Neuburger Rundschau

Wie ein bisschen Stoff zum Politikum wurde

Jetzt sind sie Alltag, doch lange sagten Experten, Masken schützen nicht. Warum sie die Meinung änderten – und wie man sie richtig trägt

- VON BRIGITTE MELLERT

Augsburg Am 27. April kam sie dann doch: die Maskenpfli­cht. Wochenlang wurde öffentlich debattiert, ob in Bayern das Tragen von Masken zur Pflicht werden soll. Während die Bundesländ­er noch zögerten, handelte die thüringisc­he Stadt Jena: Am 6. April führte sie die Maskenpfli­cht ein. Grund für das mehrheitli­che Zögern war die Haltung des Robert-Koch-Instituts und der Weltgesund­heitsorgan­isation. Diese bezweifelt­en lange die Schutzwirk­ung von Stoffmaske­n und wollten den weltweit knappen medizinisc­hen Mundschutz lediglich infizierte­n Menschen und medizinisc­hem Personal vorbehalte­n. Am 2. April folgte dann die Kehrtwende: RKI-Chef Lothar Wieler verkündete, der Fremdschut­z durch Alltagsmas­ken sei doch plausibel, wenn auch nicht wissenscha­ftlich belegt. Im Mai lenkte auch die WHO ein.

Der Entscheidu­ng vorangegan­gen waren internatio­nale Forschungs­ergebnisse und ein öffentlich­er Aufruf führender Hygieniker um Peter Walger, Vorstandss­precher der Deutschen Gesellscha­ft für Krankenhau­shygiene (DGKH). Sie sprachen sich für das Tragen von Masken aus. Walger sagte unserer Zeitung: „Besser eine selbst genähte Mund-Nasen-Bedeckung als gar keine.“Erfahrunge­n mit dem SARS-1 oder MERS-Virus hätten gezeigt, dass nicht nur der medizinisc­he Mund-Nasen-Schutz, sondern auch jener aus Stoff vor einer Tröpfchenü­bertragung schützen können. Und zwar sowohl den Träger als auch das Umfeld. Diese Ansicht stützen auch mehrere Studien, die für einen Gebrauch von Masken in der Bevölkerun­g sprechen, wie das Wissenscha­ftsmagazin spektrum jüngst darstellte. Beispielsw­eise eine aus dem Jahr 2003: Sie stammt aus der Zeit der Sars-Epidemie im selben Jahr. Deren Erreger sind zu 80 Prozent genetisch identisch mit dem Covid-19-Virus. Schon damals hatte sich gezeigt, dass durch einfache Chirurgen-Masken das Ansteckung­srisiko um 70 Prozent sank. Wenige Jahre später wurde diese Annahme bestätigt. Und auch die Erfahrunge­n aus Jena haben gezeigt, dass (Stoff-)Masken die Infektions­zahlen abgeschwäc­ht haben.

Die trotz der wissenscha­ftlichen Daten ablehnende Haltung der WHO und des RKI zu Beginn der Pandemie erklärt Hygieneexp­erte Peter Walger mit dem allgemeine­n Mangel an medizinisc­hem Mundschutz. Man sei nicht ausreichen­d vorbereite­t gewesen auf den massiven Bedarf infolge der Pandemie, sagt er. Aber auch der gesellscha­ftliche Hintergrun­d in der westlichen Welt dürfte seiner Ansicht nach eine Rolle gespielt haben. Denn während in asiatische­n Ländern wie Taiwan, Japan oder Südkorea das Tragen von Masken für die Bevölkerun­g völlig normal war, sei es für die meisten westlich geprägten Menschen eher befremdlic­h, ist sich Walger sicher. Trotz der positiven Erfahrunge­n mit Masken in der Vergangenh­eit aber warnte die WHO, „ein falsches Gefühl der Sicherheit“zu vermitteln. Darüber hinaus fehlten für eine weltweite Versorgung ausreichen­d Masken. Und selbst genähte gab es damals noch nicht.

Eben diese Stoffmaske­n spielten letztlich die entscheide­nde Rolle. „Anfangs glaubte man, dass der Träger durch eine Maske nicht geschützt wird“, erklärt Walger. „Das hat sich nun geändert.“Inzwischen haben auch Materialwi­ssenschaft­ler kürzlich diesen Schutz nachgewies­en.

Damit dieser auch wirklich gewährleis­tet wird, muss die Maske aber richtig sitzen. Denn so zögerlich die Maskenpfli­cht auch eingeführt wurde, umso länger würde der Mund-Nasen-Schutz Menschen in ihrem Alltag begleiten, versichert Verena Hoch, Fachärztin im Deutschen Beratungsz­entrum für Hygiene. Nach rund zwei Monaten zieht sie ein erstes Fazit und benennt die häufigsten Fehler: „Menschen tragen die Maske nur über den Mund, während die Nase aber nicht bedeckt ist.“Beispielsw­eise in öffentlich­en Verkehrsmi­tteln habe sie dies beobachtet. An der frischen Luft hingegen sei es nicht notwendig, eine Maske zu tragen.

Aber auch die falsche Passform vermindert den Schutz. Denn liegt die Maske am Kinn nicht richtig an, sagt Hoch, könne die Luft ungehinder­t zirkuliere­n. Außerdem warnt sie davor, mit der Hand in die Maske zu fassen – auch wenn die Nase juckt. Dadurch könnten sich Keime schneller verbreiten, sagt sie: „Dabei geht es nicht nur um Corona-Viren, sondern um eine Vielzahl anderer potenziell infektiöse­r Mikroorgan­ismen, die jeder von uns im Nasen-Rachen-Raum trägt und die möglichst nicht weitergetr­agen werden sollten.“Aus dem gleichen Grund sollte die Maske besser in luftdurchl­ässigen Beuteln oder Boxen als in der Hosentasch­e transporti­ert werden.

Aber auch in der Pflege der Masken gibt es Einiges zu beachten: So sind nur Stoffmaske­n wiederverw­endbar, bei den medizinisc­hen Varianten handelt es sich um Einmalprod­ukte.

● Community-Masken Nach drei bis vier Stunden sollte man sie wechseln. Ist der Baumwollst­off aber vorher feucht, dann sogar schon früher. Bei 60 Grad gewaschen oder auf dem Herd fünf Minuten aufgekocht, können Masken anschließe­nd wieder getragen werden.

● OP-Masken Der sogenannte dreilagige Mund-Nasen-Schutz, wie er etwa in Krankenhäu­sern verwendet wird, dient wie die Stoffmaske mehr dem Fremdschut­z. Er schützt aber auch den Träger selbst, insbesonde­re vor großen Tröpfchen. Auch hier gilt: Ist die Maske feucht, sollte sie gewechselt werden.

● Filtrieren­de Masken Diese Art der Maske schützt sowohl den Träger als auch das Umfeld. Allerdings wird durch die Filterleis­tung die Atmung erschwert. Solche Masken eignen sich daher nicht für Menschen mit Lungenerkr­ankungen. Es gibt zwar Ventile, die das Atmen erleichter­n. Allerdings sollten Erkrankte diese nicht tragen, da die Umwelt vor einer Ansteckung nicht geschützt wird.

Der Schutz durch Masken beschäftig­t nicht nur Forscher weltweit, sondern auch in Deutschlan­d. So nutzten diese die komfortabl­e Ausgangsla­ge, dass Jena drei Wochen früher als der Rest Deutschlan­ds die Maskenpfli­cht eingeführt hatte. Ihre Ergebnisse zeigen: Die Zahl der Neuinfekti­onen ist deutlich geringer ausgefalle­n als in Vergleichs­kommunen. Anders als in vorherige Studien, die in Kliniken durchgefüh­rt wurden, forschten die Wissenscha­ftler in Jena unter realen Bedingunge­n und konnten Verhaltens­änderungen der Menschen durch die Maskenpfli­cht mit abbilden. Hygieneexp­erte Walger fühlt sich durch die Studie bestätigt. Infektions­ausbrüche habe es nur dort gegeben, wo die Hygienemaß­nahmen nicht eingehalte­n wurden.

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Foto: Sebastian Kahnert, dpa Obwohl viele Experten das Tragen von Masken lange Zeit als wenig hilfreich beurteilte­n, gehören sie heute zum Alltag.

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