Fahrradstadt Neuburg?
Verkehrsexperte Heiner Monheim macht revolutionäre Vorschläge für Neuburg. Tempo 30 auf der Donaubrücke und mehr Überwege auf Hauptstraßen. „Mobilität erfordert Vollversorgung“
Verkehrsexperte Heiner Monheim hat revolutionäre Ideen, um den Verkehr fahrradfreundlicher zu machen. Geht es nach ihm, haben Autos weniger Platz.
Neuburg Er fährt mit dem Zug, benutzt ein Klapprad und ist „kein Autofresser“. Professor Heiner Monheim (74) gilt als Verfechter der „sanften Mobilität“, will Bus-, Bahn- und Radfahren und damit die Städte attraktiver machen. Für Neuburg sieht der Verkehrsexperte die Chance auf 30 Prozent Radverkehr und zwei Millionen Stadtbusfahrer pro Jahr.
Der auf Honorarbasis eingeladene emeritierte Professor merkte zunächst im Hotel am Fluss, dass der Verkehr auf der Donaubrücke ziemlich laut ist. Dann erkundete er – von Malente (Schleswig-Holstein) mit dem Zug angereist – alleine die Neuburger Wege auf seinem Faltrad-Klassiker. Am nächsten Tag folgten eine Tour mit dem AgendaArbeitskreis, Workshop und ein Vortrag im Kolpinghaus.
Konkrete Vorschläge, etwa für Bordsteine oder Einmündungen, durften die Gastgeber nicht erwarten. Der „Fahrradpapst“denkt in größeren Kategorien: Politik und Bürger müssten anfangen, „den Fahrradverkehr neu zu denken“. Auf Stadtstraßen, die für Autoverkehr ausgerichtet seien, müsse Platz für Radler geschaffen werden: breitere Trassen, Aufstellspuren vor Ampeln und deutlich mehr Überwege für Fußgänger.
Heiner Monheim erwog, die Neuburger Ausfallstraßen auf Tempo 30 km/h zu begrenzen und zugunsten des Radverkehrs zu verschmälern. Auch auf der Donaubrücke hält er 30 km/h und die optionale Benutzung der Straße durch Radler für möglich. Die Hinweise von Verkehrsreferent Bernhard Pfahler und Polizeihauptkommissar Franz Sailer auf Enge und Stau auf der Brücke nährten die Vermutung, dass ein Missverständnis vorliegen könnte: Heiner Monheim denkt als Gegner der Massenmotorisierung und Autoindustrie revolutionär, er will den grundlegenden Wandel der Verkehrspolitik. Das könnte für Neuburg zwei Nummern zu groß sein. Oberbürgermeister Bernhard Gmehling sagte im Kolpingsaal, dass die Stadt in Sachen Radfahren „so schlecht nicht aufgestellt ist“. Man sei dran, die bestehenden 70 Kilometer Radwege zu erweitern und zu verbessern. Alle weiteren Vorschläge sollen auf Realisierung geprüft werden.
Analysen von Heiner Monheim, Neuburg müsse mehr als fünf Stadtbuslinien und 60 Haltestellen anbieten und könne zwei Millionen Fahrgäste jährlich erreichen, bezeichnete der OB als „illusionär“. Die Forderung des Verkehrsexperten, ebenso wie bei Energie, Wärme und Wasser „braucht Mobilität eine Vollversorgung“, beklatschten die Vertreter der Fahrrad-Fraktion besonders heftig. Bis zum Level der deutschen Fahrrad-Hauptstadt Münster (40 Prozent Verkehrsanteil) oder dem europäischen Vorreiter Kopenhagen (50 Prozent) ist es also noch ein weiter Weg. Vielleicht schafft Neuburg den Beitritt zur „Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundlicher Kommunen“. Eine Mitgliedschaft biete Neuburg beste Chancen auf Modellvorhaben und hohe Bundeszuschüsse, so der Referent.
Pedelecs und E-Bikes erweitern den Radius, „Hügel sind keine Hindernisse mehr“, meint Heiner
Monheim. Es gebe neue Räder und Anhänger für Lastverkehr und das Angebot von Leihrädern in Städten müsse aufrecht erhalten werden – obwohl Großstädte wegen undisziplinierter Verwendung längst wieder Abstand nehmen.
Der Verkehrsplaner träumt von einem regionalen Radschnellweg entlang der Donau, schlägt kleine Kreisverkehre an schwierigen
Kreuzungen (Bullinger-Kreuzung) vor und verlangt die Anbindung des Neuburger Bahnhofs von Süden her. Wenn Brücken gebaut werden, denkt er weniger an Straßen-, als vielmehr an Radler- und Fußgängerbrücken. Den Neuburg-Ausflug des Mitbegründers des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) will der Agenda-Arbeitskreis nun weiter diskutieren.