zu steuern, dass wir immer sagen können, wir sind finanziell gesund. So denkt auch der FCA. Das kann man daran sehen, wie seriös sie jede Saison ihre Transferaktivitäten gestalten.
Auf der wirtschaftlichen Basis. Sportlich …
Schrameier: Dazu muss ich sagen, dass ich mir zu Beginn der Saison auch etwas mehr erhofft hatte. Trotzdem, der FCA geht in seine zehnte Bundesliga-Saison in Folge und das ist eine enorme Leistung. Von der Zusammenarbeit profitieren beide Parteien.
Hätte ein Abstieg finanzielle Folgen für das Sponsoring?
Schrameier: Nein. Wir würden versuchen, dazu beizutragen, dass der FCA wieder aufsteigt. Aber wir sind natürlich sehr froh, wenn dieser Fall nicht eintritt.
Wie haben Sie das Verhalten des FCA während der Corona-Krise gesehen? Er hat im Gegensatz zu anderen Profiklubs keine Kurzarbeit angemeldet, er hat Hilfsaktionen gestartet. Schrameier: Er hat sich sehr positiv verhalten. Aber das haben wir auch nicht anders erwartet.
Die Bundesliga, Ihre große Werbeplattform, ist im Zuge der CoronaKrise in die Diskussion gekommen. Als das ganze Land unter den massiven Einschränkungen litt, als Geschäfte, Schulen und Kindergärten geschlossen waren, wollten die Profivereine unbedingt wieder spielen.
Schrameier: Ich denke, dass dieser Wunsch rechtens war. Ich kenne keine andere Sportart, die so massiv das gesellschaftliche Leben bestimmt wie der Fußball. Solange deswegen niemand leidet, und das kann ich nicht sehen, ist das gerechtfertigt. Ich sehe niemanden, der Nachteile dadurch hatte, dass man versucht hat, ein Regelwerk zu finden, mit dem die Bundesliga weiterspielen kann.
Aber ohne Fans, also ohne Ihre Kunden und Mitarbeiter. Das Fernsehgeld ist wichtiger als die Fans. Schrameier: Man hat überlegt, was kann man überhaupt tun, damit der Fußball am Leben bleibt. Wir wissen ja nicht, ist es nur eine begrenzte Phase, wann gibt es einen Impfstoff ? Oder es kann ein eingeschränkt positives Szenario geben, dass die Fallzahlen so niedrig sind, dass man trotzdem wieder mit technischer Unterstützung Großveranstaltungen durchführen kann. Es geht jetzt einfach darum, diesen Zeitraum, egal wie lange er ist, zu überbrücken.
In Frankreich oder in den Niederlanden hat man die Saison abgebrochen. Schrameier: Wir werden erst hinterher sehen, welcher Weg der bessere war. Zum jetzigen Zeitpunkt glaube ich, dass unser Weg in Deutschland richtig ist. Im öffentlichen Leben mit dem harten Shutdown und den jetzt stufenweisen Lockerungen, aber auch mit der Möglichkeit, den Fußballbetrieb am Leben zu erhalten. Es wäre sonst für einige Vereine schwierig geworden.
Es wird auch nicht Ihre Sponsorenzahlungen beeinflussen, wenn auch die nächste Saison ohne Zuschauer beginnt?
Schrameier: Richtig. Aber man kann das natürlich nur bedauern. Wir haben ein strategisches Investment mit dem FCA mit drei Säulen. Das Engagement ist für die WWK trotz der Kapitalanlagen oberhalb von zehn Milliarden Euro schon enorm. Es stehen für uns aber auch entsprechende Werte dahinter. Da ist es nicht entscheidend, ob das ein halbes Jahr oder ein Jahr dauert. Ich glaube fest an unsere Geschäftsbeziehung bis 2030.
Aber hat die Corona-Krise nicht deutlich gezeigt, dass das System krankt, wenn Vereine nach wenigen Wochen vor dem finanziellen Kollaps stehen? Schrameier: Ein Unternehmen, das ausreichend lange tätig ist, sollte in der Lage sein, mindestens ein halbes Jahr überleben zu können. Wenn das nicht so ist, darf man das in Zukunft nicht mehr zulassen. Es müssen Reserven vorhanden sein.
FCA-Präsident Klaus Hofmann mahnt schon länger Reformen an. Welche müssten aus Ihrer Sicht als
Sponsor umgesetzt werden? Schrameier: Es muss ein fairer Wettbewerb herrschen. In erster Linie muss aber gewährleistet sein, dass die Vereine eine Krise, welcher Art auch immer, durchhalten können. Sie müssen finanziell ausreichend vorgesorgt haben. Durch gesundes Wirtschaften geht das. Man darf nicht über seine Verhältnisse leben, das ist im Fußball so wie in jedem anderen Unternehmen.
Wie passt es da ins Bild, dass bei RB Leipzig 100 Millionen Euro Darlehen in Eigenkapital umgewandelt wurden? Schrameier: Zu RB Leipzig möchte ich mich nicht äußern.
Kann ein Profiklub es sich leisten zu sagen, ich bilde Rücklagen, habe aber keinen sportlichen Erfolg mehr? Schrameier: Die Frage muss man sich immer stellen. Das gilt auch für Unternehmen in der Industrie. Den Kompromiss muss man immer für sich selbst finden. Wie weit kann ich ins Investment gehen? Auch wenn wir Neugeschäft betreiben, ist das ein Investment in die Zukunft. Ich muss mich immer fragen, ob ich mir das leisten kann. Ich glaube, dass es einige in der Liga gibt, die auf Kante genäht haben. Das hat man früher gar nicht so mitgekriegt, sondern erst jetzt in der Krise.
Haben Sie als Sponsor Einflussmöglichkeiten?
Schrameier: Das brauchen wir nicht. Wir wissen, dass beim FCA professionell mit dem Geld gearbeitet wird.
Sie sind seit fünf Jahren Hauptsponsor beim FCA. Wie fällt Ihr Zwischenfazit aus?
Schrameier: Unsere Erwartungen wurden übertroffen. Wir mussten zum damaligen Zeitpunkt immer mit dem Risiko leben, dass die Liga nicht zu halten ist. Oder mit dem
Risiko, dass es größere Probleme gibt, die die Sympathie des Vereins negativ berühren können. All das ist nicht passiert. Ganz im Gegenteil: Der FCA hat sich ein Selbstverständnis als Erstligaverein aufgebaut. Das ist von unserer Seite zu begrüßen.
Sie haben vorhin erwähnt, dass Sie sich von dieser Saison sportlich mehr erwartet haben.
Schrameier: Als ich die Spielereinkäufe gesehen habe, war ich sehr zuversichtlich. Zum Ende der Vorrunde sah es ja auch so aus, als ob sich der FC Augsburg im Mittelfeld festsetzen könnte. Jetzt ist es bedauerlich, dass es wieder etwas enger geworden ist. In der neuen Saison hätte ich gerne eine Runde ohne Abstiegsangst. Und die eine oder andere Überraschung.
„Unsere Beziehung zum FCA steht nicht infrage“
„Es müssen Reserven vorhanden sein“
Sie setzen die sportliche Leitung aber ganz schön unter Druck. Schrameier: Nein, nein. Das Hauptziel bleibt der Klassenerhalt. Aber man darf auch als Sponsor mal träumen. Zum Beispiel den Traum von der Europa League. Wenn man sich an Liverpool zurückerinnert, das war großartig. Ich glaube, diesen Traum hat auch der eine oder andere FCA-Verantwortliche unverändert.
● Jürgen Schrameier, 58, ist gebürtiger Münchner. Der dreifache Familienvater ist seit 2007 Vorstandsvorsitzender der WWK Lebensversicherung a.G. und der WWK Allgemeine Versicherung AG. Die WWK (rund 1300 Mitarbeiter) zählt mit etwa 10000 Vertriebspartnern und rund 1,3 Millionen Kunden zu den Marktführern im Bereich der Fondsgebundenen Lebensversicherung. Die WWK wurde 1884 als „Witwen- und WaisenUnterstützungscassa des Bayerischen Verkehrsbeamten-Verein“(WWUK) in München gegründet. Neben dem Engagement beim FC Augsburg unterstützt das Unternehmen auch die Bundesliga-Volleyballer WWK Volleys Herrsching. (ötz)