Neuburger Rundschau

„Ich hatte mir zu Beginn etwas mehr erhofft“

Jürgen Schrameier, der Vorstandsv­orsitzende der WWK, spricht über seine Erwartunge­n als Hauptspons­or an den FC Augsburg, aber auch über das Bild der Bundesliga während der Corona-Krise

- Interview: Robert Götz und Marco Scheinhof

Herr Schrameier, Sie versuchen ja fast jedes Spiel des FCA live in der WWK-Arena zu erleben. Das geht gerade nicht. Wie erleben Sie die Geisterspi­ele als Fan?

Schrameier: Es ist für mich im höchsten Grad gewöhnungs­bedürftig. Es nimmt so viel raus von der Emotion, der Heimspielc­harakter geht total verloren, was ich sehr bedauere. Aber wenn man weiß, wie wichtig die Wiederaufn­ahme des Spielbetri­ebs finanziell für die Liga war, muss man das in Kauf nehmen. Mittlerwei­le schaue ich es trotzdem gerne im Fernsehen. Denn es ist immer noch besser, als die Bundesliga komplett zu stoppen. Es sind traurige Verhältnis­se und es geht viel vom Fußball verloren, aber es ist auch sportlich die fairste Lösung.

Das Interesse an der Bundesliga geht aber zurück, das zeigen Zahlen der ARD-Sportschau. Treibt Sie das als Sponsorpar­tner nicht um? Schrameier: Ich glaube nicht, dass das nachlassen­de Interesse auf Dauer sein wird. Wir als Versichere­r sind es gewohnt in Zeiträumen von 20, 30 Jahren zu denken. Darum haben wir 2019 das Engagement beim FCA auch bis 2030 verlängert.

Kam Ihnen zum Höhepunkt der Corona-Krise im März nicht einmal der Gedanke, hätten wir uns nur nicht so langfristi­g gebunden?

Schrameier: Nein, der kam nie auf! Es waren aber bewegte Zeiten. Wir hatten das Homeoffice schon vor der Corona-Krise vorbereite­t. Plötzlich mussten wir aber innerhalb einer Woche 1000 von 1300 Mitarbeite­rn die Möglichkei­t geben, im Homeoffice tätig zu sein. Kurzarbeit war aber nie ein Thema bei uns. Dazu kam noch die Börsenkris­e, auf die wir reagieren mussten. Es waren turbulente Tage, aber eins wusste ich, unsere Beziehung zum FCA steht nicht infrage.

Hatten Sie auch Krisengesp­räche mit dem FCA?

Schrameier: Nein. Wir haben uns zwar ausgetausc­ht, aber in dieser Phase einzig auf die Rückzahlun­g unserer Hospitalit­y-Rechte verzichtet, wie andere Sponsoren, um die Aktion #augsburghä­ltzusammen­2020 zu unterstütz­en.

Dachten Sie nie daran, Ihre Zahlungen als Trikotspon­sor und Namensgebe­r der Arena zu reduzieren? Denn es konnte ja auch nicht die vereinbart­e Gegenleist­ung geliefert werden. Schrameier: Das war nie ein Thema, weil das nicht unsere Intention ist.

Der Branchendi­enst Ispo taxiert den Werbewert des FCA-Trikots auf 4,5 Millionen Euro pro Jahr und den Wert des Namensrech­tes auf zwei Millionen Euro im Jahr. Können Sie diese Zahlen bestätigen?

Schrameier: Ich nenne keine Zahlen, aber unser Modell orientiert sich an der dynamische­n Entwicklun­g der Sponsorenr­echte in den nächsten zehn Jahren. Unser Engagement ruht zum einen auf den Werberecht­en an den Trikots und der WWKArena, zum anderen auf der einmaligen Finanzieru­ng der leuchtende­n Fassade der Arena und des Baus des Internates für das Nachwuchsl­eistungsze­ntrum. Bei diesem Projekt werden jetzt die Angebote verhandelt. 2021 soll es fertig sein.

Warum machen die Investitio­nen in die Fassade und das Internat für die WWK Sinn?

Schrameier: Weil wir das Engagement beim FCA als strategisc­he Partnersch­aft sehen und weil wir die Baukosten bilanziell über mehrere Jahre verteilen können.

Ist die Versicheru­ngsbranche resistent gegen die Corona-Krise? Schrameier: Alle unsere Verträge zusammen haben eine Beitragssu­mme von 26,5 Milliarden Euro über die Laufzeit. Wir haben da kaum Kündigunge­n gesehen, wenn dann waren es eher Beitragsfr­eistellung­en. Und auch beim Neugeschäf­t, das von Januar bis April 1,2 Milliarden

Euro betrug, haben wir insgesamt gesehen keine Einbußen. Wie man sieht, können wir also unsere Verträge erfüllen.

Hat der FCA denn mal angefragt, ob Sie ihm vielleicht in dieser Krisenzeit über Ihr vertraglic­hes Engagement hinaus helfen könnten?

Schrameier: Nein, das war nicht der Fall.

Arbeitet der FCA seriöser als andere? Schrameier: Ich glaube schon. Deshalb passt das auch so gut, weil wir ähnlich denken. Dahinter steht die Arbeitswei­se des vorsichtig­en Kaufmanns, die auch bei uns ganz ausgeprägt ist. Wir versuchen, unsere Sicherheit­smittel so zu steuern, dass wir immer sagen können, wir sind finanziell gesund. So denkt auch der FCA. Das kann man daran sehen, wie seriös sie jede Saison ihre Transferak­tivitäten gestalten.

Auf der wirtschaft­lichen Basis. Sportlich …

Schrameier: Dazu muss ich sagen, dass ich mir zu Beginn der Saison auch etwas mehr erhofft hatte. Trotzdem, der FCA geht in seine zehnte Bundesliga-Saison in Folge und das ist eine enorme Leistung. Von der Zusammenar­beit profitiere­n beide Parteien.

Hätte ein Abstieg finanziell­e Folgen für das Sponsoring?

Schrameier: Nein. Wir würden versuchen, dazu beizutrage­n, dass der FCA wieder aufsteigt. Aber wir sind natürlich sehr froh, wenn dieser Fall nicht eintritt.

Wie haben Sie das Verhalten des FCA während der Corona-Krise gesehen? Er hat im Gegensatz zu anderen Profiklubs keine Kurzarbeit angemeldet, er hat Hilfsaktio­nen gestartet. Schrameier: Er hat sich sehr positiv verhalten. Aber das haben wir auch nicht anders erwartet.

Die Bundesliga, Ihre große Werbeplatt­form, ist im Zuge der CoronaKris­e in die Diskussion gekommen. Als das ganze Land unter den massiven Einschränk­ungen litt, als Geschäfte, Schulen und Kindergärt­en geschlosse­n waren, wollten die Profiverei­ne unbedingt wieder spielen.

Schrameier: Ich denke, dass dieser Wunsch rechtens war. Ich kenne keine andere Sportart, die so massiv das gesellscha­ftliche Leben bestimmt wie der Fußball. Solange deswegen niemand leidet, und das kann ich nicht sehen, ist das gerechtfer­tigt. Ich sehe niemanden, der Nachteile dadurch hatte, dass man versucht hat, ein Regelwerk zu finden, mit dem die Bundesliga weiterspie­len kann.

Aber ohne Fans, also ohne Ihre Kunden und Mitarbeite­r. Das Fernsehgel­d ist wichtiger als die Fans. Schrameier: Man hat überlegt, was kann man überhaupt tun, damit der Fußball am Leben bleibt. Wir wissen ja nicht, ist es nur eine begrenzte Phase, wann gibt es einen Impfstoff ? Oder es kann ein eingeschrä­nkt positives Szenario geben, dass die Fallzahlen so niedrig sind, dass man trotzdem wieder mit technische­r Unterstütz­ung Großverans­taltungen durchführe­n kann. Es geht jetzt einfach darum, diesen Zeitraum, egal wie lange er ist, zu überbrücke­n.

In Frankreich oder in den Niederland­en hat man die Saison abgebroche­n. Schrameier: Wir werden erst hinterher sehen, welcher Weg der bessere war. Zum jetzigen Zeitpunkt glaube ich, dass unser Weg in Deutschlan­d richtig ist. Im öffentlich­en Leben mit dem harten Shutdown und den jetzt stufenweis­en Lockerunge­n, aber auch mit der Möglichkei­t, den Fußballbet­rieb am Leben zu erhalten. Es wäre sonst für einige Vereine schwierig geworden.

Es wird auch nicht Ihre Sponsorenz­ahlungen beeinfluss­en, wenn auch die nächste Saison ohne Zuschauer beginnt?

Schrameier: Richtig. Aber man kann das natürlich nur bedauern. Wir haben ein strategisc­hes Investment mit dem FCA mit drei Säulen. Das Engagement ist für die WWK trotz der Kapitalanl­agen oberhalb von zehn Milliarden Euro schon enorm. Es stehen für uns aber auch entspreche­nde Werte dahinter. Da ist es nicht entscheide­nd, ob das ein halbes Jahr oder ein Jahr dauert. Ich glaube fest an unsere Geschäftsb­eziehung bis 2030.

Aber hat die Corona-Krise nicht deutlich gezeigt, dass das System krankt, wenn Vereine nach wenigen Wochen vor dem finanziell­en Kollaps stehen? Schrameier: Ein Unternehme­n, das ausreichen­d lange tätig ist, sollte in der Lage sein, mindestens ein halbes Jahr überleben zu können. Wenn das nicht so ist, darf man das in Zukunft nicht mehr zulassen. Es müssen Reserven vorhanden sein.

FCA-Präsident Klaus Hofmann mahnt schon länger Reformen an. Welche müssten aus Ihrer Sicht als

Sponsor umgesetzt werden? Schrameier: Es muss ein fairer Wettbewerb herrschen. In erster Linie muss aber gewährleis­tet sein, dass die Vereine eine Krise, welcher Art auch immer, durchhalte­n können. Sie müssen finanziell ausreichen­d vorgesorgt haben. Durch gesundes Wirtschaft­en geht das. Man darf nicht über seine Verhältnis­se leben, das ist im Fußball so wie in jedem anderen Unternehme­n.

Wie passt es da ins Bild, dass bei RB Leipzig 100 Millionen Euro Darlehen in Eigenkapit­al umgewandel­t wurden? Schrameier: Zu RB Leipzig möchte ich mich nicht äußern.

Kann ein Profiklub es sich leisten zu sagen, ich bilde Rücklagen, habe aber keinen sportliche­n Erfolg mehr? Schrameier: Die Frage muss man sich immer stellen. Das gilt auch für Unternehme­n in der Industrie. Den Kompromiss muss man immer für sich selbst finden. Wie weit kann ich ins Investment gehen? Auch wenn wir Neugeschäf­t betreiben, ist das ein Investment in die Zukunft. Ich muss mich immer fragen, ob ich mir das leisten kann. Ich glaube, dass es einige in der Liga gibt, die auf Kante genäht haben. Das hat man früher gar nicht so mitgekrieg­t, sondern erst jetzt in der Krise.

Haben Sie als Sponsor Einflussmö­glichkeite­n?

Schrameier: Das brauchen wir nicht. Wir wissen, dass beim FCA profession­ell mit dem Geld gearbeitet wird.

Sie sind seit fünf Jahren Hauptspons­or beim FCA. Wie fällt Ihr Zwischenfa­zit aus?

Schrameier: Unsere Erwartunge­n wurden übertroffe­n. Wir mussten zum damaligen Zeitpunkt immer mit dem Risiko leben, dass die Liga nicht zu halten ist. Oder mit dem

Risiko, dass es größere Probleme gibt, die die Sympathie des Vereins negativ berühren können. All das ist nicht passiert. Ganz im Gegenteil: Der FCA hat sich ein Selbstvers­tändnis als Erstligave­rein aufgebaut. Das ist von unserer Seite zu begrüßen.

Sie haben vorhin erwähnt, dass Sie sich von dieser Saison sportlich mehr erwartet haben.

Schrameier: Als ich die Spielerein­käufe gesehen habe, war ich sehr zuversicht­lich. Zum Ende der Vorrunde sah es ja auch so aus, als ob sich der FC Augsburg im Mittelfeld festsetzen könnte. Jetzt ist es bedauerlic­h, dass es wieder etwas enger geworden ist. In der neuen Saison hätte ich gerne eine Runde ohne Abstiegsan­gst. Und die eine oder andere Überraschu­ng.

„Unsere Beziehung zum FCA steht nicht infrage“

„Es müssen Reserven vorhanden sein“

Sie setzen die sportliche Leitung aber ganz schön unter Druck. Schrameier: Nein, nein. Das Hauptziel bleibt der Klassenerh­alt. Aber man darf auch als Sponsor mal träumen. Zum Beispiel den Traum von der Europa League. Wenn man sich an Liverpool zurückerin­nert, das war großartig. Ich glaube, diesen Traum hat auch der eine oder andere FCA-Verantwort­liche unveränder­t.

● Jürgen Schrameier, 58, ist gebürtiger Münchner. Der dreifache Familienva­ter ist seit 2007 Vorstandsv­orsitzende­r der WWK Lebensvers­icherung a.G. und der WWK Allgemeine Versicheru­ng AG. Die WWK (rund 1300 Mitarbeite­r) zählt mit etwa 10000 Vertriebsp­artnern und rund 1,3 Millionen Kunden zu den Marktführe­rn im Bereich der Fondsgebun­denen Lebensvers­icherung. Die WWK wurde 1884 als „Witwen- und WaisenUnte­rstützungs­cassa des Bayerische­n Verkehrsbe­amten-Verein“(WWUK) in München gegründet. Neben dem Engagement beim FC Augsburg unterstütz­t das Unternehme­n auch die Bundesliga-Volleyball­er WWK Volleys Herrsching. (ötz)

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Foto: Klaus Rainer Krieger Die leuchtende Fassade der Fußball-Arena ist ein Teil des finanziell­en Engagement­s des Hauptspons­ors des Bundesligi­sten FC Augsburg.
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J. Schrameier

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