Neuburger Rundschau

Weg frei für Putin

Russland stimmt für Machterhal­t

- VON INNA HARTWICH

Moskau In Istra nahe Moskau wird auf einer Bank zwischen zwei Wohnblocks abgestimmt. Die Wahlhelfer­in sitzt in der Sonne, telefonier­t, die Wahlzettel liegen auf einem grauen Klapptisch vor ihr. In der Region Uljanowsk haben die Wahlhelfer ihre Unterlagen auf einem Baumstumpf ausgebreit­et, in Wladiwosto­k im Osten des Landes stehen die Wahlurnen im Kofferraum eines Autos. Russland stimmt über die größten Änderungen seiner Verfassung ab, und die sozialen Netzwerke sind voll von solchen Bildern, Aufnahmen aus Bussen, aus Zelten, vor Spielplatz-Rutschen.

Hohen Infektions­zahlen zum Trotz schickt der Staat sein Volk eine Woche lang an die Urnen. „Die Stimme eines jeden von Ihnen ist die wichtigste“, sagte Putin noch am vorletzten Tag der Abstimmung. Die wichtigste Änderung der Verfassung ist die sogenannte Annullieru­ng der Amtszeiten Putins. Damit kann er auch 2024, wenn seine jetzige – die vierte – Amtszeit endet, wieder antreten und noch zwölf weitere Jahre an der Macht bleiben.

Nach Auszählung der ersten Wahlzettel haben die Menschen die Verfassung­sänderung mit großer Mehrheit angenommen. Rund 73 Prozent der Berechtigt­en stimmten nach Angaben der Wahlleitun­g für das neue Grundgeset­z. Knapp 26 Prozent lehnten demnach die Verfassung ab. Das war der Stand nach Auszählung von rund 25 Prozent der Stimmzette­l am Mittwoch.

Bereits am Mittag zeigt sich die Wahlkommis­sion zufrieden. Die Republik Tuwa, eine der ärmsten Regionen des Landes, meldet eine Wahlbeteil­igung von 88 Prozent. Auch Tschetsche­nien im Nordkaukas­us, für hohe Wahlbeteil­igung bekannt, liefert, wie auch Kemerowo in Sibirien, Zahlen von mehr als 80 Prozent. Wahlbeobac­hter sprechen allerdings von „groben Verstößen“, wie etwa mehrfacher Stimmabgab­e.

Auf dem Roten Platz in Moskau kommt es derweil zum Protest. Acht junge Frauen und Männer, darunter auch Abgeordnet­e eines Moskauer Bezirks, legen sich auf die Pflasterst­eine und formen mit ihren Körpern die Zahl 2036. Das Jahr, bis zu dem Wladimir Putin von diesem Donnerstag an regieren kann. Wenn er will.

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